Computational RAW auf Smartphones: das Beste aus zwei Welten

5 Min Lesezeit 5 min 15 Kommentare 15
No Ad to show

Das RAW-Format ist aus der Digitalfotografie mit dedizierten Kameras nicht wegzudenken. Bei Smartphones spielt es dagegen nahezu keine Rolle. Die Gründe dafür liegen in der Computational Photography: Mit Mehrfach-Aufnahmen, intelligenten Algorithmen & Co. holen die Smartphones aus den kleinen Sensoren bessere Bilder heraus als ein versierter Fotograf aus einem einzelnen RAW. 2022 könnte sich das nun ändern.

Was ist RAW überhaupt?

Das englische Wort „raw“ bedeutet „roh“. Und genau das ist RAW auch: In dem Format stecken die Rohdaten vom Kamerasensor, die in der Regel gerade mal den Analog-Digital-Konverter durchlaufen haben. Bis aus diesen ein JPEG-Foto entsteht, ist noch einiges an Arbeit erforderlich – entsprechend der oft bemühte Vergleich: Das RAW-Bild entspricht dem analogen Negativ, das JPEG-Bild ist das fertig entwickelte Foto.

Auf dem Sensor sind zunächst nur rote, grüne und blaue Pixel vorhanden. Beim Demosaicing macht die Bildverarbeitung daraus RGB-Pixel. / © Cburnett / Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

Der erste Schritt, um im digitalen Fotolabor aus einem RAW ein JPEG zu machen, ist das Demosaicing. Aus den nur roten, grünen, blauen und gegebenenfalls weißen Pixeln macht der Bildverabreitungsalgorithmus RGB-Pixel und gießt diese in einen Farbraum. Anschließend optimiert die Software das Bild mit Rauschreduktion, Nachschärfung, Objektivkorrektur, Weißabgleich & Co. – und speichert das Ergebnis als JPEG ab.

Dieser Umwandlungsprozess von RAW zu JPEG ist destruktiv und nicht reversibel, sprich: Es gehen Informationen unwiderruflich verloren. Ob das Bildergebnis nun wirklich dem Seheindruck des Fotografen beziehungsweise dem gewünschten Ergebnis entspricht, ist Glückssache – und hängt von der Qualität der Bildverarbeitenden Algorithmen ab. 

No Ad to show

Mit dem RAW-Format behält der Fotograf die Kontrolle.

Warum spielt RAW auf Smartphones keine Rolle?

Während die allermeisten Fotografen bei dedizierten Kameras RAW oder zumindest RAW+JPEG fotografieren, nutzt kaum ein Smartphone-User die typischerweise im Pro-Modus vergrabene RAW-Option. Aber wieso eigentlich nicht?

Neben der versteckten Positionierung dürfte der größte Grund sein: Weil's in vielen Fällen keinen Sinn ergibt. Während aktuelle Smartphones im AI-geboosterten JPEG-Modus gerne mal ein Dutzend Fotos in ein einzelnes Bild kondensieren, landen im RAW-Modus – meist – die Rohdaten einer einzigen Aufnahme im Speicher. Mit Hilfe der intelligenten Algorithmen holen die Smartphones heutzutage aus fünf, zehn oder fünfzehn miteinander verschweißten Fotos viel mehr Qualität heraus als ein Fotograf aus einem einzelnen RAW-Bild.

No Ad to show

Lange Zeit war es also viel Mühe für wenig Lohn, sich mit den RAW-Dateien von Smartphones herumzuschlagen. Das könnte sich nun ändern.

In ProRAW mit dem iPhone 12 Pro Max fotografiert und über Camera-RAW Quick & Dirty bearbeitet. Mit RAW lässt sich an den Bildern nachträglich mehr schrauben. / © NextPit

RAW-Comeback 2022 als Computational RAW?

Langsam, aber sicher, setzt sich "Computational RAW" durch. Und zumindest theoretisch ist das Potenzial gewaltig, denn Computational RAW schweißt mehrere Fotos in einer einzelnen RAW-Aufnahme zusammen. So sind die Vorteile beider Welten in einem Format vereint. 

Die Idee ist nicht neu. Das Google Pixel 3 von 2018 konnte bereits Computational RAW und packt die Daten von 15 Einzelbildern in eine einzige RAW-Datei. Als Größenordnung: In 15 Einzelbildern sammelt der 1/2,55 Zoll große Bildsensor vom Google Pixel 3 (ca. 23,5 mm2) so viel Licht ein wie ein Sensor im APS-C-Format (ca. 350 mm2), wie er in den meisten Mittelklasse-DSLMs steckt.

No Ad to show

Mehr Aufmerksamkeit bekam Apple 2020 für das ProRAW-Format im OnePlus 10 Pro bringt mit RAW Plus einen entsprechenden Modus mit.

Das OnePlus 10 Pro kann Computational RAW. / © NextPit

Smartphone-Apps zur Bildbearbeitung gibt's für's RAW-Format inzwischen viele – sowohl von Third-Party-Anbietern als auch von den Herstellern selbst. Und auch der Speicherhunger der Rohdatenfotos sollte im Jahr 2022 kein großes Problem mehr darstellen.

Was fehlt also noch?

Einmal ist das wohl der Mut seitens der Hersteller, das Feature prominent in der Kamera-App unterzubringen und einen einfachen Workflow für die Bearbeitung anzubieten. Sobald das steht, werden auch die Nutzer folgen, sobald sie einmal die Flexibilität der RAW-Formats selbst erlebt haben.

No Ad to show

Was kommt als nächstes für Computational RAW?

Die nächste große Herausforderung für die Computational Photography – und damit auch für Computational RAW – besteht im Kombinieren von Fotos aus verschiedenen Kameras. Denn die Sensoren in Smartphones lassen sich nicht mehr viel weiter vergrößern, ohne die Gehäuse deutlich dicker zu machen und / oder durch optische Effekte wie selektive Schärfentiefe die Bildverarbeitungsalgorithmen zu behindern.

Der einzige Weg, die lichtempfindliche Fläche zu vergrößern, besteht im Aufteilen dieser auf mehrere Sensoren. Das Light L16 haben das bereits in den vergangenen Jahren versucht, sind aber mangels Rechenpower in den Endgeräten gescheitert. Das Problem wird sich in den kommenden Monaten und Jahren lösen – nehmt Euch also in acht, Ihr Trypophobiker.

Kann Trypophobie auslösen: die Light L16. / © NextPit

Und Ihr so?

Wie sieht es in der NextPit-Community aus: Fotografiert Ihr schon im RAW-Format – und mit einer „richtigen“ Kamera oder sogar mit dem Smartphone? Und falls nicht: Werdet Ihr dem RAW-Format im Smartphone demnächst mal eine Chance geben?

No Ad to show
>
No Ad to show
MEHR ANZEIGEN

Kommentare

Kommentare

Beim Laden der Kommentare ist ein Fehler aufgetreten.

No Ad to show