Immer wieder lese ich diesen Vermerk, wenn neue Smartphones vorgestellt werden: Quick-Charging schadet dem Akku und daher sollte man Schnellladetechnologien wie VOOC, Quick-Charge und Bolt Charge am besten direkt ausschalten! Dass die Aufladung mit 30, 65 oder sogar über 100 Watt eine höhere Belastung für den Akku darstellt, scheint tatsächlich auch sehr logisch. Aber stimmt das überhaupt und ist die Belastung derart signifikant, dass man auf dieses doch sehr praktische Feature verzichten sollte?
Inhalt:
- Technik: Wie funktionieren Akkus noch gleich?
- Warum verliert mein Akku an Kapazität?
- Quick-Charging: Ein Für und Wider
- Fazit: Macht Euch nicht so viele Sorgen!
Kollegen deutscher Tech-Magazine bestätigen diesen Verdacht, doch berufen sie sich dabei recht selten auf Beweise. Es ist also dringend an der Zeit, der Frage nach dem Schnellladen und den platten Akkus auf den Grund zu gehen. Dafür musste ich mich erst einmal zurück ins Abitur denken und von Elektrönchen und Protönchen lesen.
Technik: Wie funktionieren Akkus noch gleich?
In so ziemlich allen aktuellen Smartphones kommen Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz, die man mehrere Hundert Male mit WhatsApp, Mobile Games und Co. leersaugen und am Ende des Tages wieder aufladen kann. “Leersaugen” und “Aufladen” beschreiben dabei im Grunde genommen die Bewegung von Teilchen und in diesem speziellen Fall eben von negativ geladenen Lithium-Ionen.
Beim Entladen wandern die Lithium-Ionen von der negativen Elektrode zur Positiven und geben dabei ein Elektron ab. Diese werden durch einen Stromkreis wieder zur positiven Elektrode zurückgeführt und genau das wird für den Betrieb von elektronischen Geräten genutzt. An der positiven Elektrode werden sie durch unterschiedliche Übergangsmetall-Ionen wieder aufgenommen, die – anders als die Lithium-Ionen – nicht beweglich sind.
Beim Aufladen muss nun also erreicht werden, dass Lithium-Atome wieder Elektronen aufnehmen. Hierzu wandern die Lithium-Atome von der positiven Elektrode wieder zur Negativen und werden durch einen zweiten Stromkreis wieder negativ geladen. Hierfür werden sie in einem Prozess namens “Interkalation” zwischen Graphit-Molekülen eingelagert. Ist die gewünschte, beziehungsweise maximale, Spannung erreicht, wird dieser Prozess angehalten und der Akku ist wieder “voll”.
Um den Prozess des Aufladens optimal zu gewährleisten, verfügen Lithium-Ionen-Akkus in allen Smartphones über Ladeelektroniken, die gewisse Schutzmechanismen besitzen. Zwar sind Lithium-Ionen-Akkus im Vergleich zu den einst sehr gängigen Nickel-Kadmium-Akkus empfindlicher, dafür besitzen sie eine höhere Energiedichte und Ihr müsst Euch nicht mehr um den berühmten Memory-Effekt kümmern. Der wohl größte Nachteil heute genutzter Lithium-Ionen-Akkus ist jedoch, dass die Komponenten mit der Zeit oxidieren und der Akku dabei an Kapazität verliert. Lasst uns das noch einmal genauer anschauen!
Warum verliert mein Akku an Kapazität?
Habt Ihr vor ein paar Wochen viel Geld in GameStop investiert und seid nun reich genug, um Euch ein iPhone 12 Pro Max zu leisten und es als Wertanlage in die Schublade zu legen, werdet Ihr in fünf Jahren eine böse Antwort vom Käufer bekommen. Denn selbst bei Nicht-Benutzung nimmt die Kapazität von Lithium-Ionen-Akkus ab der ersten Aufladung stetig ab.
Diese “kalendarische Alterung”, wie es der Onlineshop “Friwo” treffend nennt, entsteht durch chemische Zerfallsprozesse, die das Elektrolyt sowie die Anode- und Kathodenmaterialien beschädigen. An diesem Kapazitätsverlust könnt Ihr nicht allzu viel ändern, lediglich ein wenig auf die Temperatur solltet Ihr achten.
Spannender für unsere Quick-Charging-Problematik ist jedoch die Zyklenalterung. Denn zusätzlich zur Alterung verliert ein Akku auch nach jedem Auf- und Entladen an Kapazität. Die Abnutzungsprozesse haben nicht nur negative Auswirkungen auf die chemischen Prozesse, sie greifen auch die verwendeten Materialien rund um den Akku an. Hier können wir endlich einschreiten und schauen, wie wir unsere Akkus mit ein bisschen Vorsicht gesund halten können.
Einen starken Einfluss darauf, wie stark die Materialien chemisch und mechanisch beansprucht werden, ist die Entladetiefe. Besonders kritisch ist das Aufladen im Bereich unter 10 Prozent und im Bereich zwischen 90 und 100 Prozent. Als ersten Tipp könnt Ihr also mitnehmen, Euer Handy nur in diesem Optimalbereich zu laden! Ebenfalls ausschlaggebend ist die Höhe der Ladeströme, womit wir nun endlich zum Thema Quick-Charging kommen.
Quick-Charging: Ein Für und Wider
Auch wenn sich über die letzten Jahre viele Technologien zum Schnellladen etabliert haben, sind sie im Grundprinzip alle gleich: Statt den Akku des Handys über, sagen wir, drei Stunden konstant mit derselben Stromstärke aufzuladen, erfolgt das Laden in mehreren Stufen. Ist der Akku leer, wird er für einen kurzen Zeitraum mit sehr viel Strom versorgt – das bekannte “Halb voll in 20 Minuten”, das Ihr in der Werbung liest. Der restliche Ladeprozess erfolgt gemäßigter, um die Temperatur sowie die Belastung für Material und Akku möglichst gering zu halten. Wie wir eben herausgefunden haben, sollten wir hier nun überlegen, wie stark die Belastung auf die chemischen und die mechanischen Komponenten ist.
Lithium-Ionen-Akkus sind vor allem bei einem Thema empfindlich: Wärme! In einer Studie aus 2018 konnte ich herausfinden, dass der optimale Temperaturbereich bei Lithium-Ionen-Akkus mit hoher Energiedichte zwischen 15 und 35 Grad liegt. Einen Temperaturanstieg darüber sollten Schnellladetechnologien also nicht verursachen und hierfür greifen Hersteller auf den Einsatz von Temperatursensoren zurück. Die Ladeelektronik stellt über die im Handy und im Ladegerät befindlichen Sensoren sicher, dass der Akku durch Überhitzung keine Schäden von sich trägt. Oppo gab bei der Einführung von SuperVOOC, das mit bis zu 125 Watt arbeitet, an, niemals eine Temperatur von über 40 Grad zu erreichen. Somit scheint Oppo diese Temperaturgrenze bewusst auszureizen, um schnellere Ladegeschwindigkeiten zu erreichen. Gleichzeitig versichert der Hersteller aber, dass der Akku nach 800 Ladezyklen lediglich 20 Prozent seiner Kapazität verliert. Ein Akku mit 5.000 Milliamperestunden hätte nach etwa 2 ½ Jahren also noch 4.000 mAh übrig.
Ein zweites Problem, das ich mit Rückblick auf den zyklischen Kapazitätsverlust sehe, ist der Umstand, dass ein Akku für einen kurzen Moment sehr viel Spannung ausgesetzt wird. Wie ein iFixit-Ingenieur gegenüber Cnet äußerte, stellt das für einen Lithium-Ionen-Akku aber keine bedenkliche Belastung dar, da dieser im leeren Zustand viel Energie aufnehmen könne. Er vergleicht das ganze mit einem Schwamm, der im trockenen Zustand viel Wasser aufnehmen kann, bevor er neues Wasser immer stärker abweist. Um keine Sauerei zu veranstalten, müsste man diesen Wasser-Akku nach dem anfänglichen Boost also langsamer mit zusätzlichem Wasser beträufeln. Den Grund dafür haben wir bereits weiter oben herausgefunden: Die Entladetiefe, denn diese ist ausschlaggebend dafür, wie viel Ladung ein Akku aufnehmen kann. Aus diesem Grund erfolgt Quick-Charging zyklisch und immer nur dann, wenn die Entladetiefe die viele Energie auch tatsächlich zulässt.
Fazit: Macht Euch nicht so viele Sorgen!
Quick-Charging in Smartphones befindet sich immer in einem Spannungsfeld. Auf der einen Seite steht die Minimierung der Ladezeit, auf der anderen die Vermeidung von Langzeitschäden. Zwar vermeiden Hersteller Schäden am Akku durch intelligente Ladeelektroniken oder durch Tricks wie das Zweiteilen der Batterie, dennoch reizen sie gezielt die Grenzen dessen aus, was für einen Handyakku gesund ist.
Trotz aller Tricks ist die Belastung auf das Material höher, wenn mit höheren Stromstärken gearbeitet wird. Denn auch wenn die Spannung bei zu hoher Temperatur weggenommen wird, befinden sich Stromkreise und die Komponenten des Akkus für einen gewissen Zeitraum an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Sowohl der von Cnet interviewte iFixit-Techniker als auch ein Techniker des deutschen Reparaturservice Kaputt.de sehen darin aber nicht unbedingt einen Grund, auf Quick-Charging zu verzichten. Letzterer antwortete mir folgendes:
Insgesamt hat Quick-Charging keinen merkbaren Einfluss auf die Lebensdauer innerhalb der üblichen zwei Jahre, für die das ausgelegt ist. Danach kann man einen stärkeren Rückgang der Akkugesundheit verzeichnen, als bei anderer Verwendung.
Die Frage, ob dauerhaftes Quick-Charging eine höhere Belastung für Akku und Materialien darstellt, müssen wir also mit “Ja” beantworten. Fraglich ist allerdings, ob die Ladekapazität dabei derart signifikant abnimmt, dass es die Sorgen um die Akku-Hygiene und das Warten durch längere Ladezeiten bei Nichtverwendung rechtfertigt. Denn schließlich ist das Ziel nach dem Smartphone-Kauf, den größtmöglichen Nutzen aus einem Gerät zu ziehen, nachdem man 200, 500 oder gar 1.000 Euro dafür ausgegeben hat.
Setzt Ihr dabei auf Quick-Charging, nutzt Ihr die Möglichkeiten Eures Handys besser aus und habt theoretisch in den ersten paar Jahren mehr vom Gerät, da es weniger an der Steckdose hängt. Verzichtet Ihr darauf und stellt es in den Einstellungen ab, gewinnt Ihr in zwei, drei Jahren womöglich noch ein wenig Unabhängigkeit von der Steckdose dazu – was ist Euch lieber?
Wir finden das Thema Nutzerverhalten im Umgang mit Smartphones spannend und daher folgt diese Woche noch eine Umfrage zum Thema bei NextPit. Überlegt also bis Freitag am besten schon einmal, wie lange Ihr Euer aktuelles Handy nutzt und wie viele Jahre der Nutzung Ihr mit einem neuen Handy so einplant. Ich bin gespannt!
Kommentare
Kommentare
Beim Laden der Kommentare ist ein Fehler aufgetreten.