Universal Control: 1+1 = Mehr
Apple hat mit iOS und iPadOS 15, sowie mit der neuen macOS-Version Monterey ein neues Feature mit dem Namen “Universal Control” eingeführt. Damit lassen sich ein iPad, iMac oder MacBook mit ein und dem selben Steuerungsgerät – also Maus oder Trackpad – bedienen. Die Geräte müssen lediglich mit der selben Apple-ID über iCloud verbunden sein und möglichst nebeneinander stehen.
Ist das der Fall, kann man mit der Maus des MacBooks beispielsweise das iPad steuern und selbst Daten vom einen Gerät auf das andere bringen. Universal Control funktioniert mit bis zu drei Apple-Geräten. So weit, so gut. Ein wahrlich praktisches Feature, könnte man sagen.
Google hat Android lange Zeit als Mittel zum Zweck gesehen. Jetzt fehlt das Ecosystem.
Theoretisch ist Google selbstverständlich in der Lage ein solches Feature anzubieten. Nur leider fehlt es ihnen an einem echten Ecosystem. Lasst uns kurz zurückerinnern, wie und warum Android überhaupt so erfolgreich wurde und warum ausgerechnet Google – die mit Smartphones bis zur Bekanntgabe von Android – nichts mit Smartphones zu tun hatten:
Es war die prekäre Lage, in der sich Handyhersteller, aber auch die Mobilfunkanbieter im Jahr 2008 befanden. Das iPhone hatte in dem einen Jahr seines Bestehens einen wahren Siegeszug hingelegt – und das, obwohl Leute wie Steve Ballmer (ehem. CEO von Microsoft) sicher von einem Scheitern ausgingen. Apple hatte das bis dato teuerste Telefon mit exklusiven Partnerschaften auf den Markt gebracht. Hier in Deutschland beispielsweise durfte die Telekom das iPhone exklusiv vertreiben. Vodafone hatte das Nachsehen – und verlor in dieser Zeit jede Menge Businesskunden.
Google kam da als Retter in der Not gerade Recht. Sie hatten kurz zuvor das mobile Betriebssystem Android gekauft und boten es Smartphone-Herstellern und Telkomanbietern über die Open Handset Alliance zu großen Teilen quasi kostenlos an. Google war ein genialer Schachzug gelungen: Quasi über Nacht eröffnete es dem Suchmaschinenriesen die Möglichkeit das mobile Internet groß zu machen und automatisch vorne mit dabei zu sein.
Die 2010er waren das Jahrzehnt der Hardware. Nun folgt das Jahrzehnt der Ökosysteme
Es war ein furioser Aufstieg, den Android ein gutes Jahrzehnt lang feierte. Ende 2017 nutzten 2,7 Milliarden Menschen Android – und stellten damit einen Anteil von gut 88% der weltweiten Smartphone-Installationen.
Es war das Google-Betriebssystem, das kleine Unternehmen aus Shenzhen zu Weltkonzernen machte, die sich in einer Feature-Spirale gegenseitig mit der neuesten Hardware übertrumpften – und so nebenbei auch Apple mitzogen. Cupertino war gerade bei der Hardware lange nicht mehr Innovator, sondern zog nach.
Im Schatten des Wetteiferns um die meisten Megapixel und das schnellste Quick Charging feilte Apple an anderer Stelle eifrig weiter: Am Ökosystem. Ja, das iPhone mag im Vergleich zur Android-Konkurrenz einen geringen Marktanteil ausmachen. Aber Apple ist Weltmarktführer bei Armbanduhren (Armbanduhren wohlgemerkt, nicht Smartwatches), und bei den Tablets ebenfalls. Und auch bei den Notebooks und PCs spielt Apple in den Top 5 mit.
In den 20er-Jahren dieses Jahrzehnts wird die Hardware immer weiter in den Hintergrund rücken. Invisible Computing als Stichwort dafür, dass wir nicht mehr mit bestimmten Geräten interagieren, sondern mit Services. Ob wir auf die Daten nun per Sprachassistent, Smartwatch oder Fernseher zugreifen, spielt keine Rolle. Statt in diskrete Devices zu investieren, setzen wir im 5G-Zeitalter auf Ökosysteme, die unsere Bedürfnisse wahrnehmen und ideal erfüllen. Und genau dafür hat sich Apple nun ideal aufgestellt.
Microsoft und Google: Zwei mächtige Riesen im Patt
Natürlich ist der Shift zu den Services keine bahnbrechende Neuheit. Nicht umsonst hat Microsoft verzweifelt versucht, über die Nokia-Akquise wieder einen Fuß ins Smartphone-Business zu bekommen. Aber vergebens. Google hat die Tür zugeworfen, und an allen Ecken und Enden seine Macht eingesetzt und Microsoft blockiert. Ohne passender API war die „YouTube-App“ unter Windows Phone nicht mehr als eine Desktop-Verknüpfung auf die YouTube-Webseite – in Videos ließ sich nicht einmal vor- und zurückspulen. Kein Wunder, dass die Kunden trotz toller Hardware abwanderten.
Auf der anderen Seite beißt sich Google seit Jahren am Notebook-Markt die Zähne aus. Sicher, die Chomebooks haben jüngst macOS am Marktanteil knapp überholt. Doch mit dem leichtgewichtigen Chrome OS sind die Geräte einfach nicht mächtig und variabel genug, um eine echte Konkurrenz darzustellen. Der Marktanteil kommt durch den niedrigen Preis zustande – und wohl dadurch, dass viele Schüler in den vergangenen Monaten günstige Notebooks für den Unterricht brauchten. Fest steht: Google kommt nicht weiter.
Harmony OS: Zement made in China
Durch die aktuelle Situation mit Google und China wird sich eben jene Problematik noch weiter verschärfen. Es ist absehbar, dass Android schrumpft. Huawei und Honor werden bei den Smartphones zu Harmony OS abwandern (oder sind abgewandert worden), und womöglich folgen bald noch weitere chinesische Hersteller – aus Angst oder durch politische Rahmenbedingungen seitens China oder der USA. Am Ende bleibt Android dann ein Samsung-Betriebssystem.
Wie real diese Bedrohung durch Apple und gleichzeitig durch China ist, war auf der Google I/O sichtbar. Google und Samsung schmeißen Wear OS und Tizen in einen gemeinsamen Topf und streuen etwas Fitbit darüber. Damit lägen sie dann, sodenn die Marktanteile zwischen den Wear-OS-Herstellern von 2020 konstant blieben, gemeinsam mit etwa 35 bis 40 Prozent knapp vor Apples watchOS. Aber: Huawei hat eben 11 Prozent Anteil an Wear OS, und die BBK-Gruppe macht weitere sechseinhalb Prozentpunkte aus. Angesichts der Zahlen ist die Zusammenarbeit von Google und Samsung eher eine Zwangsehe im Kampf gegen das Abrutschen.
Preise und Märkte: Ein Blick in die Kristallkugel
„Aber Apple ist doch viiiieeeeel zu teuer!“, höre ich Euch schon in die Tasten tippen. Ja: Apple-Produkte haben hohe Anschaffungspreise. Auch wenn das iPhone SE (2020) dieses Jahr teilweise bereits für unter 350 Euro zu haben war, liegen die meisten iPhones preislich deutlich über dem Durchschnittspreis der in Deutschland 2020 verkauften Smartphones von 499 Euro.
Stützt man die Kosten jedoch nicht auf den Anschaffungskosten, sondern auf den Wertverlust, sieht die Rechnung schnell anders aus. Der obigen Grafik von bankmycell nach verlieren Android-Smartphones über 700 Euro Anschaffungskosten 24 Monate nach dem Kauf 60 Prozent ihres ursprünlichen Werts. Apple-Smartphones dagegen büßen nur 35 Prozent ein. Bei einem 1000 Euro teuren iPhone bedeutet nach 24 Monaten das einen Wertverlust von 125 Euro pro Jahr. Ein gleich teures Android-Smartphone kostet aber 200 Euro pro Jahr.
Andersherum gerechnet ist ein 1500 Euro teures iPhone nach zwei Jahren noch 975 Euro wert und hätte 525 Euro gekostet. Der gleiche Wertverlust von 525 Euro ergibt sich über 24 Monate hinweg bei einem „nur“ 875 Euro teuren Android-Smartphone. Natürlich: Man muss die 1500 Euro erst einmal haben, und „Why it's expensive to be poor“ ist ein riesiges Thema für sich. Aber auch wenn sich das eingangs erwähnte iPhone SE (2020) mit seinem Preispunkt leider dem Diagramm entzieht, würde sich das günstige Apple-Smartphone analog auf den Wertverlust gerechnet eher in der 200- bis 250-Euro-Klasse ansiedeln.
Für die Android-Oberklasse wird es jetzt wirklich eng. Und wie sieht es mit der Mittelklasse aus?
Und last but not least ist da auch die Frage nach dem Ökosystem, in das man investieren möchte. Möchte ich für ein Ökosystem allerlei Apps kaufen und Services einrichten, das in fünf Jahren womöglich nicht mehr existiert? Oder für das sich in fünf Jahren die Bedingungen so geändert haben, dass es für mich unbrauchbar ist, weil es technisch abgehängt ist oder meine Daten nicht mehr hinreichend schützen kann?
Neben den oben schon beschriebenen Features hat Apple gestern auch nochmal beim Datenschutz nachgelegt – nur um gleichzeitig auch noch aufzuzeigen, wohin das Smartphone made by Apple wandern könnte. In den USA wird man in Kürze sogar seinen Führerschein in Apple Wallet hinterlegen können. Die Daten sind dann voll verschlüsselt auf dem persönlichen Smartphone gespeichert und man kann sich gleichzeitig überall ausweisen. Hotelketten und Smart Home-Anbieter setzen bald für ihre Schließsysteme ebenfalls auf die Technologie von Apple.
Ich für meinen Teil würde meine persönlichen Daten – und vor allem nicht so sensible, wie Haustürschlüssel oder Passdaten – nicht bei einem Großteil der Hersteller hinterlassen, die heute noch auf Android setzen. Und Ihr?
Apple hat diese Frage beantwortet. Google, Microsoft, Samsung & Co.: Jetzt seid Ihr dran.
Dieser Artikel entstand mit Hilfe meines Kollegen Stefan Möllenhoff, dem ich herzlichst für die große Unterstützung danke.
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