Über die Jahre sind viele Communities rund um das Android-System entstanden und mit ihnen viele technische Diskussionen über Hardware als auch Software. Sowohl in der Berichterstattung als auch in den Kommentaren wurde dabei ein Thema stets heiß diskutiert: die Custom ROMs! Auch hier bei NextPit war das nicht anders.
Custom-ROMs sind dabei unabhängig entwickelte Android-Versionen, die auf beliebige Smartphones "geflasht" werden können. Dieses "Flashen" bedeutet dabei einen ziemlich invasiven Eingriff, denn im Grunde genommen wird der Bootloader, also einer der Grundbausteine der Software, dementsprechend verändert, dass sich ein alternatives Betriebssystem installieren lässt. Beispiele für Custom-ROMs sind Cyanogenmod oder sogar MIUI, das sich lange Zeit als alternatives Betriebssystem installieren ließ.
Wie Ihr Euch denken könnt, waren Smartphone-Hersteller damit nicht so ganz einverstanden und in der Regel ging beim Flashen von Custom-ROMs die Garantie flöten. Dennoch waren Custom-ROMs eine Zeitlang sehr beliebt, da sie einige Vorteile mit sich bringen: Zum einen blieben ältere Android-Handys durch die unabhängige Entwicklung der ROMs länger nutzbar und sicher – zum anderen führten die Betriebssysteme zu einer besseren Performance und waren höchst konfigurierbar.
Genau von dieser Pionierzeit der freien Android-Versionen spreche ich, wenn ich von der "Ära der Custom-ROMs" spreche. Doch plötzlich bemühen sich Hersteller wie zum Beispiel Samsung darum, selbst bis zu vier Jahre lang Sicherheitsupdates anzubieten und somit stellt sich die Frage, ob das den Bedarf an Custom-ROMs endgültig gen Null gehen lässt.
Lasst uns hierfür erst einmal schauen, wo genau Custom-ROMs im Jahr 2021 überhaupt noch zum Einsatz kommen und wie es um CyanogenMod, der wohl beliebtesten unabhängigen Android-Variante steht.
Aufstieg und Fall von CyanogenMod
Denn dank des Projekts CyanogenMod gab es überhaupt mal eine Zeit, in der es so schien, als ob Custom ROMs endgültig den Mainstream erreichen würden! Der Entwickler Cyanogen – verantwortlich für die berühmte CyanogenMod-Distribution – wurde sogar einmal von Samsung angeheuert!
Kurz darauf, im Jahr 2013, wurde die Firma Cyanogen Inc. gegründet, um die Distribution zu vermarkten. Das führte allerdings zu Misstrauen in der Community, die das Custom-ROM jahrelang unterstützte (und sogar mit entwickelte). Selbst nach einer Kapitalspritze durch Investoren, darunter sogar durch Microsoft, stoppte das Projekt schließlich die mit OnePlus unterzeichneten Verpflichtungen und gab Ende 2016 das Ende der Struktur bekannt, die die ROMs kompilierte und verteilte.
Die Ideale des Projekts leben in Form des direkten Nachfolgers LineageOS weiter, mit einer ähnlichen Entwicklungsinfrastruktur, der Entwicklung von AOSP-Versionen und der Verteilung von Nightly-Testversionen an eine Reihe von Geräten.
Die Durchschlagskraft, die einst jede neue Version von CyanogenMod und jedem Smartphone, das das Custom-ROM unterstützte, zuteil wurde, ist bei bei LineageOS aber weitestgehend verflogen. Und das, obwohl das System immer noch Vorteile wie fast unendlich lange Android-Updates, eine sehr gute Leistung und eine riesige Anpassungsfähigkeit bietet. Sogar die häufigen Changelogs auf dem offiziellen Blog scheinen immer seltener zu werden, sodass das Aktivitätsprotokoll im Quellcode des Projekts als Hauptreferenz für die neuesten Änderungen in der ROM-Entwicklung übrig bleibt.
Immer noch stark bei Nischenmarken
Dennoch nutzen Millionen von Menschen Geräte mit Custom-ROMs – immerhin mehr als drei Millionen mit LineageOS, laut Aussage des eigenen Vertriebs. Das Wunschdenken, dass die Custom-ROMs irgendwann mal dem Mainstream angehören werden, können wir aber getrost abhaken.
Custom ROMs spielen immer noch eine wichtige Rolle auf Nischengeräten, wie z.B. auf dem F(x)tec Pro 1X, das in Zusammenarbeit mit der Community XDA-Developers entwickelt wurde – eine weitere Community, die sich um die Anpassung des Android-Systems gebildet hat.
Darüber hinaus trägt die mühselige Arbeit der Dokumentation von Spezifikationen und Treibern dazu bei, dass Geräte wie das Fairphone 2 noch Jahre nach der Einstellung des SoC-Supports durch den Komponentenhersteller System-Updates erhalten. Das nachhaltige Smartphone, das 2015 mit Android 5.1 und Snapdragon 801 auf den Markt kam, erhält seit dieser Woche dank der Bemühungen der LineageOS-Community Android 9 mit offiziellem Support vom Unternehmen.
Auf diese Weise könnten Geräte mit dem gleichen Chip, wie beispielsweise das OnePlus One, Samsung Galaxy S5, LG G3, Sony Xperia Z3 und Moto X – die alle schon lange von den Herstellern aufgegeben wurden – neue inoffizielle Android-Versionen erhalten.
Wie sieht die Zukunft von Custom ROMs aus?
Trotzdem scheint es, dass sich die Dinge irgendwie nicht viel geändert haben seit den Zeiten, in denen ich den Bootloader für das Xperia Play oder Motorola Defy entsperren musste, überprüfen musste, ob ich den passenden Build für die regionale Version des Smartphones heruntergeladen habe, sorgfältig eine Reihe von Schritten befolgte, dann das Gerät anschloss und hoffte, dass keiner der Vorgänge falsch war, bevor ich das GApps-Paket installierte.
Um meine eigene Clickbait-Frage zu beantworten: Nein, Custom-ROMs sind natürlich nicht gestorben und ihre Bedeutung ist auch immer noch die gleiche wie vor zehn Jahren (ist das echt schon so lange her?). Der Traum, dass sie eines Tages von jedem Anwender mit wenigen Schritten aus dem Werks-ROM heraus installiert werden können – als Mainstream-Lösung und Alternative zu den offiziellen Versionen – scheint jedoch ebenfalls noch genau so weit entfernt zu sein wie früher.
Durchaus gibt es inzwischen bessere Update-Prozesse und Hersteller sind in den letzten Jahren immer kreativer geworden, wenn es um die Implementierung neuer Funktionen unabhängig der genutzten Android-Version gibt. Vielleicht ist das sogar ein Gewinn, der überhaupt erst durch die Custom-ROMs entstanden ist. Doch diese Vorteile betreffen eher Modelle, die ohnehin aktuell sind und damit nicht ganz den Kern dessen, worum es bei Custom-ROMs geht: Um das Weiterleben-Lassen älterer Geräte und um das Herumbasteln an der Software von Smartphones. Für diesen Anwendungszwecke wird es auch in Zukunft ganz sicher Möglichkeiten geben!
Und was ist mit Euch? Glaubt Ihr, dass Custom ROMs weiterhin ein exklusives Metier für uns Enthusiasten bleiben? Oder gibt es doch noch eine Chance für ein neues OnePlus, das eine Android-Distribution aus der Community aufgreift und veröffentlicht? Lasst uns in den Kommentaren wissen, was Ihr denkt.
Kommentare
Kommentare
Beim Laden der Kommentare ist ein Fehler aufgetreten.