Faltbare Smartphones sind immer noch zu teuer und das ist kein Zufall

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Warum gibt es immer noch kein erschwingliches faltbares Smartphone? Oder besser gesagt, warum müssen faltbare Smartphones zumeist 1.200 Euro oder sogar deutlich mehr kosten? Der Trickle-Down-Ansatz funktioniert in der Technik wie im richtigen Leben nicht. Und das ist kein Zufall.

1.899 Euro für das Samsung Galaxy Z Fold 5 (Test). 1.199 Euro für das Samsung Galaxy Z Flip 5 (Test). 1.099 Euro für das Oppo Find N2 Flip (Test). 1.199 für das Motorola Razr 40 Ultra (Test).

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Mehr als vier Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Samsung Galaxy Fold warten wir immer noch auf faltbare Smartphones, die nicht das 1,5-fache des Mindestlohns kosten. Aber das wird nicht so bald kommen. Warum das so ist, erkläre ich Euch in diesem Meinungsbeitrag.

Der Markt ist angeblich noch nicht bereit

Während des MWC 2023 im Februar erklärte Billy Zhang, Oppos Präsident für Auslandsverkauf und -marketing, warum erschwingliche faltbare Smartphones noch lange nicht Realität sein werden.

"Wenn man über ein Produkt wie [ein faltbares Mittelklasseprodukt] spricht, muss man sich fragen, ob es wirklich eine gute Erfahrung bieten kann, denn wenn wir versuchen, die Mittelklasse zu erreichen, und dabei Dinge wie das SoC oder die Fotografie opfern, wäre das keine gute Sache. Denn wenn wir am SoC sparen, werden wir nicht in der Lage sein, die Rechenleistung der Bildgebung zu maximieren."

Das Oppo Find N2 Flip ist das erste faltbare Smartphone des Herstellers in Europa und wurde bei seiner Veröffentlichung für 1.099 Euro verkauft / © NextPit.

Gut, bis hierhin könnte dieses Argument eigentlich für jedes Smartphone gelten. Und es ist ziemlich widersprüchlich, wenn wir bedenken, dass die ersten faltbaren Smartphones von Samsung oder Motorola ursprünglich sehr große Zugeständnisse bei ihren technischen Daten machten. Und das ist auch heute noch der Fall, auch wenn sich der Abstand zu den nicht faltbaren Flaggschiffen allmählich verringert.

Der Oppo-Vertreter sprach dann über einige Möglichkeiten, wie man faltbare Smartphones zu erschwinglicheren Preisen verkaufen könnte. Er nannte das berühmte "Trickle-down"-Argument. Je mehr sich diese Technologie durchsetzt, desto leichter wird sie zu produzieren sein und desto leichter werden sich die Produktionskosten amortisieren. Aber wir kennen das Lied, ob in der Tech-Branche oder anderswo, es funktioniert nur halt äußerst selten.

Billy Zhang sprach auch über die Möglichkeit, weniger edle Materialien zu verwenden, z. B. Plastik für den Rahmen und die Schalen. Oder auf bestimmte Komponenten zu verzichten, wie z. B. das Deckglas bei faltbaren Klapp-Smartphones. Oppo hat sich jedoch schnell wieder gefangen und erklärt, dass er diesen Weg nicht gehen will, weil er keine gute Benutzererfahrung bieten würde.

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Aber vielleicht gehen künftig ja andere Konkurrenten diesen Weg. Würdet Ihr ein faltbares Klapp-Smartphone ohne Displayabdeckung und mit einem Mittelklasse-SoC kaufen, wenn es weniger als 1.000 Euro kosten würde?

Das Motorola Razr 40 (Test), das dieses Jahr auf den Markt kam, ist mit einem Preis von 899,99 Euro das günstigste faltbare Smartphone auf dem Markt / © nextpit

Ist es wirklich so teuer, ein faltbares Smartphone zu produzieren?

Ja, selbst im Jahr 2023 und mehr als vier Jahre nach dem Aufkommen dieser neuen Sparte sind faltbare Smartphones immer noch sehr teuer in der Herstellung. Aber sind die Herstellungskosten wirklich so unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu einem nicht faltbaren Flaggschiff, dass sie den Preisunterschied rechtfertigen?

Ende 2022 führte das führende japanische Tech-Medium Nikkei zusammen mit dem japanischen Teardown-Unternehmen Fomalhaut Techno Solutions einen Teardown des Samsung Galaxy Z Fold 4 durch.

Die Medien schätzten damals anhand der Preise für die verschiedenen Komponenten, dass die Herstellungskosten für Samsungs faltbares Gerät 670 US-Dollar, also 615 Euro, betragen würden. Mit der Inflation liegen wir im Jahr 2023 bei etwa 640 Euro. Diese Summe entspricht 34 Prozent des damaligen Einführungspreises von 1.799 Euro für das Galaxy Z Fold 4.

Die verschiedenen Komponenten des Samsung Galaxy Z Fold 4. / © Nikkei; Fomalhaut Techno Solutions.

Im März dieses Jahres veröffentlichte das Forschungsinstitut Counterpoint das für seine Marktanalysen bekannt ist, eine Nomenklatur oder "bill of material" (BoM) des Galaxy S23 Ultra (Test). Auch hier geht es darum, den kumulierten Preis der Rohkomponenten eines Produkts zu bewerten, wobei die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Marketing usw. nicht berücksichtigt werden.

Die Herstellung des nicht faltbaren Flaggschiffs von Samsung hätte 469 US-Dollar gekostet, was 430 Euro entspricht. Bezogen auf den Einführungspreis des Samsung Galaxy S23 Ultra von 1419 Euro machen diese Herstellungskosten 30 Prozent aus.

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Das SoC und das 5G-Modem machen den Großteil der Produktionskosten des Samsung Galaxy S23 Ultra aus. / © Counterpoint.

Kann dieser Unterschied von vier Prozent bei den Bruttoproduktionskosten rechtfertigen, dass Samsung sein faltbares Flaggschiff 400 Euro teurer verkauft als sein "normales" Flaggschiff? Ich weiß es nicht. Ich bin kein Experte für Logistik und Fertigung. Aber ich muss zugeben, dass ich einen wesentlich größeren Unterschied erwartet hätte.

Sicherlich sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung für eine noch aufstrebende Technologie höher. Auch die Marketingkampagnen, um die Öffentlichkeit mit dieser neuen Produktkategorie vertraut zu machen, müssen mehr Geld kosten. Aber in Bezug auf das Rohmaterial bleiben wir bei ziemlich ähnlichen Kosten.

Die Hersteller haben keinen Grund, erschwingliche Foldables zu verkaufen

Die Tatsache, dass Smartphone-Hersteller ihre Gewinnspannen übermäßig maximieren, ist nicht überraschend. Samsung, Xiaomi, Oppo und andere sind gewinnorientierte Unternehmen. Es geht darum, Geld zu verdienen.

Und das Geld sitzt bei vielen Technikfreaks offensichtlich immer noch ziemlich locker. Für mich gilt das nicht und vielleicht auch nicht für viele von Euch – aber ein Haufen Leute sind durchaus bereit, das 1,5-fache des Mindestlohns, oder eher fast das Doppelte für ein faltbares Smartphone auszugeben.

Laut einem Bericht von Counterpoint, den Associated Press im Juli aufgriff, werden sich die weltweiten Verkaufszahlen von faltbaren Smartphones im Jahr 2023 einem Wert von 19 Millionen Stück nähern.

Das wäre ein Anstieg von 45 Prozent gegenüber 2022, der vor allem durch die steigende Nachfrage der Verbraucher:innen in China angetrieben wird.

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POV: Der CEO von Samsung, der das Geld auf Eurem Bankkonto sieht. / © nextpit

Solange es Tauben gibt, gibt es keinen Grund, mehr als ein paar Brotkrumen zu verschenken. Warum sollte ein Hersteller wie Samsung seine goldene Gans opfern, wenn die Nachfrage trotz steigender Preise immer weiter wächst?

Ich persönlich glaube, dass der faltbare Formfaktor allein die exorbitanten Preise für faltbare Smartphones für die Hersteller rechtfertigt. Samsung, Oppo, Xiaomi und Google setzen auf diesen Coolness-Faktor, um ihre überhöhten Preise zu rechtfertigen.

Solange die Verkaufszahlen in einem kriselnden Markt steigen, bei einer sich verlangsamenden Wirtschaft und bei gleichzeitig schwindender Kaufkraft, sehe ich nicht, dass die Hersteller attraktivere Preise anbieten werden.

Gibt es Hoffnung, dass faltbare Smartphones eines Tages erschwinglich sein werden?

Ich habe diese Frage bereits ausführlich diskutiert. Wenn man ein Smartphone als "für alle" verkauft, kann man es sich meiner Meinung nach nicht leisten, Preise aufzurufen, die für 90 Prozent der Nutzer:innen unerschwinglich sind.

Oder man muss davon ausgehen, dass dieses faltbare Smartphone ein Luxusprodukt ist, und damit in Kauf nehmen, eine Mehrheit der potenziellen Kund:innen finanziell auszuschließen.

Man kann nicht die "connecting people"-Karte spielen und dann eineinhalb Monatsgehälter fürs Produkt verlangen. Das ist schlicht und ergreifend eine Frechheit und blanker Zynismus.

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Das Samsung Galaxy Z Fold 5 kostet dieses Jahr 1.899 Euro, das ist enorm. / © nextpit

Andererseits ist es unbestreitbar, dass der Markt für faltbare Geräte seine Entstehungsphase verlassen hat. Samsung baut seine dominante Position auf diesem Markt weiter aus, vor allem in China, wo es in diesem Jahr exponentielle Zuwächse gab.

Samsungs Wachstum auf dem Markt für faltbare Smartphones in China. / © Counterpoint.

Und auch andere Akteure beginnen, in den Markt einzusteigen. Motorola hat mit seinem Razr 40 (Test) und Razr 40 Ultra (Test) vor kurzem sehr glaubwürdige und vor allem günstigere Alternativen angeboten. Gut, wir sind immer noch bei mindestens 900 Euro, aber es ist 900 Euro günstiger als der Startpreis des Samsung Galaxy Z Fold 5 (Test).

Auch Xiaomi bekräftigt mit dem Xiaomi Mix Fold 3 seine Ambitionen in dieser Nische, auch wenn es den europäischen Markt noch nicht priorisiert. Aber seid mal sicher, dass diese neue Konkurrenz hier und da zu Anpassungen der Preisstrategien der verschiedenen Hersteller führt.

Vielleicht wird es bis 2030 ein faltbares Redmi-Smartphone für 500 Euro geben, wer weiß? Vielleicht werden faltbare Smartphones aber auch wieder verschwinden, wie andere Designtrends in der Vergangenheit.

Ich persönlich glaube nicht, dass das der Fall sein wird. Ich denke, dass faltbare Smartphones gekommen sind, um zu bleiben. Aber ich denke auch, dass sie zu gut sind, als dass es eine Alternative zu den hohen Preisen gäbe.

Was denkt Ihr darüber? Wäre ein günstiges faltbares Smartphone für Euch spannend? Ist dieser Formfaktor generell für Euch relevant, wenn es um das Nutzererlebnis geht? Ab welchem Preis würdet Ihr ein faltbares Smartphone als erschwinglich bezeichnen?

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Weitere Informationen findet Ihr in unserem Vergleich zwischen dem Samsung Galaxy Z Fold 5 und dem Galaxy Z Fold 4 sowie in unserer Auswahl der besten faltbaren Smartphones des Jahres 2023.

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