Letzte Woche konnte ich mit Tuomas Lampen, dem Strategiechef von OnePlus Europe sprechen. Der ursprüngliche Zweck dieses Interviews war es, die positiven Quartalsergebnisse von OnePlus in Q1 2021 zu besprechen. Der Hersteller verzeichnete ein Absatzwachstum von 388 Prozent und ein Umsatzwachstum von 286 Prozent im Vergleich zu Q1 2020.
Aber wenn wir schon beim Thema Bilanzen sind, sollten wir die Jahre 2020-2021 auch als einen Zeitraum betrachten, in dem sich die "Oppoisierung von OnePlus" noch ein wenig stärker abgezeichnet hat. Werden OnePlus' Ambitionen, sein Image als Top-Player auf dem europäischen Markt zu festigen, nicht an der Nähe zu Oppo innerhalb der BBK-Gruppe scheitern?
Die Zahlen lügen nicht ...
Die oben genannten Zahlen, auf die OnePlus seine Kommunikation offensichtlich ausgerichtet hat, sind unbestreitbar positiv. Aber das sind nur Prozentsätze und keine konkreten Zahlen, behaltet das im Hinterkopf! +300% im Vergleich zu was? Wir wissen es nicht, und der Smartphone-Markt liegt immer noch unter dem Niveau von 2019 und somit vor der Coronakrise – trotz eines schönen Aufschwungs Ende 2020, der sich in Q1 2021 fortsetzte.
Laut einer Counterpoint-Studie vom 27. April verzeichnete OnePlus in Europa immer noch ein Wachstum von 85% seines Marktanteils und stieg im ersten Quartal 2021 von 1 auf 2 % Marktanteil im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Ein proportional ähnliches Wachstum wie Oppo, das von 3 auf 6 % Marktanteil stieg und in diesem Zeitraum zum viertgrößten Smartphone-Hersteller in Europa wurde. Aber auch Oppo liegt noch weit hinter Xiaomi, Apple und vor allem weit hinter Samsung.
Und Tuomas Lampen hat mir erklärt, wie wichtig die Diversifizierungsstrategie von OnePlus für diese Ergebnisse ist. Sicherlich trägt die Q1-Bilanz vor allem das Flaggschiff-Sortiment von OnePlus 9 und OnePlus 9 Pro mit 65 % zum Umsatz bei. Aber das Wachstum hat auch als Faktor die neue Nord-Reihe, die mit dem im letzten Juli erschienenen OnePlus Nord eingeweiht wurde (35 % des Umsatzes), wie mir der Chef erklärte.
"Wir haben ein Niveau erreicht, auf dem wir uns mit Stolz mit anderen Marktriesen messen können. Wir haben eine gewisse Reife im High-End-Bereich erreicht", sagt der OnePlus-Chef, bevor er an die Bedeutung des Nord-Katalogs und generell an die Diversifizierung des OnePlus-Portfolios in einer 1 + X + N-Strategie erinnert, die für viele Hersteller zum Mantra geworden ist.
... aber sie sagen nicht alles
Diese "Schritt-für-Schritt-Strategie", wie Tuomas Lampen sie betitelt, hat jedoch mit der mehr als schlechten Rezeption der OnePlus Watch und dem OnePlus Band ordentlich Wind aus den Segeln genommen. Letzteres hatte wegen seiner sehr (sehr) starken Ähnlichkeit mit dem Oppo Band unter dem Vorwurf des Rebrandings gelitten. Das gleiche galt für das OnePlus N100, das als Klon des Oppo A53 angesehen wurde.
Und hier kommt der berühmte Begriff der "Oppoifizierung" ins Spiel. Meiner Meinung nach ist das Unsinn, aber darauf komme ich später nochmal zurück. Auf der anderen Seite ist es schwer zu leugnen, dass das Verlassen von Carl Pei im letzten Oktober samt der Neupositionierung Pete Laus sowie das Rebranding-Problem und die Software-Update-Probleme der Nord-Modelle alles Faktoren sind, die zu Problemen im Unternehmen geführt haben. All diese Elemente geben das Bild eines OnePlus', das nach und nach seine Identität verliert und von Oppo absorbiert wird.
Ich bin nicht der einzige Technikjournalist, der den Nostradamus spielt, ganz im Gegenteil. Aber von der Oppoisierung von OnePlus im Jahr 2021 zu sprechen, ist Unsinn. Ich sage Unsinn, weil es ein totaler Pleonasmus ist, und das nicht erst seit gestern!
Ernsthaft, ich möchte Euch Euer Wissen über den Smartphone-Markt nicht absprechen, aber ich muss auch denen die Grundlagen in Erinnerung rufen, die in der letzten Reihe mal wieder nicht zuhören. OnePlus ist ursprünglich eine Satellitenmarke von Oppo, die beide zur BBK Electronics-Gruppe gehören. Historisch und sehr schematisch betrachtet ist OnePlus der Versuch von Oppo, auf Xiaomi zu reagieren, das den Smartphone-Markt mit seinem hundertprozentigen Online-Geschäftsmodell durcheinander gebracht hat. Ich überlasse es meinem Kollegen von Tech Altar, dies im Video unten besser zu erklären, als ich es kann.
OnePlus ist eine "Sub-Marke", die zunächst für Insider, wir sprechen auch gerne von einer "Enthusiast Brands" im Englischen, gedacht sind. OnePlus ist aber immer mehr zum Mainstream geworden dank seines starken Marken-Images, dessen Katalog nicht mehr rein online erhältlich ist.
Es ist ganz natürlich, dass es Anzeichen von Nähe zwischen den beiden Marken gibt, da sie ihre Forschung- und Entwicklungsabteilungen miteinander teilen. "Eine fantastische und vorteilhafte Angelegenheit", so Tuomas Lampen, "unsere F&E-Ressourcen zu teilen, wenn man sieht, welchen Giganten wir gegenüberstehen."
"Unsere Community erwartet von uns, dass wir immer bessere Produkte anbieten und gleichzeitig günstiger als die Konkurrenz sind, was unmöglich wäre, wenn wir alles selbst machen würden", relativiert der Manager aber sofort. "Wir arbeiten völlig unabhängig und haben eigene Teams für die Erstellung und den Vertrieb unserer Geräte."
Diese Nähe kann in der Tat die Frage aufwerfen, ob es sinnvoll ist, zwei sehr ähnliche Marken zu haben, die sehr ähnliche Produkte zu sehr ähnlichen Preisen anbieten. Mit anderen Worten: Schießt sich OnePlus nicht selbst in den Fuß, indem es mehr und mehr Mainstream wird? Indem es also eine vollwertige Marke mit einem kompletten Katalog und einem Ökosystem aus mehreren Produktkategorien wird?
Welche Argumente kann OnePlus gegen Oppo vorbringen?
Ich persönlich denke, dass OnePlus, wenn es seine Expansionsstrategie fortsetzen und eine Mainstream-Marke statt einer Insider-Marke werden will, "anders" genug bleiben muss. Was nützt es der BBK-Gruppe, zwei Marken zu haben, die sich gegenseitig auffressen?
Selbst wenn sie einen ähnlichen Katalog haben, können sie trotzdem existieren, solange sie ein ausreichend unterschiedliches Markenimage voneinander pflegen. Fanboyismus ist die Hauptquelle für den Erfolg im Tech-Markt, schaut Euch die Jünger von Apple oder die Mi-Fans von Xiaomi an.
Doch was hebt OnePlus von der Masse ab? Laut Tuomas Lampen gibt es zwei Schlüsselelemente: die Community und OxygenOS. Der Community-Aspekt des Marketings von OnePlus ist in der Tat etwas, über das Oppo weniger Kontrolle hat – zumindest in Europa.
- Lest auch: OxygenOS 11 im Test
Bei Oppo dreht sich alles um Bling-Bling, Werbeflächen bei den French Open und Flagship-Stores auf der ganzen Welt. OnePlus ist das Unternehmen, das sich als albernes, junges, technozentrisches Start-up aufspielt. "Es ist unsere Interaktion, unsere Zusammenarbeit mit den Mitgliedern, wir hören ihnen zu und berücksichtigen ihr Feedback."
Die zweite Säule der Eigenständigkeit von OnePlus ist laut Tuomas Lampen die Software. "OxygenOS ist eines der stärksten Elemente, die wir haben, und mit fast 400 Optimierungen, die auf Nutzerfeedback basieren, entstammt es direkt aus dem Community-Element. Dies stellt sicher, dass wir die Kontrolle über die User-Experience haben, um die Bestmögliche zu liefern."
Obwohl OxygenOS 11 sehr umstritten ist, weil es sich teilweise vom "Stock-Android-Feeling" der vorherigen OS-Versionen von OnePlus löst, ist es mein derzeitiges Lieblings-Android-Overlay. Deshalb haben mich die Gerüchte, dass OxygenOS zugunsten von ColorOS für OnePlus-Smartphones in China fallen gelassen wird, sehr beunruhigt.
Die Tatsache, dass Tuomas Lampen so beharrlich auf die Bedeutung von OxygenOS in Europa hinweist, ist daher ziemlich beruhigend. Wie auch immer, das eigentliche Problem mit OxygenOS ist nicht, dass OnePlus von Oppo absorbiert wird, sondern dass OnePlus zu Oppo wird.
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