Wie weit will Samsungs Marketing-Team es noch treiben?

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Das Galaxy Z Flip entpuppt sich als super-kratzempfindliches Falt-Smartphone, der "Space Zoom" im S20 als Fake-Zoom, die 12 GB RAM im Ultra als gänzlich unnötig und die Aufnahme von 8K-Videos als ebenso technisch fragwürdig. Im Jahr 2020 hat Samsung es seiner Marketing-Abteilung besonders schwer gemacht, den Kunden die Vorzüge der neuen Galaxy-Produkte zu erklären.

Am 11. Februar 2020 war wieder Galaxy Unpacked. Das heißt, der koreanische Hersteller Samsung hat seine neuen Smartphones gezeigt. Routiniert sind Vertreter der Presse sowie Influencer zu den zahlreichen geschlossenen Events erschienen und haben die S20-Familie sowie das Z Flip begutachtet. Inzwischen sind auch erste Testmuster im Umlauf. Und eines davon landete beim Smartphone-Henker Zack Nelson.

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Unter seinem Handle "JerryRigEverything" macht er regelmäßig vor laufender YouTube-Kamera Smartphones kaputt. Natürlich war das Galaxy Z Flip mit dabei. Doch selten war die Empörung über ein bei ihm getestetes Gerät so groß. War das Galaxy Fold noch mit einem schmutzempfindlichen Scharnier unangenehm aufgefallen, enttäuschte das Z Flip viel banaler.

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Samsung biegt den Glas-Begriff

Nelson stellte fest: "Das Z Flip hat Fake Glass". Das Display wird nicht durch eine flexible Konstruktion aus einem oder zwei Gläsern abgedeckt. Vielmehr handelt es sich lediglich um weiches Plastik. Das hat zur Folge, dass es leicht verkratzt und löcherig werden kann. Durch die Löcher eintretende Luft zerstört weitere OLEDs um den Einstich.

Finde den Fehler: Samsung bezeichnet das Plastik-Display als "flexibles Glas". / © Samsung.com

Der Haken an Nelsons Erkenntnis: Auf der Webseite zum Galaxy Z Flip spricht Samsung von "flexiblem Glas". In der Fußnote wird es als "Kunststoff-Glas-Gemisch" bezeichnet. Beides scheint nicht zu stimmen. Zumindest überwiegen bei dem Material die Plastik-Eigenschaften. Wer sich hartes Glas erhofft, wird enttäuscht werden.

Space Zoom: 30-facher Unfug

Die Kollegen von Notebookcheck haben es entdeckt und meine Kollegen Julia und Stefan haben es in und unterm Artikel "Schwindelt Samsung? Doch kein Teleobjektiv beim Galaxy S20 und S20+" schon hinlänglich ausdiskutiert: Weder der "3-fache Hybrid Optic Zoom" noch der "30-fache Space-Zoom" machen das, was man annehmen könnte.

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De facto erlauben die Kameras im Galaxy S20/+ und S20 Ultra nur 1,06x echt-optischen Zoom. Alles danach wird von der Software digital vergrößert. Da die Ergebnisse hierbei dank der tatsächlich beachtlichen Sensorgröße jedoch zufriedenstellend sind, ist die Entrüstung über die Begrifflichkeiten wie "Hybrid" oder "Space Zoom" eher überschaubar. Zumal Samsung hier wahrheitsgemäß konstatiert: "Das Galaxy S20, S20 5G und S20+, S20+ 5G verfügen über einen 30-fachen Space Zoom. Space Zoom beinhaltet digitalen Zoom und beeinflusst die Bildqualität."

12 GByte: Mehr RAM als in den meisten Windows-Laptops

Das Galaxy S20 Ultra ist vorerst mit 12 und später sogar 16 GByte RAM erhältlich. Ein Kollege bei Techradar schrieb bereits einen wortreichen Verriss auf diese Entscheidung. Der berechtigte Teil seiner Kritik besteht in der Befürchtung, dass derlei verschwenderische Ausstattung …

  • … das Endprodukt wegen eines Features teurer macht, das der Kunde nie nutzen wird.
  • … App- und Betriebssystem-Entwickler entmutigt, ihre Software zu optimieren.

Das einzige Szenario, in dem teurer RAM nötig wird, ist 8K-Videoaufzeichnung. Diese ist mit allen Varianten des Galaxy S20 tatsächlich möglich, aber …

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8K-Videos sind maximal 1 Minute lang

Die gewaltige Menge Arbeitsspeicher dient offenbar nur einer einzigen Anwendung: Dem Aufnehmen von 8K-Videos. Doch nach einer Minute Aufnahme ist Schluss. Im derzeitigen Zustand können Galaxy-S20-Geräte (egal, wie viel RAM sie haben) nur 60 Sekunden am Stück 8K-aufnehmen und müssen dann verschnaufen. In dieser Phase – eine echte Analyse bzw. ein Statement steht noch aus, aber das ist die Theorie – verarbeitet der Chipsatz das Rohmaterial aus dem RAM in eine 600 MByte große Video-Datei. Zum Vergleich: Eine Minute Netflix in 4K ist rund 80 MByte groß.

Zugegeben: Samsung hat noch lange Zeit, dieses Performance-Problem zu beheben. Schließlich ist die Zahl an 8K-fähigen Endgeräten noch überschaubar. Und mit einer Display-Auflösung von 3.200 x 1.440 wäre keines der S20 in der Lage, jeden Pixel der in 7.680 x 4.320 auflösenden 8K-Videos darzustellen.

Samsung spielt mit unserem Vertrauen

Okay, ich gebe es zu: Marketing-Sprache in normales Verbraucher-Deutsch zu übersetzen, ist unser Job. Doch schon lang nicht mehr hat es Samsung uns Journalisten (und seinen Kunden) derartig schwer gemacht, aus den Presse-Informationen (beziehungsweise Werbetexten) echte Fakten zu extrahieren. Wenn selbst die (größer werdende Zahl an) Fußnoten – haarscharf an der Lüge vorbei – vage bleiben, werden vielleicht bald auch die treuesten Samsung-Kunden Fragen stellen. Und was passiert, wenn ein Konkurrent sie plötzlich klarer beantworten kann?

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