Leaks sind in dieser Branche unvermeidlich. Gespannte Verbraucher und eifrige Journalisten sind nicht nur diejenigen, die unter dem Leak-Zeitraum leiden, der einer neuen Produkteinführung vorausgeht, sondern wir sind auch die Ursache dafür. Ich persönlich genieße die meisten Vorab-Spekulationen mit Vorsicht. Wenn es ein Produkt gibt, von dem ich begeistert bin (über das ich aber nicht schreibe), lese ich in der Regel die Überschrift, vertiefe die Information aber nicht. Ich warte gerne auf die offizielle Vorstellung, bei der ich alle echten Informationen auf einen Schlag erhalte.
Bei Samsungs Unpacked Event 2020, bei dem wir das S20, S20+ und S20 Ultra zum ersten Mal sahen, war dieser Ansatz jedoch unmöglich. Alle drei Geräte, Spezifikationen, Bilder, Hands-On-Videos und Zubehör waren bereits weit vor dem Event online. Es wurde nichts ausgepackt. Es wurde nichts enthüllt.
Wir leben jetzt in einem Zeitalter ständiger Ankündigungen, Leaks und Vorschauen, und aus meiner Sicht ist der Grund dafür kein gesteigerter Hype, wie ihn die Hersteller erreichen wollen, sondern ein vermindertes Interesse an Produkteinführungen. Ich bin sicher, dass ich nicht der einzige bin, der das Gefühl hat, dass das Unpacked-Event mit einem langgezogenen "Meh" abgetan wurde, und das von denjenigen, die sich sogar die Mühe gemacht haben, es sich anzusehen.
Wozu gibt es noch Produktpräsentationen?
Die jährlichen Vorstellungs-Events werden mehr und mehr zu einer Geduldsprobe. Als ich anfing, bei AP zu arbeiten, waren diese Launches – die fast immer in den USA stattfinden und uns bis spät arbeiten lassen – für das Redaktionsteam aufregend. Wir schalten den Live-Stream im Büro ein, bestellen Pizza und machen es uns gemütlich, um über die Neuheiten zu schreiben. Gestern Abend war das nicht nötig.
Vergesst die Tatsache, dass Medien und Journalisten oft vor dem Start hinter verschlossenen Türen neue Geräte begutachten dürfen, denn nicht nur die Presse und die Influencer wussten in diesem Jahr schon vor dem Start alles über die S20-Reihe – absolut jeder wusste es. Wir haben erst neulich über das Geschäft mit den Leaks philosophiert, aber Samsungs Event ist über einige verschwommene Bilder und Datenblätter, die im Netz kursierten, hinausgegangen.
Das wirft die Frage auf, was es überhaupt noch bringt, eine Einführungsveranstaltung zu haben. Medien bringt es nichts, da sie die vergangenen Monate immer wieder detailliert über alle neuen Features, Specs und Modelle berichtet haben. Konsumenten bringt es ebenfalls nichts, da sich insbesondere die Kauf-Interessenten und eingefleischte Marken-Fans vorab mit eben jenen Berichterstattungen begnügen können. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie Leute wie Roh Tae-moon, DJ Koh und Richard Yu ein ernstes Gesicht machen können, wenn sie das neueste Flaggschiff auf der Bühne aus der Tasche ziehen und es für alle sichtbar hochhalten.
Verrückt ist, dass wir Technik-Journalisten oft zu Vorab-Veranstaltungen eingeladen werden, die neuen Produkte sehen und Geheimhaltungsvereinbarungen (NDA) unterschreiben. Das ist gängige Praxis, das heißt, wir können an unseren Artikeln arbeiten und unsere Meinungen, Tests und Artikel für den großen Tag X vorbereiten, nachdem wir sie auf der Grundlage realer Erfahrungen erstellt haben. Das Problem hier ist, dass wir wegen des NDA oft die Einzigen sind, die nicht über die Neuheiten sprechen. Roland Quandt, so sehr wir ihn auch schätzen, hatte bereits am 08. Februar sein Hands-on-Video für die Samsung Galaxy Buds+ online – ganze drei Tage vor der Vorstellung.
Während die sozialen Medien randalieren, sind die Medien oft vertraglich verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren. Samsung selbst warb während der Oscar-Verleihung für sein Galaxy Z Flip, Tage bevor es das faltbare Smartphone überhaupt offiziell angekündigt hatte. Bitte Hersteller, dann tut doch wenigstens einfach so, als würden Produktvorstellungen noch irgendeinen (Mehr-)Wert haben.
Als meine Kollegin Julia letzte Woche über Leaks schrieb, kommentierte Fabian Nappenbach, Direktor Produktmarketing bei HTC, dies:
"Die Hersteller machen das [Leaken] absichtlich, äh... nein. Dann wären sie unbeschreiblich dämlich. Man streut vielleicht selber "Teaser" aber ein Leak ist wie der Name schon sagt ein Leck. Da tropft was aus dem Eimer das eigentlich drinn bleiben sollte damit man den Eimer in einem Rutsch effektiv auskippen kann bei der offiziellen Enthüllung. Die kostet nämlich ooz Geld und ausserdem ist es denen Journalisten gegenüber die sich die Arbeit machen auf Prebriefings zu kommen unfair".
Nappenbach erklärte auch, dass Leaker keine Helden seien, "keine Robin Hoods sondern einfach Diebe – sie klauen Information die ihnen nicht gehört und verscherbeln sie für Geld."
Wenn wir Nappenbach also beim Wort nehmen, sind die Leaks das Ergebnis von Inkompetenz und Diebstahl und nicht der Marketingstrategie. Das ist für mich noch erschütternder.
Nur Apple weiß jetzt, wie man Blockbuster-Enthüllungen erzeugt
Die einzige Ausnahme von diesem Trend scheint Apple zu sein. Ich will nicht eine Sekunde lang behaupten, dass die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Apple eine Art Area 51 ist, in der nichts herausrutscht, aber zumindest die Hauptveranstaltungen kommen immer noch mit einer gewissen Erwartungshaltung des Publikums.
Es war im Jahr 2017, als eine geleakte Notiz vermuten ließ, dass Apple "gegen Leaks vorgeht" (diese Ironie!) und 27 der schelmischen kleinen Schlingel erwischt hat, aber die Firma Apple ist nicht völlig immun gegen das Problem. Während ich dies schreibe, strömen Spekulationen über das iPhone SE2 oder das iPhone 9 herein, je nachdem, welche Gerüchte Ihr glauben wollt. Aber zumindest bei Apple ist es weitgehend nur Gerede und Spekulation. Ihr werdet kein Hands-On-Video des neuen iPhones auf YouTube sehen, eine Woche bevor es auf der Bühne des Steve Jobs-Theaters steht.
Die nächste iPhone-Veranstaltung im September wird immer noch eine menge Leute anziehen. Ich hoffe, dass ich immer noch mit Vorfreude zusehen werde. Apple bleibt meiner Meinung nach der letzte Hersteller, für den diese großen Einführungsveranstaltungen sinnvoll sind. Für die anderen ist der Raum oft voll von Gästen, die nur wegen der kostenlosen Sandwiches da sind.
Ich habe keine Ahnung, wie Samsung für eine Unpacked-Veranstaltung ausgibt, aber für mich fühlt es sich an, als ob in diesem Jahr jeder Dollar verschwendet wurde. Was meint Ihr dazu? Teilt Eure Gedanken im Abschnitt "Kommentare" unten mit.
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