In den letzten Tagen habe ich hunderte Bilder während meines Tests zum Sony Xperia 1 Mark V aufgenommen. Ein Smartphone, dessen Hauptkamera dank ihres neutralen Farbprofils und Sonys neuem Exmor-T-Sensor locker an die Bildqualität hochwertiger Kompaktkameras herankommt. Die Fotos sind scharf, weisen vor allem als RAW-Aufnahmen einen sehr guten Dynamikumfang auf und lassen sich in der Nachbearbeitung wunderbar individualisieren und mit einem kreativen Look versehen – unter diesem Absatz seht Ihr meine Bildergalerie mit verarbeiteten RAW-Bildern.
Die Dateien boten mir fast dieselben Möglichkeiten, wie die RAW-Dateien meiner Sony Alpha 7 IV, die ich privat als auch beruflich nutze. Und das finde ich schon wirklich beeindruckend, da Sonys Smartphone mit einem Gewicht von 187 g sage und schreibe 1,4 kg leichter ist als meine Standard-Kombi aus Kamera + Objektiv. Welche Kamera habe ich also zu einem Ausflug am Wochenende mit Freunden mitgenommen?
Bildqualität vs. Erinnerungen
Fangfrage – ich habe eine Kompaktkamera von Fuji mitgenommen. Die Fuji X100 wiegt knapp 500 g, nimmt Bilder mit einer einzigen Brennweite (35 mm) auf und ist in so ziemlich jeder Eigenschaft vollkommen veraltet. Sie bietet einen deutlich schlechteren Autofokus als das Xperia 1 Mark V, ihre Bilder sind weniger scharf und insgesamt würde ich die Bildqualität als "schlechter" bezeichnen. Aber wie relevant ist das wirklich, wenn man an einem Tag Erinnerungen für sich selbst und für seine Freunde festhalten möchte?
Drehen wir den Spieß einmal um: Wenn ich mit meinen Freunden unterwegs bin, will ich dann wirklich ständig mein Handy samt Benachrichtigungen, beruflichen und privaten Mails und Anrufen in der Hand haben? Und wird irgendeiner von ihnen nachher kritisieren, dass die Fotos aus den dunklen Hallen des Babelsberger Filmparks recht viel Bildrauschen enthalten? Und: Wird es mich stören, wenn ich die Fotos in drei Monaten noch einmal ausgedruckt oder auf dem Notebook-Bildschirm anschaue?
Versteht mich nicht falsch, eine gute Bildqualität kann essenziell sein. Meine Produktfotos hier auf nextpit, die Bilder aus Model-Shootings oder sonstige professionelle Aufträge müssen möglichst gut aussehen. Da kann ich es nicht gebrauchen, wenn die Hälfte der Bilder unscharf sind oder ich jedes Foto durch die KI-Entrauschung in Adobe Lightroom schicken muss.
Taugen moderne Kamera-Smartphones mit ihrer hohen Bildqualität also für solche Situationen?
Das fehlt Smartphones im Vergleich zu Kameras
In diesen Situationen benötige ich Werkzeuge, die zuverlässig sind und die ich in- und auswendig kenne. Verändert sich plötzlich die Lichtstimmung oder mein Motiv, muss ich innerhalb kürzester Zeit mit den richtigen Einstellungen darauf reagieren können. Sonst verpasse ich einen Moment oder das Model wird nervös, weil es sich wundert, was ich da so lange mache. Klingt unentspannt, und das sieht man nachher auf den Fotos.
Die Sony Alpha 7 IV – so wie die meisten Systemkameras – erlaubt es mir, viele Einstellungen über große Knöpfe zu tätigen, die ich zur Not mit Handschuhen bedienen oder deren Belegung ich individualisieren kann. Brennweite und Fokus lassen sich über Drehringe und Schalter ganz ohne Mühen und Qualitätsverlust verändern. Und aufgenommene Bilder kann ich über einen Drehring durchschalten, um sicherzustellen, dass die Fotos auch wirklich etwas geworden sind. Das alles geht mit der Zeit in Fleisch- und Blut über.
Denn das Drücken von Knöpfen, genau wie ihre Belegung auf einem physischen Objekt geht in der Zeit ins Muskelgedächtnis über – Touchscreens bleiben allerdings eine Glasscheibe, auch wenn man sie Jahre lang nutzt. Sie lassen sich nur sehr schwer blind und ohne Nachdenken bedienen. Zumal selbst Sonys sehr gute Kamera-Apps auf winzige Schaltflächen vertrauen.
Und wo wir gerade bei Displays sind: Den Bildschirm meiner Kamera, der zugegeben längst nicht an die Qualität des Xperia 1 Mark V herankommt, kann ich drehen und schwenken. Dadurch erschließe ich mir neue Winkel und Perspektiven, vor denen ich mit dem Handy aufgrund von Reflexionen zurückscheuen würde. Für herkömmliche Bildwinkel habe ich einen optischen Sucher, der mir den Bildaufbau noch einmal genauer zeigt und mit dem ich sogar zuverlässig die Schärfe prüfen kann, wenn die Bilder im Kasten sind.
Das alles führt zu einer deutlich besseren Kontrolle über meine Bilder und auch dazu, dass ich meine kreativen Ideen besser umsetzen kann. Und, wer mag es glauben, es macht deutlich mehr Spaß, beim Fotografieren eine Kamera in der Hand zu haben. Ein Werkzeug, das klickt, surrt und repräsentativ für eine gewisse Handwerkskunst steht.
Sind Handykameras für mich also überflüssig?
Nein, natürlich nicht! Es gibt einen ausgelutschten Spruch über Kameras, den ich unter Vorbehalt einmal zitieren mag: "Die beste Kamera ist die, die man gerade dabeihat." – Und nach dieser Definition sind Smartphones natürlich perfekt.
Womöglich müssen wir zu diesem Zeitraum aber auch einmal grundlegend zwischen "intendierter Fotografie" und "beiläufiger Fotografie" unterscheiden. Denn meine Kameras und ich, wir nehmen uns ausdrücklich vor, Fotografieren zu gehen. Oder es gibt eben Anlässe, zu denen wir gemeinsam erscheinen. Vorher reinige ich sie, überlege, welches Zubehör ich brauche. Es gleicht einer Ausfahrt mit dem Sportwagen, einem Oldtimer oder mit dem hochwertigen E-Bike am Wochenende.
Beiläufige Fotografie passiert immer dann, wenn mir etwas Unerwartetes über den Weg läuft. Aus diesem Grund ist das Foto-Portfolio auf meinem iPhone auch so viel diverser als die knapp 20.000 Fotos auf meiner externen Festplatte. Snapshots von Freunden, um heimlich einen Moment einzufangen. Gemischt mit Fotos von Notizzetteln oder Veranstaltungsplakaten, die ich mir einfach schnell merken will. In solchen Situationen liebe ich Handykameras und ich will sie im Alltag genauso wenig missen wie Ihr.
Und dennoch stören mich die ewigen Diskussionen darum, dass Handys "echte" Kameras bald ersetzen werden. Auf diesen Zug steigen die Hersteller schon lange auf und erzählen mir in Presse-Briefings, dass Profi-Fotograf*innen sich das Xperia 1 Mark V für die Arbeit kaufen. Ja, vielleicht – aber sicher nicht, um ihre Werkzeuge zu ersetzen, in die sie sich über Jahre eingearbeitet haben und für die sie bereits ein Ökosystem aus Objektiven, Zubehör, Speicherkarten und mehr gekauft haben.
Was ich sagen will: Fotografieren ist mehr als nur Bildqualität
Wir sind also mal wieder den Marketing-Mechanismen der Hersteller verfallen. Denn ständig diskutieren wir darüber, dass ein gutes Foto von möglichst hoher Bildqualität sein muss. Schärfe, Farben, Megapixel und Co. werden diskutiert, bevor wir überhaupt schauen, was auf dem Foto zu sehen ist.
Letzten Sonntag war ich in einer Ausstellung des japanischen Fotografen Daidō Moriyama. Und setzen wir hier diesen Maßstab an, wären all seine Bilder schlecht. Sein Stil wird oft mit den japanischen Worten "Are, Bure, Boke" beschrieben – grob, verschwommen und unscharf.
Aber trotzdem – oder gerade aus diesem Grund – sind es grandiose Bilder, die mir abseits technischer Anforderungen Einblicke in Situationen und Orte gaben, die mich seitdem nicht mehr ganz loslassen. Und geht es nicht genau um das, wenn wir Bilder aufnehmen? Darum, dass wir uns in Situationen und Orte einfühlen können, an denen wir gar nicht mehr sind oder gar nie waren?
Lasst uns darüber in den Kommentaren reden und bitte: Jede Meinung ist genauso wertvoll wie Eure eigene!
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