Casa Casi, Folge 10: Draufhalten mit der Kamera – Gaffen oder Pulitzerpreis?

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Zum bereits zehnten Mal unterhalten sich Casi und Fabi in der "Casa Casi", dem NextPit-Podcast. Heute sprechen sie über Smartphone-Kameras, die Macht der Bilder und deren Risiken und den Unterschied zwischen Gafferei und Pulitzerpreisträger:in.

Manche Themen sind einfach dankbar! Da fängt man an zu quatschen, ist ruckzuck im Flow und nach einem intensiven und fruchtbaren Gespräch kann man am Ende sagen: Ja, das war spitze und wir konnten uns für eine Problemstellung einen schlüssigen Lösungsansatz erarbeiten.  All das gilt nicht für unsere heutige Folge des NextPit-Podcasts "Casa Casi"! 

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Meine Fragestellung heute war: Wann ist es legitim, mit der Kamera draufzuhalten – und wann nicht. Wir leben immerhin in Zeiten, in denen jedermann jederzeit ein Smartphone mit sich trägt. Das ermöglicht in diesem Zusammenhang zwei Dinge:

  • Ihr habt jederzeit eine Kamera greifbar, um jede denkbare Aktion als Foto oder Video zu dokumentieren
  • Ihr habt durch den Zugang zum Internet auch jederzeit die Möglichkeit, das Fotografierte oder Gefilmte in die ganze Welt zu senden

Pulitzerpreis für Darnella Frazier!

Die Idee, dieses Thema im Rahmen des Podcasts mit Fabi zu besprechen, kam mir als ich die News von Darnella Frazier in den letzten Tagen las: Die damals 17-Jährige hat letztes Jahr mit dem Smartphone draufgehalten, als George Floyd bei einem Polizeieinsatz getötet wurde und dafür belohnte man sie jetzt mit einem Pulitzerpreis. Die Jury des prestigeträchtigen Journalistenpreises sprach von einem "Video, das weltweit Proteste gegen Polizeigewalt ausgelöst hat und zeigt, wie wichtig die Rolle von Bürgern bei der journalistischen Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit ist".

Wir müssen nicht darüber diskutieren, dass auch wir hier im weit entfernten Germany den Impact dessen verspürt haben, was Fraziers Video ausgelöst hat. Die "Black Lives Matter"-Bewegung ging infolgedessen um die Welt und hat sie auch nachhaltig verändert. Ich las nicht nur die Nachricht, dass die junge Frau den Pulitzerpreis erhält, sondern wühlte mich auch durch die Reaktionen in den sozialen Medien. 

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Dort war ganz oft sowas zu lesen wie: "Bei uns in Deutschland hätte man sie als Gafferin beschimpft"! Das war für mich spannend genug, um Fabi im Podcast damit zu konfrontieren und überspitzt zu fragen: Hat sie dafür tatsächlich den Pulitzerpreis verdient oder ist sie nur eine Gafferin?

In den Kommentarspalten gab es die obligatorischen Schwachköpfe, die erzählen, dass Floyd ein Verbrecher war. Es gab natürlich ebenfalls sehr viel Zuspruch, sowas findet in sozialen Medien erfreulicherweise ja auch manchmal statt. Aber es waren eben auch sehr viele Statements dazu, dass sie nur eine Gafferin sei, zumindest hierzulande als solche bezeichnet worden wäre – und dass sie doch lieber das Leben George Floyds hätte retten müssen, statt ein Video zu filmen. 

Ich hoffe, dass wir uns da einig sind, dass ein 17-jähriges Mädchen gar nichts machen oder verhindern kann, wenn da vier Polizisten einen Einsatz durchführen. Aber wo zieht man die Grenze? Wann ist das Filmen nützlich und kann wie in diesem Fall sogar weltumspannende Proteste auslösen? Und wann ist es wirklich nur Sensationsgier?

Es ist schon schwierig, die Situation in den USA mit der in Deutschland zu vergleichen. Der strukturelle Rassismus dort hat dazu geführt, dass schon kleine Kinder beigebracht bekommen, wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie von der Polizei angesprochen werden. Allein das erklärt schon, wieso man lieber filmt, statt energisch auf die Officers einzureden. 

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Kamera weg bei Unfällen

Bei Unfällen ist es da doch deutlich einfacher: Dort greift seit Jahresbeginn das "Gaffer"-Gesetz: Laut § 201a des Strafgesetzbuches ist es seit 1. Januar 2021 verboten, Unfallstellen zu fotografieren und die Wege für die Rettungskräfte zu behindern. Auch unterlassene Hilfeleistung wird geahndet. Das "Gaffen" ist damit offiziell eine Ordnungswidrigkeit, für die bis zu 1000 Euro Bußgeld aufgerufen werden können.

Steht Ihr nicht nur im Weg, sondern filmt oder fotografiert den Unfall sogar, macht Ihr Euch strafbar. Dafür gibt es ebenfalls eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Auch das Teilen des Materials mit Dritten ist strafbar. Das Gesetz will mit diesen Maßnahmen die Würde der Betroffenen schützen.

Ich werde das nie verstehen, wieso man sich in so einer Situation hinstellt und nichts besseres zu tun hat, als Menschen in Notlagen zu filmen und möglicherweise auch noch die Rettungskräfte zu behindern. 

Mehr Zivilcourage dank Smartphone-Kamera?

Vielleicht können wir uns drauf verständigen, dass es bei den Unfällen klipp und klar ist, dass wir das Smartphone NICHT verwenden. Bleibt aber eben noch das obige Beispiel, wenn es eben zu einem Übergriff seitens der Polizei kommt. Wann ist es ein Akt der Zivilcourage und wann lediglich Sensationsgier? Wenn People of Color in den USA überharte Polizeigewalt dokumentieren ist das meines Erachtens schon etwas anderes, als wenn bei einer Querdenker-Demo jede noch so harmlose Aktion dokumentiert wird. Auch da haben wir jedes Recht, unser Smartphone zu nutzen, aber "Zivilcourage" würde ich es in diesen Fällen nicht nennen wollen. 

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Eine Gefahr, die ich bei dieser steten Verfügbarkeit von Kameras sehe: Wir können zwar alles festhalten, aber als Zuschauer können wir die Bilder nicht immer zuordnen oder verifizieren. Ist der prügelnde Polizist vielleicht selbst angegriffen worden, bevor die Kamera lief? Ist das zerbombte Haus im Video tatsächlich gerade von zerbombt worden und tatsächlich von der Seite, der man den Angriff vorwirft? Das hat dann aber wieder mehr mit unserer Medienkompetenz zu tun und nicht mit der grundsätzlichen Verfügbarkeit von Kameras. 

Im Podcast sprachen wir auch noch über Zivilcourage im anderen Zusammenhang. Beispiel: Eine Schlägerei in der U-Bahn. Mein naiver Gedanke wäre, dass ein Schläger von seinem Opfer ablässt, wenn um ihn herum mehrere Passagiere der Bahn den Vorgang dokumentieren und auch laut ansprechen, dass sie gerade filmen. Andererseits empfiehlt die Polizei für solche Situationen, sich selbst nicht in Gefahr zu begeben und ganz ehrlich: Wenn ich da alleine eine Schlägerei filme, ist die Chance groß, dass ich als nächster aufs Maul bekomme, wenn der Täter mit seinem ersten Opfer durch ist. 

Es ist angerichtet: Casa Casi, Folge 10

Es ist die zehnte Folge und damit unser erstes kleines Jubiläum. Ich war ordentlich vorbereitet und hab mir echt Gedanken gemacht und dann? Dann smalltalken wir viel zu lange und halten uns an dem Thema fest, mit dem ich zum eigentlichen Schwerpunkt überleiten wollte. Es ging um den Zusammenbruch des Dänen Christian Eriksen im EM-Spiel gegen Finnland und um die Frage: Was soll das Fernsehen an Bildern anbieten und wann schaltet man weg? 

Fabi und ich hatten da sehr unterschiedliche Meinungen, was ja auch echt in Ordnung ist. Einig sind wir uns immerhin, dass es nur so semi-geschickt vom ZDF war, eine Folge vom "Bergdoktor" zu zeigen. Es dauerte jedenfalls, bis wir dann tatsächlich darüber sprachen, dass wir als Smartphone-Nutzer:innen alle auch unser eigener Sender sein können und das mit Verantwortung einhergeht. 

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Auch bei diesem Thema konnten wir wieder erkennen, dass man die Technik und den gesellschaftlichen Aspekt nicht scharf voneinander trennen kann. So oder so hoffen wir, dass Ihr auch bei dieser Folge wieder unterhalten werdet, auch wenn wir ein wenig wirsch durch diese 10. Episode quatschen. 

Empfehlt uns weiter, bewertet uns, abonniert uns auf den verschiedenen Plattformen und – ja, selbstverständlich freuen wir uns auch auf Eure Kommentare und Meinungen, gerne auch mit Themen-Ideen für die nächsten Folgen.

 
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