Huawei-Produktchef erklärt den Entwicklungsprozess der Top-Smartphones
Huaweis Chef der P-Serie und oberster Produktmanager des Huawei P9 Sam (kein Nachname) saß mir in Huaweis Entwicklungszentrum in Shanghai gegenüber und hat mir tiefere Einblicke in die Entwicklung bisheriger und kommender P- und Mate-Serie-Smartphones gegeben. Dabei erklärte er auch, warum noch immer keine 2K-Displays oder drahtloses Laden bei Huawei gesichtet wurden.
Schon im Gespräch am Vortag mit Joonsuh Kim, Chief Design Officer HUAWEI Consumer Business habe ich erfahren, dass Huawei-Smartphones Ergebnisse von jahrelanger Recherche eines globalen Teams sind. In Japan, Europa, China und den USA wird andauernd analysiert, was bei den Kunden ankommt. Das Ergebnis dieser Recherche fließt unmittelbar in die P- und Mate-Geräte ein. Diese werden dann unweigerlich zu Kompromissgebilden, die für eine möglichst breite Zielgruppe ausgelegt und dennoch irgendwie maßgeschneidert sind.
Derlei Recherchen sollen ergeben haben, dass 2K-Displays weniger wichtig seien als lange Akkulaufzeit, versichert mir Sam. Qi-Charging sei angeblich den Kunden auch weniger wichtig als ein Metall-Unibody-Gehäuse (das drahtloses Aufladen technisch unmöglich macht). Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich auch, dass drahtloses Aufladen von Huawei angenommen wird, sobald die Technologie weiter ausgereift und der Nutzen größer ist, wie uns Sam verspricht. Es kam mir so vor, dass Huawei auf leisen Sohlen tritt und aufholt, ohne (technisch) zu überholen. Neue Technologien werden nur zögerlich angenommen; stattdessen optimiert Huawei oft das, was die Konkurrenz schon vorher hatte. Huaweis Strategie des Auf-Trends-Reagieren stehe aber nicht im Widerspruch zu Innovation, beteuert Sam.
Wo wagt Huawei Innovation?
Die Entwicklungs- und die Design-Abteilung arbeiten bei neuen P- und Mate-Modellen durchaus Hand in Hand und sie wagen in der 15-monatigen Recherche- und Entwicklungszeit auch Experimente. Doch nach etlichen Prototypen verschwinden im Endprodukt all jene "Features, bei denen wir uns nicht ganz sicher sind", erläutert Sam. Aber kennen wir eine Gerätefamilie, in der wir genau diese Experimente wiederfinden?
"Für die Zukunft können wir uns eine Experiment-Familie für Huawei vorstellen", sagt Sam. Mit der Betonung auf die Marke (Huawei und nicht Honor) lässt er die Lücke offen, dass Honor bereits genau diese Gerätefamilie der In-Vivo-Experimente von Huawei-Ideen ist. Wir denken da an die Lichtfeldkamera des Honor 6 Plus oder die Faltkamera des Honor 7i, das nach einem Rebranding als Huawei ShotX nach Europa kam.
Rebranding: Ein sinnvoller Marketing-Trick
Ob Geräte für bestimmte Märkte rebrandet werden, ist eine Marketing-Frage. Als neues Beispiel lernte ich das P9 lite kennen, das in China als G9 Young in den Ladenregalen steht. Design-Chef Joonsuh Kim war sichtlich überrascht, dass es in Europa ein P9 lite gibt. Nachdem er erklärt hatte, wofür die P-Serie seines Erachtens stehe, nämlich Premium-Materialien und High-End-Kamera, nahm er mit Missfallen zur Kenntnis, dass ein G-Serie-Gerät in Europa das Premium-Branding bekommt. Sam hingegen wollte diese Meinung nicht teilen.
Der P-Serien-Chef erklärt, dass in Europa mit der P- und der Mate-Serie schon die dortigen Marketing-Kapazitäten ausgelastet seien. Insbesondere die P-Serie, die in Europa schon ein Erfolg ist, lasse sich einfacher vermarkten als die G-Serie. Also konzentriert man den Aufwand auf Bereiche, die bereits erfolgreich sind.
Press Touch: Innovation mit Startschwierigkeiten
Ein klares Gegenbeispiel zur oben genannten Nummer-Sicher-Strategie in Sachen Innovation ist Press Touch. Die Technologie erlaubt mehrstufig-empfindliche Touchscreens und erfordert Anpassungen in der Software-Oberfläche. "Wir brauchen dafür noch mehr Features", räumt Sam ein. Und wenn es so weit ist, werde man Press Touch auch auf die übrigen Geräte bringen. Leider wird Press Touch bisher von Huawei (und anderen Herstellern parallel) im Alleingang entwickelt. Von Googles Seite gebe es keine Unterstützung.
Das ist verdrießlich, schließlich könnte Google das Feature auf Systemebene für alle Hersteller vereinheitlichen, wie zuletzt bei Multi-Window-Feature in Android N gesehen. Dann könnten App-Entwickler beginnen, die Menüs der Apps für die neue Technologie anzupassen. Die aktuelle Unterstützung des Android-Systems für Press Touch oder dergleichen ist eher gering, sodass Huawei mit viel proprietärem Code nachbessern muss. Und dieser Wartungsaufwand wirkt sich bekanntermaßen verzögernd auf die Wartezeit auf System-Updates aus.
Huawei P10 vielleicht mit nur einer Hauptkamera
Eine andere verrückte Innovation in der P-Serie war ohne Frage die Doppelkamera des P9. Diese könnte im P10 schon wieder passé sein. Auch wenn es sich ohne Zweifel wieder um eine Leica-Lösung handeln wird, stehe die Zahl der Linsen noch nicht fest. Dass es beim P9 zwei waren, lag an der verdoppelten Menge des einfallenden Lichtes. Auch mit einer Kamera hätte man das geschafft, aber diese hätte größer sein müssen. Zwei kleinere Optiken waren jedoch die bessere Wahl, um das Ziel eines schlanken Gehäuses zu erreichen. Dennoch experimentiere man derzeit auch mit Ein-Kamera-Lösungen für das P10; das Dual-System ist also kein zwingendes Markenzeichen der P-Serie geworden.
VR: Jetzt also doch
Im Gegensatz zu Chenzhu Li hat Sam eine baldige VR-Lösung von Huawei nicht kategorisch ausgeschlossen. Ähnlich wie Huawei-Chef Richard Yu in der Pressekonferenz zum P9 in London hat auch Sam nun gesagt, dass wir bald mehr über die VR-Lösung von Huawei erfahren werden. Ein Entwicklerteam sei abgestellt worden, um an unterschiedlichen Optiken zu arbeiten. Beim Content jedoch werde Huawei sich zurückhalten und auf Drittanbieter setzen. Das könnte heißen, dass Huawei den Weg von HTC wählt statt den von Samsung, also nicht seine Smartphones als VR-Display verwendet sondern ein vollständig eigenständiges Produkt liefert. Schließlich sind die Displays der eigenen Smartphones definitiv nicht für den VR-Betrieb ausgelegt. Hier bräuchte man mindestens WQHD-Auflösung, um akzeptable VR-Bilder in existente Head-Mounts zu projizieren.
Fazit
Mein Einblick in Huaweis Produktstrategie und ihrer Umsetzung vor Ort hat mir in Ansätzen gezeigt, wie der Konzern Chinas Nummer eins der Smartphone-Hersteller wurde und wie er auch den Rest der Welt erobern will; und wahrscheinlich kann. In der intensiven Marktbeobachtung steckt das Erfolgsrezept. Und mit seiner 70.000-köpfigen Forschungsabteilung bin ich mir recht sicher, dass Huawei schon diverse Geheimwaffen entwickelt. Die werden dann abgefeuert, wenn der Einfluss am Markt groß genug ist und wenn Huawei endlich aufhören kann, sich von der Konkurrenz inspirieren zu lassen.
Warum sich Huawei immer weiter vom puren Android entfernt und allen möglichen Blödinn aus dem Apple-Lager nachimplementiert, will mir nicht in den Kopf. Liegt wohl daran, dass sie eine hochrangige Apple- design Tussi eingekauft haben.Vor lauter "Abheben von der Konkurrenz" wird man hier langsam aber sicher zu einem zweiten Samsung, bzw. scheint man das erfolgloserweise zu versuchen. Wenn das so weiter geht, war das P8 mein erstes und mein letztes Huawei- Smartphone.
Dann kauf dir ein Nexus Gerät, dort hast Du immer pures Android ,ohne wenn und aber 😉
Guter Artikel :)
Und es geht doch, zumindest Qualcomm hat eine drahtlose Ladetechnologie, die bei Metallgehäusen funktioniert. Die müsste man halt lizensieren und in die Kirin-SoC's implementieren.
http://www.techstage.de/news/Qualcomm-zeigt-drahtloses-Laden-mit-Metallgehaeuse-2765076.html
Quelle: Qualcomm Inc. via www.techstage.de
Gibt es die Top 5 aus dem Forum nicht mehr? Schade
Scheint so zu sein
vermutlich bisschen Verspätung...
Doch, sie kommen heute 16 Uhr. :)
Und da sind sie, die Top 5
https://www.androidpit.de/top-5-aus-dem-forum-diebstahl-displayhelligkeit-ueberwachung-und-mehr
Ich frage mehr woher Huawei die Ergebnisse hat, das ein Metall-Gehäuse angeblich wichtiger ist, als kabelloses Laden...
Ich meine Samsung verbaut Kabelloses Laden und keine Vollmetall-Gehäuse und die Geräte verkaufen sich mehr als prächtig. Und 90% der Normalen Kunden schmeißen ihr Gerät sowieso in ein 3€-Silikon-Case, wie kann denen bitte wichtig sein, ob es ein Metall-Gehäuse hat...
Genau wegen dem Metallgehäuse (unibody) würde ich mir nie ein Huawei kaufen. Da arbeiten 70000 in der Forschungsabteilung, und es kommt so ein Schwachsinn raus. Wie heißt ein Sprichwort : viele Köche verderben den Brei....
Bei einer Gesamtmitarbeiterzahl von 150000 bis 170000 dürften sich die 70000 Forscher und Grundlagenentwickler auf den Gesamtkonzern beziehen. Der macht aber nur ein Drittel seines Umsatzes mit Smartphones.
Also kann man annehmen, dass der Smartphoneentwicklung bestenfalls auch nur ein Drittel davon zugeordnet ist, also ca. 23000, was aber immer noch viel ist.
Da sich Huawei mit komplexen Themen wie 5G beschäftigt, nehme ich an, ein größerer Anteil beschäftigt sich mit Mobilfunk-Infrastruktur, wobei 5G natürlich auch ein Thema für die Geräte selber ist.
http://www.tabtech.de/android-bzw-google-tablet-pc-news/huawei-smartphone-sparte-boomt-gewinn-und-umsatz-stiegen-2015-stark
Quelle: www.tabtech.de
Mal im Ernst: 23.000 Entwickler im Smartphone-Bereich??? Kein Wunder, dass Huawei im Moment (gefühlt) jede Woche ein neues Gerät auf den Markt bringt... Mit dem mehrfachen der Entwickleranzahl der Firmen Apple und Google zusammen muss das wohl so sein.
Mir kommt die Zahl auch sehr hoch vor, und ist bezogen auf den Smartphone-Bereich ja auch nur eine Schätzung meinerseits anhand des Umsatzanteils von etwa einem Drittel.
Die Zahl von 70000 Personen, die dem Bereich "Research and Development" zugeordnet sind, kommt aber insgesamt hin. Im unten verlinkten Artikel aus 2014, da hatte Huawei weltweit noch 140000 Mitarbeiter, ist schon die Rede, dass etwa die Hälfte davon im R&D-Bereich arbeitet.
R&D dürfte dabei aber jede Form der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit beinhalten, und wurde hier etwas frei mit "Forschungsabteilung" übersetzt.
In Europa rechnet man aber vom Entwicklungsbereich bestenfalls die Grundlagen- oder Vorentwicklung, bei der es z.B. darum geht, neue Algorithmen für die Datenkompression oder neue Speichertechnologien zu entwickeln, dem Forschungsbereich zu.
Die Produktentwicklung, die sich z.B. um Schaltung und Platinenlayout eines neuen Smartphones sowie dessen Software kümmert, hat nach hiesiger Denkweise eigentlich wenig bis nichts mit Forschung zu tun. Sie ist auch nicht in einer Abteilung konzentriert, sondern verteilt sich auf kleinere Teams, die den verschiedenen Produktgruppen zugeordnet sind.
http://m.welt.de/wirtschaft/article126940747/Huawei-der-unchinesischste-Konzern-Chinas.html
Quelle: m.welt.de
👌
Man kann allerdings nicht den Markterfolg von Samsung mit der Materialwahl bgründen. Diese Wahl wird einen mehr oder weniger geringen Einfluss haben.
Ich finde es gut und richtig das Huawei das optimiert, was andere Hersteller in kürzester Zeit auf den Markt kloppt mit oft auftretenden Kinderkrankheiten nur, um was auf den Markt bringen zu können.
Dann lieber mit leisen und langsamen Sohlen neue Wege beschreiten aber, dafür was vernünftiges auf den Markt bringen.
Gerne warte ich dann auch und gerne nutze ich dann auch die Huaweigeräte lieber.
Bin sehr gespannt was Huawei in den nächsten Jahren auf den Markt bringt.
Guter Artikel Eric...👍
Huawei haut genauso oft Kinderkrankheiten auf den Markt, wie jeder andere Hersteller...
Ich gebe dir Recht, jeder Hersteller hat so seine Schwachstellen in der Produktion.
Meine persönliche Erfahrung ist allerdings, das die ganzen Huaweigeräte im Laufe der Jahre, wo ich zb. Samsunggeräte nutze, weniger Probleme machten als meine Geräte... deshalb erlaube ich mir, diese persönliche Erfahrung in meine Bewertung und meinem Urteil einfließen zu lassen.
Selbstverständlich kann ich auch falsch liegen, ich möchte es deshalb auch nicht pauschalisieren und freue mich für die User, die gegenteilige Erfahrungen machen durften.
Für mich ganz persönlich sind Huaweigeräte derzeit überzeugender als zb. Samsunggeräte was sich aber mit dem Note7 wieder ändern kann.
Danke für dein Feedback.