Echte Rabatte oder nur Betrug? An diesen Stellen tricksen Amazon & Co.
Mit dem Black Friday und Amazon Prime Day gibt es zwei große Shopping-Events im Netz. Allerdings eint diese beiden Tage auch ein Problem: Die Rabatte sind nicht immer so gut, wie sie scheinen. Die Händler tricksen, wo sie nur können, um Euch Angebote zu suggerieren, wo eigentlich keine sind. Ist das überhaupt zulässig? Und viel wichtiger: Solltet Ihr trotzdem zugreifen? In diesem Artikel geht nextpit dem Ganzen für Euch auf den Grund.
Stellt Euch vor, der Black Friday hat gerade begonnen. Ihr stürzt Euch auf Amazon oder in einen anderen Online-Shop, um nach Schnäppchen zu suchen. Ihr findet ein Smartphone, das für 200 Euro statt für 300 Euro verkauft wird. Aber woher kommt eigentlich dieser Referenzpreis von 300 Euro? Und was ist der Unterschied zwischen der UVP und dem "Statt-Preis", wie ihn einige Shops manchmal listet?
Klar ist: Der Rabatt erscheint umso attraktiver, je größer die Differenz zwischen dem durchgestrichenen Preis und dem Kaufpreis ist – und Ihr spart Geld. Nur manchmal, oft, eigentlich zu oft, biegen die Händler diese Referenzen. Sie verwenden verschiedene Referenzpreise, um die Höhe eines Rabatts künstlich zu erhöhen und das Angebot für potenzielle Kunden interessanter zu machen.
In dieser Anleitung zeigen wir Euch, wie Ihr überprüft, ob das Smartphone, das heute für 200 Euro statt für 300 Euro im Angebot ist, auch wirklich für 300 Euro verkauft wurde, bevor es in den Sonderverkauf ging.
Was für Referenzpreise sind zulässig?
In einem Ende Mai 2023 veröffentlichten Bericht untersuchte die französische UFC QUE Choisir in einer Studie insgesamt 6.586 Angebote, die einen durchgestrichenen Preis anzeigten. Die Angebote stammten von verschiedenen Händlern, darunter auch von Amazon (aber nicht nur). Von den über 6.000 Anzeigen waren nur 3,4 % echte Sonderangebote.
Mehr als 9 von 10 Anzeigen haben einen "falschen" Referenzpreis aufgeführt. Aber wie können wir nun wissen, ob ein durchgestrichener Preis echt ist, oder nicht? In der EU wird das Problem der durchgestrichenen Preise durch eine EU-Richtlinie namens "Omnibus" geregelt, die bereits im Mai 2022 in Kraft getreten ist.
Die Omnibus-Richtlinie schreibt also seit einem Jahr vor, dass die Angabe eines Preisnachlasses auf der Grundlage des niedrigsten Preises erfolgen muss, den der Verkäufer innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tagen vor Anwendung des Preisnachlasses verlangt hat. Hier der exakte Wortlaut:
Artikel 6a
(1) Bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung ist der vorherige Preis anzugeben, den der Händler vor der
Preisermäßigung über einen bestimmten Zeitraum angewandt hat.
(2) Der vorherige Preis ist der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tage
vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat
Bei unserem Smartphone, das zum Black Friday für 200 Euro statt 300 Euro verkauft wird, bedeutet das: Der niedrigste Preis dieses Smartphones auf Amazon darf innerhalb eines Monats nicht dauerhaft unter 300 Euro gelegen haben. Andernfalls würde dies bedeuten, dass hier ein höherer Referenzpreis genutzt wurde, um seinen Rabatt aufzublähen.
Die "Lösung" für die Online-Shops wäre demnach aber denkbar einfach: Durch zwischenzeitliche kurzzeitige Preiserhöhungen lässt sich ein niedriger Referenzpreis vermeiden – und am Ende gibt es für die Endverbraucher zumindest auf der Seite des Online-Shops selbst keine Möglichkeiten, den Referenzpreis nachzuvollziehen. Aber: Es gibt Möglichkeiten, und dazu kommen wir gleich noch.
Die andere Option besteht wohl darin, die Angebote nicht als Preissenkung zu bewerben, sondern einfach als Angebote. Wenn dann gar kein Vergleich zu ehemaligen eigenen Angeboten gezogen wird, ist wohl auch die UVP als Referenz zulässig. Das kommt den Anbietern entgegen, schließlich ist diese unverbindliche Preisempfehlung der Hersteller ja vergleichsweise hoch.
Welche Vergleichspreise listet Amazon?
Während die erwähnte französische UFC Que Choisir Klage gegen den E-Commerce-Riesen und sieben andere Händler in Frankreich eingereicht hat – darunter Asos, La Redoute, Cdiscount, Rue du Commerce, E.Leclerc, Veepee und Zalando –, sind in Deutschland aktuell eher die Geschäfte von Netto und Edeka betroffen.
Anders als in Frankreich erwähnt Amazon Deutschland auf seiner Infoseite zu Referenzpreisen keine 30-Tage-Vergleichspreise nach der Omnibus-Direktive, sondern nur diese beiden Optionen für neue Produkte:
- Der Listenpreis/UVP ist der vorgeschlagene oder empfohlene Verkaufspreis eines Produkts, wie er vom Hersteller angegeben und vom Hersteller, einem Lieferanten oder Händler zur Verfügung gestellt wird. Amazon zeigt nur dann einen Listenpreis/UVP an, wenn das Produkt auf Amazon.de von mindestens einem Händler zum oder über dem Listenpreis/UVP angeboten wurde.
- Der Statt-Preis ist der mittlere Verkaufspreis, den Kunden für ein Produkt bei Amazon.de zahlen, ausgenommen Aktionspreise. Dies bedeutet, dass 50% der Kunden das Produkt zu einem Preis unter dem Statt-Preis und 50% zu einem Preis über dem Statt-Preis gekauft haben.
Wenn Ihr bei Sonderangeboten mit durchgestrichenem Preis mit der Maus über das kleine "i" neben dem durchgestrichenen Preis hovert, erfahrt Ihr, welches der beiden Vergleichsmodelle zum Einsatz kommt – die UVP oder der Statt-Preis.
Wir haben uns durch zahlreiche Blitzangebote und "normale" Sonderangebote gewühlt und mal Statt-Preise als Referenz gefunden und mal UVPs. Wann welche Referenz zum Einsatz kommt, ist uns leider völlig unklar.
Warum verwendet Amazon nicht immer denselben Referenzpreis? Unter welchen Bedingungen kommt welcher Referenzpreis zum Einsatz? Wir haben Amazon Frankreich und Amazon Deutschland gefragt, aber keine direkte Antwort dazu erhalten, sondern nur diese Stellungnahme von einem deutschen Amazon-Sprecher:
Wir arbeiten kontinuierlich daran, unseren Kund:innen das beste Einkaufserlebnis zu bieten. Um ihnen zu helfen, Preise zu vergleichen, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen und die besten Angebote zu finden, informieren wir sie über Preise und Angebote in unserem Store und halten uns dabei an die aktuellen Branchenstandards und die geltenden Gesetze und regulatorischen Vorgaben.
Neben den erwähnten zwischenzeitlichen Preiserhöhungen lässt die erwähnte EU-Richtlinie noch weitere Lücken. Auf Seite 8 des Dokuments beispielsweise steht, dass die Referenzpreise nicht bindend sind für personalisierte Angebote, die durch Profiling der Nutzer oder Nutzergruppen zustande kommen. Auch sind "nicht beworbene Angebote" von der Richtlinie ausgenommen – was auch immer das genau heißt.
Das Ergebnis ist unterm Strich wenig befriedigend. Es gibt zwar eine Richtlinie für die Angaben von Referenzpreisen, aber in der Praxis ist diese ziemlich zahnlos. So zeigt auch beispielsweise der Online-Shop von MediaMarkt bei den meisten Angeboten die UVP als Referenzpreis – und nur selten den niedrigsten Kaufpreis der vergangenen 30 Tage. Auf unsere Anfrage schickte MediaMarkt ein ähnlich aussagekräftiges Statement wie Amazon.
Wie könnt Ihr jetzt prüfen, ob der Preis gut ist oder nicht?
Wir empfehlen Euch, die Preise in Werbeaktionen einfach selbst kurz zu überprüfen. Das klappt bei Angeboten von Amazon sehr einfach. Kopiert dazu einfach den Link zum Amazon-Angebot, das Euch interessiert, in die Zwischenablage. Geht auf die keepa-Plattform, entweder über den Browser oder über die App, die für Android und iOS verfügbar ist:
Fügt hier nun die URL Eures Aktionsprodukts ein und seht Euch den Preisverlauf von Amazon an. Hier erfahrt Ihr auf einen Blick, wie sich der Preis in den vergangenen 30 Tagen entwickelt hat – oder auch in den vergangenen drei, sechs und zwölf Monaten. Und dann könnt Ihr entscheiden, ob sich das Angebot für Euch lohnt – oder eben nicht.
FOMO – So verleiten Euch die Händler zum Kauf
Es dürfte nichts Neues sein, dass Händler mit der Angst vor dem Verpassen (FOMO – Fear of missing out) arbeiten. Sie suggerieren Euch Angebote, die nur für eine kurze Zeit erhältlich sind und dann nie, nie, nie, nie... wieder kommen. Natürlich ist das nicht der Fall. Häufig gibt es ähnliche Angebote über das Jahr verteilt. Diese sind zwar drei bis zehn Euro teurer, lohnen sich aber immer noch. Vor allem am Black Friday wird der Kunde durch einen geringen Lagerbestand gerne unter Druck gesetzt.
Sicherlich trifft das nicht auf alle Deals zu und manche Produkte sind tatsächlich nur noch in geringen Beständen verfügbar – aber sicherlich nicht auf alle. Lasst Euch also am besten nicht zu einem Kauf verleiten, den Ihr eventuell gar nicht benötigt, nur weil es in der Überschrift heißt "NUR NOCH 2 STÜCK". Denn häufig sind die Geräte dann zwei bis drei Wochen später wieder verfügbar.
Nicht alle Kommentare sind gut gemeint
Eine weitere Möglichkeit, um Euch von vermeintlich guten Angeboten zu überzeugen sind die Kommentare auf den Produktseiten. Hier gibt es zwei Aspekte, die Ihr beachten solltet:
- Kommentare, die sich auf andere Geräte beziehen: Hersteller produzieren ganze Serien von Geräten. So gibt es beispielsweise die Razer Naga V2 Hex und die Razer Naga V2 Pro. Schaut Ihr Euch nun die Kommentare auf der Seite der Pro-Variante an, können dort mitunter positive Aspekte der Hex aufgeführt sein, da die Kommentarsektion sich auf beide Geräte bezieht.
- Gekaufte Kommentare: Es ist eine ziemliche Grauzone. Leider gibt es immer wieder Geräte, die sich mit gekauften Kommentaren schmücken. Achtet also auf Formulierungen, die sich wiederholen oder auf seltsam wirkende Wortwahlen.
Wichtig ist, den Kommentaren zu Produkten nicht zu viel Beachtung zu schenken. Sicherlich sind dort viele korrekte Anmerkungen. Allerdings lohnt sich ein Blick auf einen redaktionellen Test deutlich mehr, um sich einen groben Überblick über das Wunschgerät zu verschaffen. Auch auf nextpit findet Ihr zahlreiche Tests zu Saugrobotern, Smartphones und anderen Geräten.
Bonus-Tipp: Überprüft die Angebote auf Marketplaces
Nicht nur aufgeblähte Referenzpreise können in die Irre führen. Amazon verkauft nämlich nicht nur selbst, sondern lässt auch Drittanbieter auf seiner Webseite anbieten. Man spricht von einem Marketplace. In diesem Fall kann es sein, dass das Produkt nicht direkt von Amazon, sondern von diesem Drittverkäufer verkauft oder versendet wird.
Normalerweise ist dies während der Deal-Tage sehr selten der Fall. Selbst bei Angeboten von Drittanbietern werden die Produkte oft zumindest von Amazon versendet. In diesem Fall müsst Ihr Euch keine Sorgen machen. Wenn das nicht der Fall ist, kann man jedoch leicht überprüfen, ob der Verkäufer vertrauenswürdig ist.
Wenn ich "vertrauenswürdig" sage, meine ich damit vor allem, dass Ihr darauf achten solltet, dass der Verkäufer seinen Sitz in der EU hat. Wenn Euer Verkäufer in China sitzt, kann es beispielsweise Probleme mit Fristen und Kosten bei Rücksendungen oder der Lieferung geben.
Kurz gesagt: Die EU bietet zwei Online-Plattformen an, um die Umsatzsteuer- und Handelsregisternummer eines Verkäufers zu überprüfen:
- Plattform zur Überprüfung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
- Plattform zur Überprüfung der Handelsregisternummer
Ihr findet diese Informationen auf der Seite des Verkäufers auf der Amazon-Website. Ja, es ist nervig und ja, die meisten von Euch haben keine Lust drauf. Aber so überprüfen wir bei nextpit unsere Schnäppchen und schauen bei Marktplatz-Angeboten genauer hin. Wenn Ihr das auch tun wollt, dann wisst Ihr jetzt, wie's geht.
Was haltet Ihr von diesen Tipps? Kanntet Ihr die Omnibus-Richtlinie bereits? Und nutzt Ihr solche Deal-Events aktiv, um Euch neue Tech-Geräte anzuschaffen?
Ich lese ohnehin zuerst und vor allem negative Kommentare, also solche, die zu Bewertungen mit nur einem oder zwei Sternen gehören. Anders als bei einem redaktionellem Test kommen hierin auch negative Langzeiterfahrungen zum Ausdruck, also z.B. Defekte die erst nach Monaten oder wenigen Jahren aufgetreten sind.
Solche Kommentare bzw. Bewertungen dürften auch kaum gekauft sein.
Nachteil, oder je nach Sichtweise auch Vorteil dieser Vorgehensweise kann allerdings sein, dass dadurch u.U. schnell die Lust vergeht, den Artikel überhaupt noch weiter zum Kauf in Betracht zu ziehen.
Allerdings habe ich auch schon solche Artikel gekauft, vor allem wenn der Anteil der negativen Kommentare kleiner als vier Prozent war, ohne diese negativen Erfahrungen danach je selber gemacht zu haben. Diese Kunden hatten einfach Pech, oder ich selber Glück.