Weniger Ladegeräte sind gut, es sei denn, sie werden separat verkauft
Die Verringerung der in Umlauf befindlichen Ladegeräte ist von unbestreitbarem Nutzen für die Umwelt. Die Menge an Elektroschrott wird reduziert, ebenso wie der Kohlenstoff-Fußabdruck in der Produktions- und Logistikkette durch reduzierte Verpackungsgrößen und einer Verringerung der Anzahl an produzierten Ladeeinheiten.
Es ist also durchaus positiv, die Anzahl der Ladegeräte reduzieren zu wollen. Die Idee ist keineswegs revolutionär – seit 2009 diskutiert man in der Europäischen Union darüber. Im Januar 2020 sprach das Europäische Parlament eine Empfehlung aus, nach der Hersteller zur Bereitstellung eines Universal-Ladegeräts aufgefordert wurden. Zudem forderten die Abgeordneten auch ein Verbot des Zwangsverkaufs von Ladegeräten mit einem Smartphone. Apple hat sich seinerzeit klar gegen eine Universallösung ausgesprochen.
Ein Universal-Ladegerät würde Apple und auch Samsung einen Strich durch die Rechnung machen. Denn mit dem Verschwinden des Ladegeräts aus der Verpackung könnten die Einnahmen durch separate Verkäufe in die Höhe getrieben werden.
Der Verkauf von Zubehör ist ein profitables Geschäft. Heute kostet im Online-Shop von Apple das alte 5-Watt-Ladegerät, das seit dem iPhone 4 existiert, 25 Euro. Das neue 18-W-Schnellladegerät, das zusammen mit dem iPhone 11 auf den Markt kam, kostet 35 Euro. Ein ein Meter langes Kabel, USB-C oder USB-A, kostet 25 Euro. Ein Kabel!
Samsung ist nicht besser. Das 45-W-Schnellladegerät für die Galaxy-S20-Reihe wird separat für 50 Euro verkauft, während das im Karton mitgelieferte "nur" 25 Watt liefert. Das sind unanständige Preise für Zubehör, das standardmäßig zu einem Produkt gehören soll, das bereits zu einem exorbitanten Preis verkauft wird.
Das Ladegerät, ein überflüssiger Luxus, der für selbstverständlich gehalten wird?
Aber sollten Ladegeräte überhaupt standardmäßig in der Verpackung unserer Smartphones mitgeliefert werden? Meiner Meinung nach, ja. Auf jeden Fall so lange, bis eine universelle Ladegerätelösung entwickelt wurde und bis die Schnellladetechnologien zwischen den verschiedenen Herstellern harmonisiert sind.
Klar, es ist ein natürlicher Reflex, an Gewohnheiten festhalten – gerade, wenn man sie uns wegnehmen will. Erinnert Ihr Euch noch, als Apple uns den Klinkenstecker weggenommen hat (um ein Jahr später den Lightning-Adapter separat zu verkaufen ...)? Oder als uns der Home Button weggenommen wurde?
Nachdem wir durch solche Aktionen empört sind, verhandeln wir mit der Marke. "Ok, nehmt uns das Ladegerät, um die Umwelt zu schonen. Aber was bekommen wir im Gegenzug?" Um die Verbraucher davon zu überzeugen, dass das Wegnehmen von Smartphone-Ladegeräten keine rein finanzielle Entscheidung ist, müssten die Hersteller ergo etwas geben.
Geld zum Beispiel. Wenn die Ladegeräte künftig in der Verpackung fehlen, dann sollten die sündhaft teuren Elektrogeräte, die nun mal Strom benötigen, auch günstiger werden. Oder das Zubehör selbst, was natürlich grotesk wäre, da sich scheinbar alles um den Schutz der Umwelt dreht. Aber ich glaube es nicht und wage zu bezweifeln, dass die Hersteller das Äquivalent des Kaufpreises ihres Zubehörs vom Endpreis ihrer Smartphones abziehen würden, was gleichbedeutend mit einer Erosion der Gewinnspanne wäre.
Ich finde, dass Hersteller es sich ziemlich einfach machen. Die Kunden erhalten eine schlechtere User Experience unter dem Deckmantel des Klimaschutzes und müssen auch noch finanziell dafür aufkommen. Es gibt also keine Gegenleistung für unsere doppelten Unnannehmlichkeiten. Diese Logik, den Käufer die Kosten für diese Umweltanstrengungen tragen zu lassen, ist für mich unerträglich.
Ich sehe hier einen klassischen Fall von "Greenwashing" auf Kosten des Käufers. Und dass die separat verkauften Zubehör-Teile auch separaten Verpackungsmüll und CO2-Emissionen aufgrund von Transport produzieren, sollte wohl jedem klar sein. Während also die Initiative auf dem Papier lobenswert ist, wollen uns Apple und Samsung wohl leider verarschen. Oder?
Quelle: Numerama
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