Wie sinnvoll ist die 800-W-Grenze für Balkonkraftwerke wirklich?

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In den kommenden Wochen und Monaten wird die Leistungsbeschränkung von Balkonkraftwerken auf 600 W angehoben. Das hat die Bundesregierung bereits mehrfach klargemacht. Künftig sollen dann 800 W erlaubt sein – aber ist das für ein Balkonkraftwerk überhaupt sinnvoll? Und woher kommen die 600 W beziehungsweise 800 W überhaupt?

Warum hat nur Deutschland 600 W für Balkonkraftwerke?

Es gibt eine EU-weite Richtlinie für die maximale Einspeiseleistung von Mini-Solaranlagen. Auf Seite 10 der EU-Verordnung 2016/631 wurde bereits im Jahr 2016 festgelegt, dass stromerzeugende Anlagen unter 800 W keine Netzrelevanz haben. Die meisten EU-Länder folgen diesem Vorschlag, sodass 800-W-Anlagen zur Stromerzeugung genehmigungsfrei betrieben werden dürfen.

In Deutschland hat die VDE allerdings noch ein Wörtchen mitzureden – und die Grenze auf 600 W festgelegt. Aber wieso eigentlich?

In Wohngebäuden in Deutschland werden typischerweise Stromleitungen mit einem Kabelquerschnitt von 1,5 mm2 verbaut. Diese Kabel werden nun am Sicherungskasten mit 16 A abgesichert. Ihr könnt also maximal 3.600 W an einen Stromkreis hängen, bis die Sicherung herausfliegt. Wäre die Leistung höher, bestünde ein Risiko, dass die Leitungen überlastet werden und beispielsweise ein Kabelbrand entsteht – oder die Leitungen zumindest schneller altern.

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Dreimal 1,5 mm2: So sehen die Stromleitungen typischerweise in Deutschland aus. / © galileo120/Adobe Stock

Jetzt kommen wir zu den Balkonkraftwerken. Diese können nämlich jenseits der Sicherung zusätzlich Leistung bereitstellen. Wenn Ihr an einem Stromkreis jetzt bereits einen Wäschetrockner und eine Elektroheizung mit zusammen 3,6 kW betreibt, wäre normal das Maximum erreicht, das die Sicherung dauerhaft erlaubt. Wenn ein Balkonkraftwerk von anderer Seite jetzt aber noch 800 zusätzliche W bereitstellt, dann können jenseits der Sicherung bis zu 4,4 kW betrieben werden und damit dauerhaft durch Teile des Stromkreises fließen, ohne dass die Sicherung herausfliegt – mit potenziell schwerwiegenden Folgen.

Bei 1,5 mm2 ist hier allerdings noch eine physikalische Leistungsreserve im Kabel von 600 W vorhanden, und genau diese wird den Balkonkraftwerken zugestanden. Mit 800 W oder mehr gäbe es aber theoretisch die Möglichkeit, die Leitungen leicht zu überlasten. Ihr solltet also nicht unbedingt viele sehr hungrige Verbraucher an jenem Stromkreis betreiben, an dem auch Euer Balkonkraftwerk hängt – zumindest wenn zur Mittagszeit viel Leistung produziert wird. Denn dann könnte insgesamt mehr Strom durch die Leitungen fließen, als die Sicherung vom Stromnetz her zulassen würde.

Wie viel mehr helfen 800 W Leistung überhaupt?

Selbst wenn Ihr nicht das Worst-Case-Szenario erreicht und Eure Leitungen nicht überlastet: Wie viel mehr nutzt ein Balkonkraftwerk mit 800 W denn überhaupt? In den allermeisten Fällen werdet Ihr nicht einmal in die Nähe der theoretisch möglichen 33 % Mehrleistung kommen. Die meisten Solarpanels bieten aktuell eine Leistung von rund 400 bis 450 W. Mit zwei PV-Panels kommt Ihr also ohnehin nur ganz selten auch auf die erlaubte Spitzenleistung.

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Hinzu kommt, dass Balkonkraftwerke tagsüber ihre Spitzenleistung einspeisen. Tagsüber ist allerdings in vielen Haushalten allerdings niemand zu Hause – und es laufen nur wenige Verbraucher. Mit Kühlschrank, Router, TV im Standby & Co. kommt Ihr (hoffentlich) nicht einmal in die Nähe von 600 W, sodass Ihr die zusätzlich gewonnenen 200 W vermutlich verschenkt, wenn Ihr nicht gerade mit leistungsstarker Hardware im Homeoffice arbeitet.

Unterm Strich haben die Ankündigungen von der Bundesregierung bezüglich Balkonkraftwerken deutlich sinnvollere Komponenten, beispielsweise die (hoffentlich) vereinfachte Anmeldung bei nur noch einer Anlaufstelle statt im Marktstammdatenregister UND beim Netzbetreiber.

Es gibt allerdings noch zwei weitere alternative Herangehensweisen an das 600- beziehungsweise 800-W-Thema.

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Alternative 1: Einspeisewächter

Eine alternative Lösung, um das Problem mit den 600 beziehungsweise 800 W grundsätzlich anzugehen beziehungsweise die Beschränkungen komplett aufzuheben, sind sogenannte Einspeisewächter. Wie der Name schon ankündigt, überwachen diese kontinuierlich den Energieverbrauch und wissen so jederzeit, wie viel "Platz" noch in der Leitung für Energie vom Balkonkraftwerk bleibt. 

Mit dem Ready2Plugin von Indielux soll Euer Balkonkraftwerk immer die verfügbare Leistungsreserve kennen und optimal ausnutzen. / © Indielux

Das Berliner Startup Indielux hat einen solchen Wächter entwickelt, der bei Kickstarter bereits eine erfolgreiche Kampagne absolviert hat – und ab September im Handel erhältlich sein soll. Wir hoffen, dass wir den Stromwächter namens ready2plugin in den kommenden Wochen und Monaten mal ausprobieren können.

Alternative 2: Akku fürs Balkonkraftwerk

Die zweite Option besteht darin, die überschüssige Energie in einem Akku zu speichern und genau dann einzuspeisen, wenn sie auch wirklich benötigt wird. Intelligente Systeme wie EcoFlow PowerStream (zum Test) ermöglichen es mit Smart Plugs sogar, die Einspeiseleistung dynamisch an den aktuellen Energieverbrauch bestimmter Verbraucher anzupassen – der Überschuss landet im Akku.

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Auch Zendure SolarFlow speichert die überschüssige Energie von Eurem Balkonkraftwerk zwischen und speist sie ins Hausnetz ein, wenn Bedarf herrscht. / © nextpit

Genau solche Speichersysteme profitieren dann von der Anhebung von 600 auf 800 W, da sie energiehungrige Verbraucher im Bedarfsfall mit mehr Energie versorgen können. Damit lässt sich die gespeicherte Energie noch ein Stück gezielter ausnutzen. Mehr über Speicher für Balkonkraftwerke lest Ihr im nachfolgend verlinkten Artikel.

Habt Ihr schon ein Balkonkraftwerk im Einsatz – und falls ja, was für ein System nutzt Ihr? Hat Euer Wechselrichter 600 oder 800 W, habt Ihr einen Akku oder wartet Ihr noch sehnsüchtig auf einen Einspeisewächter?

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