Honor 20: Ein Produktlaunch, der einen krassen Wendepunkt darstellt
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Es sollte mein erstes Launch-Event eines Smartphones seit langem werden. Die letzten Jahre spielte sich mein Job vor allem hinter den Kulissen ab – und nicht mehr auf den Events selbst. Der Launch des Honor 20 in London gab mir aber endlich mal wieder die Gelegenheit dazu. Doch ausgerechnet dieser stellt eine Zäsur da – für Honor selbst, für Huawei, für die Tech-Journalisten. Aber auch für uns Konsumenten. Das hier ist ein Reisebericht der besonderen Art.
Kurzer Hinweis: Wem Reiseberichte und Memoiren eines altgedienten Tech-Journalisten nur ein müdes Gähnen ins Gesicht treiben, der sollte direkt hier weiterlesen. Denn zunächst wird es gefühlsduselig. Und wer einen ersten Test des Honor 20 lesen will, der kann das mit dem Link tun.
Die gute alte Zeit, sie ist vorbei
Was für eine wehmütige Zwischenüberschrift. Eigentlich sollte da aber noch "... und die gute neue Zeit startet jetzt" hinzu. Dann aber wäre nicht nur die Spannung dahin, sondern ich hätte mir Ärger mit den Kollegen beim Redigieren eingefangen. "Das Ding ist zu lang und muss gekürzt werden" – so wie die kleine Einleitung hier. Einen Tod muss man eben sterben.
Die Produkt-Launches haben sich im Vergleich zu den zarten Anfängen dieses Jahrzehnts deutlich geändert. Während um 2010 herum alles noch klein, überschaubar und voller Nerds war, fliegen die Unternehmen heute Journalisten, Blogger, In- und Outfluencer aus der ganzen Welt ein. Früher, so hatte ich das Gefühl, kannte ich jeden. Ganz gleich, ob die Kollegen nun aus den USA, Europa oder Asien kamen – die Launch-Events glichen Klassentreffen. Während die Szene damals homogen-nerdig war und eher der Kategorie "Big Bang Theory" (mit weniger IQ) glich, mischen sich heutzutage auch Fashion-Influencer und Lifestyle-Blogger unter die Technik-Freaks.
Schöne neue Welt. Und das meine ich so.
Capture Wonder – dieses Motto ist für Honor ab sofort Programm
Vor zwei Wochen bekam ich die Möglichkeit, für einen Kollegen hierher zu fliegen. Ich ahnte noch nicht, dass die Pressekonferenz zum Honor 20 meine vielleicht spannendste Tech-Veranstaltung werden würde, auf der ich jemals war. Durch die Aufkündigung der Lizenzverträge zu Android, hat Google gestern die Honor-, Android- und wahrscheinlich die ganze Tech-Welt auf den Kopf gestellt. Ganz gleich mit welchem Kollegen ich hier spreche: Es gibt eigentlich nur ein Thema. Ungerecht. Reiner Protektionismus. Was nun?
Aus PR-Sicht betrachtet haben sich die USA mit ihrem drastischen Schritt, Huawei und all seine Tochterfirmen auf die schwarze Liste zu setzen, auf jeden Fall schon mal einen Bärendienst erwiesen. Es gibt kaum eine Stimme, die dem Schritt der Trump-Regierung beipflichten würde. Und wir fragten uns alle: Wie wird Honor heute reagieren? Immerhin haben die Chinesen früh am Morgen alle Interviews und auch die Herausgabe der Testgeräte abgesagt. Würde Honor während der Pressekonferenz die Katze aus dem Sack lassen und Andeutungen machen, wie man mit dieser Katastrophe umgehen wolle?
Warum das Embargo nicht nur für Huawei, sondern auch für Android zum Problem werden könnte.
Es ist ein fast schon ein Wink des Schicksals, dass sich Honor selbst das Motto "Capture Wonder" für den Launch des Honor 20 ausgesucht hat. Ein solches Wunder – das brauchen sie jetzt auch. Denn so richtig weiß man wahrscheinlich in China derzeit nicht, wie es weitergehen soll.
Der Android-Bann wird nicht nur Huawei und Honor verändern
Die Reise hierher nach London, zehn Jahre nach meiner ersten Pressereise mit HTC nach New York, ist für mich – Stand heute – der Beginn einer neuen Zeitrechnung im Smartphone-Markt. Der Honor-CEO, George Zhao, erwähnte Android mit keinem Wort und umschrieb die aktuellen Ereignisse mit "einer interessanten Zeit". Selbst wenn Zhao vielleicht etwas weniger energetisch als in der Vergangenheit präsentierte, lächelte er die durchaus existenzbedrohenden Umstände weg.
Die Wahrheit aber ist: Wie will man als Hersteller zukünftig mit einem Partner weiter zusammenarbeiten, von dem man nicht weiß, ob er einem von heute auf morgen den Boden unter den Füßen wegreißen kann. Das aber ist momentan mit Google – und eigentlich allen anderen amerikanischen Unternehmen – der Fall.
Deswegen ist es kein Hirngespinst, wenn man dieses Gedankenspiel weiter vorantreibt und behauptet, dass Honor, Huawei und vielleicht bald alle chinesischen Hersteller Android den Rücken kehren könnten. Natürlich ist es der Content – also die Apps und die Cloud-Services –, der dann fehlt. Man sollte sich aber auch vor Augen halten, dass ein Großteil der Android-Plattform wegbrechen könnte, sollten sich die Hersteller von amerikanischen Systemen verabschieden. Das hieße für Content-Produzenten erhebliche Einbußen – und damit eine wachsende Motivation, sich Alternativen zuzuwenden.
Vom Android-Blogger zum Tech-Journalist zum ...
Es war also vielleicht heute ein kleiner Schritt für Honor und ein größerer für die Tech-Enthusiasten, den man heute hier in London gegangen ist. Aber was heißt das für meine weitere Reise im Tech-Universum?
Als Steve Jobs im Jahr 2007 das iPhone präsentierte, lachten nicht Wenige Apple aus, das teuerste Telefon der Geschichte auf den Markt gebracht zu haben. Man attestierte Apple keine großen Erfolgsaussichten. Dass damals Google Android ein Jahr später als Open Source-Lösung präsentierte, war für viele Hersteller und die Telcos die einzige Rettung. Für mich wiederum stellte es die Möglichkeit dar, in die Android-Welt einzutauchen.
Mit dem Erfolg der Smartphones begann gleichzeitig der Einzug in jeden Lebensbereich – Smart Home, Gaming, Kommunikation, Entertainment. Das Telefon ist primärer Baustein für so vieles und wahrscheinlich unser persönlichster Gegenstand geworden. Wir bei APIT haben deshalb auch vor zweieinhalb Jahren begonnen, unseren Horizont zu erweitern – und den reinen Android-Pfad verlassen.
Nun kommt die echte Zäsur: Der Markt teilt sich auf. Es entstehen neue Ökosysteme, die nichts mehr mit ihren Ursprüngen, wie Android, zu tun haben. Und meine, stellvertretend für uns alle hier bei AndroidPIT, Reise geht weiter. Wohin genau ist sicherlich noch ungewiss. Schlecht aber wird sie nicht sein – das haben mir alleine heute schon die vielen neuen Gesichter gezeigt. Es wird bunter.
Sehr guter Artikel, vielen Dank dafür.
Die Frage ob wir in der Mobiltech-Branche nun an einem Scheideweg stehen ist ungeheuer spannend. Was passiert wenn sich Allianzen bilden für ein neues Ökosystem im mobilen Bereich ? Ich könnte mir gut vorstellen das Samsung, Xiaomi & Huawei etwas eigenes auf den Weg bringen und das evtl. durch die Lage zum ersten mal seit Jahren wieder Bewegung in die Branche kommt. Man sah ja auch das damals Nokias Symbian nicht unkaputtbar war und Samsungs Bada hätte potenzial gehabt. Apple ist mit IOS als eigener Infrastruktur ein großer Wurf gelungen, wer sagt das dieses nicht wiederholbar ist ?
Sicher sagen jetzt viele das Samsung oder Xiaomi gar keinen Grund haben etwas zu unternehmen und doch gebe ich zu bedenken : Die USA haben gezeigt, das sie keine Hemmungen haben große Konzerne unter Druck zu setzen und zu ruinieren. Da die Regierung Trump nicht sonderlich berechnenbar ist, dürfte es für die Großen der Branche ein Weckruf gewesen sein den Plan B für das Weltuntergangsszenario wieder aus der Schublade zu holen.
Wie kalt man Huawei/Honor wirklich erwischt hat, das wird sich erst in Monaten zeigen, aber ich denke der Rest des Marktes und das besonders in Asien, hat die Botschaft verstanden.
Danke für den interessanten Artikel Fabien, ich habe deine Artikel vor 10 Jahren, als das Android Ding im Kommen war schon sehr geschätzt und freu mich immernoch sehr, dich "alten Hasen" hier wieder schreiben sehen zu können.
Ich frage mich ob Apple auch Probleme mit der Produktion von Geräteteilen in China bevorstehen.
Wieso nur Apple? Wenn China was machen sollte, hätten quasi alle Smartphone-Hersteller Probleme. Genauso Intel, AMD, NVIDIA usw.
Ist doch pups was außerhalb passiert. Im Vordergrund stand das Smartphone was präsentiert wurde.
Nicht wirklich ... das "Smartphone" wird erst durch die Software "smart". Und dazu gehören neben Updates/-grades auch Apps und die Frage was davon bekomme ich zukünftig noch, wenn ich dieses Gerät kaufe.
Ich denke was außerhalb passiert, ist dieser Tage sehr viel interessanter wie jedes Smartphone.
Wir erleben hier entweder den Untergang eines großen Herstellers oder womöglich die Geburt der dritten Kraft auf dem Markt. Wenn jetzt andere Hersteller klug sind, bilden sie eine Art Allianz.
Ich frage mich eher, was Honor denn bitte hätte machen sollen? Solche Events werden großteils Monatelang geplant - ist klar, dass die da nicht innerhalb von weniger als 24h was ändern können.
Dass man nicht groß von Android / Google gesprochen hat, lag evtl. auch daran, dass sie nicht mit sowas gerechnet haben bzw. es nicht mehr ins Programm einbauen konnten. Oder vielleicht wissen wie mehr, dürfen aber einfach noch nicht davon sprechen, weil noch Gespräche geführt werden. Auch das ist sehr wahrscheinlich.
Und der Spruch "eine interessante Zeit" wäre wahrscheinlich auch ohne das ganze hin und her gefallen, einfach weil es eine ziemlich gewöhnliche Floskel ist, gerade für ein junges und aufsteigendes Unternehmen wie Honor.
Da wird zu viel in das Event hineininterpretiert, zumindest meiner Meinung nach.
"Der Honor-CEO, George Zhao, erwähnte Android mit keinem Wort und umschrieb die aktuellen Ereignisse mit „einer interessanten Zeit”"
Sagte Kennedy nicht mal, ein alter chinesischer Fluch lautet folgendermaßen: "Mögest du in interessanten Zeiten leben"?
In der Tat ein bekannter Fluch, die Frage ist ob Mr. Zhao genau das bei seiner Aussage im Sinn hatte ?