Vor wenigen Tagen stellte Xiaomis Untermarke Poco das Poco F4 GT vor. Ein Smartphone, das ich als ehesten als Flaggschiff-Killer im Jahr 2022 bezeichnen würde. Denn es macht im Grunde genau das: Es greift die Rechtfertigung an, sich das Xiaomi 12 Pro zu kaufen. Denn wie Ihr in Camilas Vergleich vom Mittwoch lesen könnt, kostet es 550 Euro weniger und bietet eine ähnliche Performance im Alltag.
Wäre das der einzige Fall dieses Smartphone-Kannibalismus (® Benjamin Lucks, hab ich mir dadurch gesichert), fänd' ich das noch in Ordnung. Aber Modelle, die technisch fast identisch sind, aber unterschiedliche Preise haben, gibt es überall im aktuellen Xiaomi-Lineup. Und das finde ich für Kunden wirklich unfair. Denn es trübt die Zufriedenheit, die wir nach dem Kauf eines neuen Produktes verspüren.
Über den Ärger, nach dem Kauf ein besseres Angebot zu finden
Die Suche nach neuen Produkten ist in unserer hochkomplexen, kapitalistischen Gesellschaft dermaßen komplex, dass es Magazine wie NextPit gibt. Wir arbeiten täglich an Kaufberatern, Deal-Tipps und Testberichten, nur um Euch eine Einschätzung darüber zu geben, wie Ihr Euer hart verdientes Geld am sinnvollsten wieder ausgebt. Für viele Käufer im Netz folgen auf die Idee "Ich brauche ein neues Handy" dennoch etliche Stunden der Recherche, des Vergleichens und des Abwägens der eigenen Bedürfnisse beziehungsweise der eigenen Kaufkraft.
Nach dem Kauf ein besseres Angebot zu finden, ist daher ziemlich nervig. Gleichzeitig löst es eine Kette unangenehmer Handlungsvariablen aus. Soll ich mein gekauftes Produkt zurückgeben und das bessere Angebot nutzen? Ist das alternative Modell eventuell besser für mich? Und wie erkläre ich das meiner Ehefrau, meinem Ehemann, meinem Pastor und meinem Finanzberater?
Xiaomis Geschäftsmodell fundiert darauf, "Fast-Phones" auf den Markt zu bringen. Also möglichst viele Handys in möglichst kurzer Zeit zu produzieren, die auch möglichst schnell wieder irrelevant sind, da ja möglichst viele neue folgen müssen! Langsam aber sicher frisst sich das Handy-Sortiment von Xiaomi aber selbst auf. Und das wird im Jahr 2022, wo sich Xiaomi als Alternative zu Samsung und Apple positionieren will, immer problematischer.
Kannibalismus in den eigenen Reihen
Erstmals wirklich aufgefallen ist mir das bei den Modellen Xiaomi 12 und Xiaomi 12X. Beide Handys wurden zeitgleich vorgestellt, sehen absolut identisch aus und unterscheiden sich nur durch drei Merkmale:
- Das Xiaomi 12X nutzt einen schwächeren Prozessor
- Das Xiaomi 12X kommt ohne Wireless-Charging
- Das Xiaomi 12X kostet 150 Euro weniger
Interessant ist hier vor allem, was Xiaomi seinen eigenen Kunden damit vermittelt: Hier ist unser neuestes Top-Modell – das Aushängeschild unserer technischen Innovation. Ach, und hier ist dasselbe Handy mit minimal veränderten Specs, das wir für 150 Euro weniger anbieten – und das schlechtere Eigenschaften bietet als das Snapdragon 870 selbst bei den meisten Top-Mobile-Games noch gut dasteht. Der Kauf wird aber durch ein Gefühl getrübt, das bei jedem Griff zum Handy aufkeimt:
Ich habe 700 Euro investiert und nutze eine abgespeckte Version des neuesten Xiaomi-Handys. Bei Rucklern stellt sich die Frage, ob es diese beim Xiaomi 12 vielleicht nicht gäbe und im Endeffekt führt das zu einer geringeren Zufriedenheit mit meiner Kaufentscheidung. Verstärkt wird die Unzufriedenheit beim Kunden zudem durch die Frequenz, in der Xiaomi Handys auf den Markt wirft.
Das neueste Modell ... von gestern
Kauft Ihr Euch das Samsung Galaxy S22, hattet Ihr zum Release die Gewissheit, ein Jahr lang das neueste Samsung-Handy zu nutzen. Und abseits der Schwestermodelle, die jeweils auf sinnvolle Art bestimmte Ansprüche bedienen und den Foldables, gibt es auch keine leistungsstärkeren Samsung-Handys. Während diese Gewissheit bei Samsung ein Jahr lang hält, gibt es sie bei Xiaomi nur für sehr kurze Zeit.
Wunderbar zu sehen am Redmi Note 11 Pro 5G. Das Handy wurde zum Launch als Flaggschiff der Mittelklasse positioniert und bietet ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Beim Kauf hielt die Freude darüber aber nur kurz an, denn dann folgte schon das Redmi Note 11 Pro+ 5G – mit besseren Eigenschaften und einem noch besseren Preis-Leistungs-Verhältnis.
Der Juckreiz, gerne etwas Neues zu besitzen, hättet Ihr beim Kauf des Redmi Note 11 Pro 5G nur für wenige Wochen befriedigend gekratzt. Ein weiterer Nachteil des Fast-Phone-Prinzip, aber kommen wir zum Fazit.
Fazit
Mit unseren Kaufberatern können wir den in vielerlei Hinsicht unsinnigen Katalog an Xiaomi-Handys noch ganz gut entschlüsseln. Das hilft allerdings nur bei der Suche nach einem neuen Handy zum Zeitpunkt X. Die Fast-Phone-Strategie setzt meiner Meinung nach stark darauf, Handykäufer nach der Abbuchung vom Konto schnell wieder unzufrieden werden zu lassen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das natürlich clever.
Wäre Xiaomi aber wirklich an der Zufriedenheit seiner Kunden interessiert und wolle der Hersteller auch etwas für die Nachhaltigkeit tun, dann stünde dieses Konzept aber in einem starken Widerspruch zu diesen Werten. Das wäre kein Problem, würde Xiaomi nicht in Europa mit längeren Updates und mit einem sechsmonatigen Reparaturservice für kaputte Displays werben.
Xiaomis Problem ist nicht, dass die eigenen Handys qualitativ nicht lange durchhalten. In meinem Test des Xiaomi 12 war ich überrascht, wie hochwertig das Handy war. Viel eher ist es problematisch, dass der Hersteller den eigenen Kunden ständig selbst bessere Alternativen vorschlägt. Das zeugt zumindest aus einer europäischen Perspektive nicht davon, dass man an die Langlebigkeit der eigenen Produkte glaube.
Oder wie seht Ihr das? Findet Ihr Xiaomis Release-Frequenz sinnvoll und seid Ihr immun gegen die Unzufriedenheit, nach dem Kauf eines Handys ein besseres Angebot oder Modell zu finden?
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