Nach der WWDC 2023 gab es die üblichen epidemischen Reaktionen auf den Preis von 3.500 US-Dollar für die Apple Vision Pro. Aber ich habe auch ziemlich viel Besorgnis über die Invasivität eines solchen Mixed-Reality-Headsets in unserem Alltag feststellen können. In meinem Twitter-Feed konnte ich sehen, wie mehrere Journalisten und Technikfreunde das Konzept der Vision Pro rundweg ablehnten. Die Vorstellung einer Zukunft à la "Ready Player One", in der jeder von einer virtuellen Welt vampirisiert wird und die reale Welt vernachlässigt, hat vielen den Appetit verdorben.
Das ist eine teilweise berechtigte Sorge. Aber es ist absolut nicht Apples Plan. Und selbst wenn es so wäre, würde die Vision Pro – technisch gesehen – nicht in der Lage sein, ein solch düsteres Vorhaben zu verwirklichen.
Die Apple Vision Pro ist ein Headset für GEMISCHTE und nicht für die virtuelle Realität.
Worte haben eine Bedeutung, besonders bei Apple, die man oft wörtlich nehmen muss. Die Vision Pro ist ein Headset für die gemischte Realität (MR) und nicht für virtuelle Realität. Virtual Reality ist nur eine Komponente der Mixed Reality.
Die Apple Vision Pro ist nicht dafür gedacht, Euch völlig von der Außenwelt zu isolieren und Euch in die Matrix zu versetzen, um Euch zu versklaven. Sowohl in der Sprache als auch im Video, in dem das Headset vorgestellt wird, hat Apple deutlich gemacht, dass es in erster Linie darum geht, Euch mit der realen Welt in Verbindung zu halten.
Das Headset hat jedoch einen 3D-Bildschirm an der Außenseite, der ein Bild Eurer Augen projiziert und so den Eindruck erweckt, dass die Oberfläche durchsichtig ist. Ja, es ist sehr seltsam, das zu sehen. Ja, Eure Kinder werden vielleicht Albträume bekommen, wenn sie sehen, wie Eure Glubschaugen durch den Helm hervorkommen. Ja, selbst im Jahr 2050 wird man immer noch sehr dumm aussehen, wenn man in der Öffentlichkeit ein XR-Headset trägt. Und ja, das Bild der Augen, die auf die Vorderseite der Vision Pro projiziert werden, erinnern mich an Lensors, die Feinde aus dem Film "Die Chroniken von Riddick".
Aber man merkt, dass Apple daran gelegen ist, Euch auch nur visuell mit der realen Welt zu verbinden. Alle aktuellen VR/XR-Headsets haben eine völlig undurchsichtige Hülle, die Euch depersonalisiert und Euch von den Menschen in Eurer Umgebung trennt.
Ich weiß, ich klinge wie ein dummer Fanboy, der die Absichten von Apple überinterpretiert. Aber ich bin überzeugt, dass die Wahl des Designs gut überlegt war.
Die Apple Vision Pro ist eine Brücke zwischen der virtuellen und der realen Welt, keine Mauer.
Apples Verbundenheit mit der realen Welt spiegelt sich nicht nur in der Designsprache wider. Aus funktionaler Sicht hat Apple enorm viel über die EyeSight-Funktion seines Vision-Pro-Headsets kommuniziert.
Konkret kann man bei einem aktuellen VR/XR-Headset eine Funktion namens Passthrough haben. Diese ermöglicht es, mithilfe von Monochrom/RGB-Kameras die Umgebung zu sehen, ohne das Headset absetzen zu müssen.
Bei Apple befinden sich insgesamt zwölf Kameras, fünf Sensoren und sechs Mikrofone in der Vision Pro. Außen sind zwei Kameras auf die reale Welt gerichtet und zwei weitere nach unten, um Eure Hände zu verfolgen. Außerdem gibt es einen Lidar-Scanner und eine TrueDepth-Kamera.
Im Inneren des Geräts sorgen zwei Infrarotkameras und ein Ring aus Leuchtdioden dafür, dass Eure Augen verfolgt werden. Mithilfe dieser Eye-Tracking-Technologie kann Apple Eure Augen außerhalb des Geräts mithilfe eines 3D-Bildschirms anzeigen, der das Gerät gewissermaßen transparent macht. Apple nennt diese Funktion EyeSight.
Aber vor allem könnt auch Ihr eben gewissermaßen durch das Headset hindurch sehen. MKBHD hat dies als doppelten Pass-Through-Modus bezeichnet (schaut Euch seinen Hands-on-Test an, er ist sehr informativ).
Die Vision Pro verfügt über eine Krone an der Kante, mit der Ihr die Immersion nach Belieben verstärken oder verringern könnt. Ihr könnt also mehr oder weniger tief in die virtuelle Benutzeroberfläche eintauchen oder auch nicht. Die Entscheidung liegt bei Euch.
Mit einer Akkulaufzeit von zwei Stunden bringt mich die Matrix leise zum Lachen.
Nun, ich habe den Advokaten des Teufels gespielt und fühle mich ein wenig zu sehr wie ein Nachahmer des Youtubers Leo Duff, der immer eine sehr tiefgründige und philosophische Wendung für jede noch so kleine Geschäftsstrategie von Apple findet.
Kommen wir also zurück auf vertrautes Terrain: das Datenblatt. Die Apple Vision Pro ist ein Produkt der ersten Generation. Das ist bei Apple außergewöhnlich. Schlimmer noch, die Apple Vision Pro, die wir auf der WWDC 2023 gesehen haben, ist ein Vorserienmodell, das in den USA noch nicht einmal auf den Markt gekommen ist. Und in Europa wird die Brille mit Glück überhaupt noch 2024 in den Handel kommen.
Mit anderen Worten: Niemand wird das Headset erst einmal benutzen, außer ein paar ausgewählten Testern. Und die Auswahl an potenziellen Käufern des fertigen Produkts wird angesichts des Preises von 3.500 US-Dollar sicherlich ebenso klein sein.
Aber nehmen wir einmal an, die Vision Pro wird ein Verkaufserfolg. Das Headset kommt 2024 in Europa auf den Markt. Einige Leute kaufen es. Wann kann man bei der von Apple angekündigten Akkulaufzeit von nur zwei Stunden befürchten, dass man süchtig nach der virtuellen Welt wird?
Ja, das Headset muss mit einem Kabel für das Akkupack verwendet werden. Aber viel Glück dabei, sich in der Matrix zu verirren, ohne über das Kabel zu stolpern oder ein Schleudertrauma zu erleiden, wenn Ihr das Ende des Seils erreicht, das wahrscheinlich nicht länger als 1,50 m sein wird. Ansonsten wird auch ein Akku am Hosenbund Euch wie ein Anker in der echten Welt festhalten.
Und so sehr Apple auch über die virtuelle Benutzeroberfläche von visionOS schwadroniert, die dem iPadOS sehr ähnlich ist: Die Leute werden das Headset nutzen, um Inhalte zu konsumieren.
So gut die Bildqualität der Zeiss-Linsen und der beiden 23-Millionen-Pixel-Micro-Oled-Displays auch sein mag, ich kann mir nicht vorstellen, acht Stunden lang mit der Vision Pro auf dem Schädel zu arbeiten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich während der Geburtstagsfeier meines noch nicht existierenden Sohnes zwischen zehnjährigen Kindern herumlaufen muss. Ich persönlich würde die Polizei rufen, wenn ich sehe, dass ein Elternteil mein Kind durch seine Vision Pro anstarrt.
Noch ernster: Die Leute werden die Apple Vision Pro nutzen wollen, um Filme und Serien anzuschauen oder Spiele zu spielen. Aber abgesehen von einer Vorschau auf Disney+ während der Konferenz und ein paar völlig hirnrissigen Spielen aus dem Apple Arcade Katalog, ist Apples Angebot in dieser Hinsicht nicht sehr attraktiv.
Und schließlich vor allem beim Gaming, da SVOD allein mit dem Katalog von Apple TV bereits sehr gut versorgt ist. Apple wird Euch höchstwahrscheinlich keinen Zugang zu Eurer Steam-Bibliothek ermöglichen. Auch die wichtigsten aktuellen VR-Spiele werden nicht unbedingt verfügbar sein.
Sicherlich zweifle ich nicht an Apples Schlagkraft, einen Katalog mit exklusiven Spielen anzubieten. Und was die Hardware angeht, so wird der M2-Chip in der Vision Pro – die wie ein echter Standalone-PC funktionieren kann – mehr als genug Leistung bringen. Aber ich erwarte nicht, dass es AAA-Spiele hagelt, die mich süchtig machen werden.
Das war's mit diesem Stimmungsbericht. Ich hätte Euch auch noch mehr als 2.000 Wörter über den Preis der Apple Vision Pro erzählen können. Aber ich habe unter Schmerzen gelernt, dass das nichts bringt. Apple-Produkte sind teuer, besonders die "Pro"-Produkte. Und ich habe das Gefühl, dass das Schimpfen über die Preispolitik von Cupertino zu redundant geworden ist. Daher habe ich es vorgezogen, Euch zu überraschen und mit Euch über das andere "Problem" der Apple Vision Pro zu sprechen.
Was denkt Ihr darüber? Seid Ihr besorgt, dass das Apple-Headset uns noch mehr voneinander trennen wird, als wir es ohnehin schon sind? Ich persönlich finde das Produkt sehr interessant, da es keine Controller mehr benötigt und somit die Navigation und Steuerung auf dem Papier intuitiver ist.
Weitere Informationen findet Ihr in unserem Vergleich der besten kabellosen VR-Headsets im Jahr 2023 und in unserem Test der Pico 4, einem günstigen XR-Headset, das buchstäblich zehnmal weniger kostet als die Apple Vision Pro.
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