Derzeit arbeite ich an meinem Test des Huawei P50 Pro, den Ihr am Wochenende lesen könnt. Dabei musste ich natürlich das traurige Ritual hinter mich bringen, ein Huawei-Smartphone zu konfigurieren. Da Huawei in den USA immer noch non grata ist, müssen Huaweis Handys immer noch auf die Google Mobile Services und auf Googles APIs und DRMs verzichten. Da letztere von vielen alltäglichen Apps genutzt werden, muss man selbst im Jahr 2022 noch mit Petal Search und der AppGallery improvisieren.
Aber warum sollte ich mich am Ende damit herumärgern? Um den Marktanteil von Huawei in Europa zu retten? Ich habe keinen besonderen Draht zu diesem Hersteller (oder zu irgendeinem seiner Konkurrenten, HarmonyOS jemals herauskommt, eine Alternative zu GAFAM und Android sein wird? Darf ich mal kurz lachen, bitte?
Und obwohl eine große Mehrheit von Euch Huawei nicht mehr für relevant hält, muss es immer noch eine Fangemeinde geben. Eine Fangemeinde, die stark genug ist, dass Huawei es auch 2022 noch wagt, überteuerte 4G-Flaggschiffe auf den Markt zu bringen – und es irgendwie schafft, Händler zu finden, die sie vertreiben.
Aber wer sind diese Leute? Sind sie sich des Embargos bewusst? Sind sie technisch versiert? Ich würde so gerne mit einem von ihnen sprechen. Aber das ist vielleicht ein Thema für einen anderen Artikel. In der Zwischenzeit will ich hier dringend was loswerden:
Ja, man kann mit einem Huawei-Smartphone ohne Google-Dienste leben
Bevor ich mit meinem Pamphlet weitermache, kommen wir zum einzigen einigermaßen objektiven Teil dieses Artikels. Faktisch kann man im Jahr 2022 durchaus ein Huawei-Smartphone ohne Google-Dienste nutzen, ohne dass es sofort Feuer fängt oder Ihr automatisch der Kommunistischen Partei Chinas beitretet.
Im Ernst: Ich habe bereits letztes Jahr in meinem Test des Huawei Mate 40 Pro sehr ausführlich darüber berichtet. Und dieses Jahr hat der Hersteller auf diesen guten Grundlagen aufgebaut, ohne viel zu ändern. Und ich muss zugeben, dass es nutzbar ist. N-U-T-Z-B-A-R, sagte ich – und nicht etwa "optimal", "reibungslos" oder "normal"!
- Mehr zum Leben ohne Google-Dienste: EMUI 11 im Test
Mit Phone Clone kann man den Großteil seiner Daten auf sein neues Huawei-Smartphone übertragen. Man kann die meisten Apps, die nicht in der AppGallery verfügbar sind, in Form von "PWAs" installieren, wobei es sich meist um einfache Verknüpfungen zur Webversion handelt. Für den Rest nutzt Ihr das Suchwerkzeug Petal Search und ladet die APK-Dateien herunter.
Eine andere Möglichkeit ist die Anwendung des Drittanbieters GSpace. Mit der App könnt Ihr eine Art virtuelle Maschine auf dem Smartphone erstellen, die mit GMS kompatibel ist und den Zugriff auf den Play Store und das Herunterladen von Google-Apps (oder Apps von Drittanbietern) wie Gmail ermöglicht. Dann fügt Ihr einfach eine Verknüpfung zur GSpace-App hinzu, die ihrerseits die Verknüpfung zu der App enthält, auf die Ihr zugreifen möchtet. Es ist so intuitiv, nicht wahr?
Ich frage EUCH: Wieso seid Ihr so stur?
Aber die Tatsache, dass Huawei ohne Google funktioniert, ist mir persönlich egal. Wollen wir einen Hersteller dafür loben, dass er uns APKs und Shortcuts händisch nachinstallieren lässt, diese Umständlichkeiten dafür aber in schöne Animationen und Bestätigungsbildschirme verpackt? Wirklich?!
Das ist eine echte Frage, die ich an Euch richte, denn ich persönlich habe meine Wahl bereits getroffen. Und meine Wahl lautet, kein Huawei-Smartphone zu kaufen. Das ist so, als würde der Lieferando-Mensch Eure Pommes oder das Getränk vergessen und Lieferando Euch dafür eine Gutschrift anbieten.
Nein, ich will keine Gutschrift! ich will das Produkt, für das ich mein hart verdientes Geld ausgegeben habe. Dreht man den Spieß um, würde kein Händler der Welt sein Produkt oder seine Dienstleistung liefern, wenn Ihr nicht zur Kasse geht. Wenn ich ein Smartphone für 1000 Euro oder mehr kaufe, finde ich die Vorstellung unerträglich, dass ich herumbasteln, in Foren herumschnüffeln und mir Tutorials auf Youtube ansehen muss – und das alles, um eine App zu installieren.
Und es ist nicht nur dieser Mangel an Intuitivität, der mir Probleme bereitet. Nehmen wir zum Beispiel Netflix: Das Huawei-Smartphone verfügt nicht über Googles Widevine L1 DRM (ein Digital-Rights-Management-Tool, um die Vervielfältigung von Inhalten zu verhindern). Ohne dieses DRM könnt Ihr Eure Video-Streaming-Inhalte nicht in HD ansehen. Auf einem Telefon für TAUSEND EURO!
APKs sind eine tolle Lösung, um Probleme zu beheben. Und ich weiß, dass man über die Risiken sprechen könnte, die mit dem Herunterladen von APKs über unzuverlässige Quellen verbunden sind, von denen sich Huawei im Übrigen völlig frei macht. Aber mir persönlich macht das keine besonderen Sorgen, da ich nur APKs beliebter Apps aus anerkannten Stores herunterlade. Bei den automatischen Updates kann man sich hingegen zurücklehnen.
Fazit
Ja, ich sage es noch einmal, weil es wahr ist und ich es nicht leugnen kann: Huawei funktioniert ohne Google. Ich bin nicht auf unüberwindbare Hindernisse gestoßen. Nur die Nutzung von Google Pay oder Google Maps ist unmöglich. Das heißt aber nicht, dass man Huawei auf die Schulter klopfen und zu dieser Leistung beglückwünschen sollte.
Wenn das Huawei P50 Pro oder das P50 Pocket billiger wären als ihre Konkurrenten, könnte ich die mentale Gymnastik machen, die nötig ist, um diesen Kompromiss einzugehen. Oder wenn ich die Hoffnung hätte, dass Huawei langfristig eine tolle Alternative darstellt und dass dieser Kompromiss nur vorübergehend ist. Dann hätte ich ihn ebenfalls akzeptiert, so wie ich es letztes Jahr mit dem Mate 40 Pro getan habe.
Aber wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Huawei hat Google nicht ersetzt, die Smartphones laufen auf Android 11, das seiner Substanz weitgehend beraubt wurde. Und die Preispolitik, noch dazu für 4G-Smartphones, ist in meinen Augen geradezu unverschämt.
Das soll nicht die unbestreitbaren Qualitäten der Smartphones – zum Beispiel bei der Fotografie – in Frage stellen. Aber als Verbraucher kann man das Nutzererlebnis nicht einfach so unterteilen. Ich bin ein Tech-Journalist, der keines der von mir getesteten Handys kauft. Als solcher kann ich nicht die Produkte einer Marke empfehlen, die bei ähnlichen oder sogar höheren Preisen eine schlechtere Experience als die Konkurrenz bieten.
Wenn Ihr noch an Huawei-Smartphones ohne Google glaubt, dann sei es Euch gegönnt. Aber ohne mich! Wir sehen uns dann im Kommentarbereich unter einem NextPit-Tutorial. Jenem Tutorial, in dem wir erklären, wie Ihr Eure E-Mails und Kontakte synchronisieren könnt, ohne fünf APKs installieren zu müssen. Oder auch nicht.
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