Tschüss, Corona-Jahr 2020 – Hallo, neues Corona-Jahr
Hosen runter: Wer hat alles am 31. Dezember um Mitternacht drei Kreuze gemacht, weil jetzt endlich dieses vermaledeite Jahr 2020 vorbei ist? Die Corona-Pandemie und alle mit ihr verbundenen Komplikationen und Hürden haben uns im letzten Jahr alles abverlangt und werden – Spoileralarm – uns auch dieses Jahr nochmal vor jede Menge Aufgaben stellen.
Stand jetzt sind etwas mehr als 260.000 Menschen in Deutschland geimpft worden, es ist also noch ein harter, steiniger Weg, bis wir dieses Virus in den Griff bekommen können und auch das nur unter der Voraussetzung, dass uns keine Überraschungen wie mutierte Viren Striche durch diverse Rechnungen machen. Wie im letzten Jahr werden wir also weiterhin lernen müssen, wie wir in einer so außergewöhnlichen Situation leben und arbeiten können und auch dieses Jahr werden wir uns den Moment herbeisehnen, in dem wir zurückkehren können in ein Keine-Pandemie-Leben.
Alles wieder auf Null? Bitte nicht!
Zurückkehren. Das ist in diesem Zusammenhang eigentlich ein gefährliches Wort, denn ich finde, dass es nichts Falscheres gibt, als sich exakt das Leben zurücksehnen zu wollen, welches wir vor der Pandemie geführt haben. Ja, na klar: Wir wollen wieder ohne Maske herumlaufen und ohne Einkaufswagen einkaufen gehen, wenn wir nur schnell ein Brot holen wollen. Wir wollen wieder reisen, wollen auf Konzerte gehen, liebe Menschen treffen und umarmen, wollen in Eisdielen sitzen und im Morgengrauen die Stammkneipe verlassen.
Diesen Teil der Normalität will ich natürlich nicht anzweifeln, aber ich möchte darauf hinaus, dass wir um Himmels Willen nicht all die positiven Entwicklungen wieder zurückdrehen, die es zweifellos auch gab. Ich weiß, wenn man darüber redet, welche positiven Effekte so ein weltweit grassierendes Virus hat, bringt einem das mitunter Beliebtheitswerte ein irgendwo zwischen Hitler und Diarrhoe. Deshalb möchte ich den Punkt auch gerne erklären: Es geht natürlich nicht darum, despektierlich über die Krise zu reden. Viele Menschen haben ihren Job verloren, gingen in Kurzarbeit, die Kultur- und Veranstaltungsbranche liegt brach, zu viele Menschen wurden räumlich von ihren Liebsten getrennt und erlagen schlimmstenfalls sogar dem Virus. Das ändert aber nichts daran, dass wir die (E-)Learnings aus 2020 nicht unter den Tisch kehren dürfen.
Nichts wäre nach der Pandemie schlimmer, als wenn man verzweifelt versuchen würde, den Vorher-Status wiederherstellen zu wollen. Wenn beispielsweise Arbeitgeber wieder drauf bestehen würden, dass Präsenz im Büro eine ständige Pflicht ist, obwohl sich das Homeoffice im letzten Jahr bewährt hat. Daher möchte ich auf ein paar Punkte eingehen, die bitte bleiben dürfen beziehungsweise weiter ausgebaut werden müssen in diesem Jahr.
Zuhause bleiben, zuhause arbeiten und lernen
Homeoffice bedeutet nicht, dass man von jetzt auf gleich ein Luxusleben führt, bei dem man in seinen bequemsten Klamotten von der Couch aus arbeitet, den Chef das ganze Jahr nicht sehen muss und alles entspannt ist. Auch "Remote Work" will organisiert sein und gerade, wenn man unter mangelndem Platz leidet und/oder nebenher noch seine Kinder beaufsichtigen muss, steht man plötzlich vor ganz neuen Aufgaben.
Aber – und das ist ein richtig fettes "Aber" – wir konnten sehen, wie schnell es plötzlich alles ging. Unzählige Arbeitgeber haben sich lange gegen das Arbeiten im Homeoffice gesträubt, obwohl es technisch auch schon vorher machbar gewesen wäre. Vielleicht, weil man befürchtete, dass die Angestellten nicht wirklich produktiv sein werden, oder weil man sich organisatorisch überfordert gefühlt hat bei diesem Wandel.
Jetzt sehen wir: Es geht, zumindest in sehr, sehr vielen Fällen. Fabien schrieb vor wenigen Tagen noch darüber, dass er an der Brandenburger Seenplatte sogar mindestens ebenso produktiv und effizient arbeiten konnte und als Bonus noch ein fettes Plus an Freiheit dazubekam. Genau das muss unser Learning sein: Es geht anders, Präsenz ist in vielen Fällen nicht notwendig und auch die Produktivität leidet in der Regel nicht unter dem Leben in der Isolation, sondern steigt eher noch.
Ähnliches gilt natürlich auch für diejenigen, die noch nicht arbeiten gehen, also Schüler und Studierende. Auch hier können wir feststellen, dass sich auf beiden Seiten bewegt werden muss: So wie beim Homeoffice sowohl Chef als auch Angestellte gefragt sind, gilt das beim Homeschooling oder E-Learning für Lehrer genau so wie für die Schüler. Hier wurden viele Schwachstellen offensichtlich, aber es gab eben auch viele Fortschritte zu beobachten, die uns helfen, die Digitalisierung voranzutreiben.
Besonders offensichtlich wird das, wenn wir diese Entwicklung global betrachten und auf Länder schauen, die technisch deutlich zurückliegen hinter westlichen Nationen. Dort ist der Wandel weg vom Präsenzunterricht nicht nur ein notwendiges Übel, sondern für sehr viele junge Menschen überhaupt erst der Zugang zu Bildung. Aus der Digitalisierung erwächst also sogar mehr Teilhabe und für viele weniger Privilegierte eine Chance auf ein besseres Leben. Mein Kollege Rahul beschreibt das in seinem sehr lesenswerten Artikel sehr ausführlich und spricht von einem regelrechten Bildungs-Boost.
Stichwort: Mobilität
Im Homeoffice funktionieren auf einmal viele Dinge, einfach weil sie irgendwie funktionieren müssen. Das ist ja oft so, dass man irgendwo ins kalte Wasser geschubst werden muss, um sich verändern zu können. Mag sein, dass das für unsere Mobilität ebenso gilt. Vor der Pandemie war es ein sehr zähes und vor allen Dingen erfolgsloses Ringen um eine moderne Form der Mobilität in Städten. Die von Autos dominierten Innenstädte sind ein Auslaufmodell, wie wir in vielen großen Metropolen wie Wien, Barcelona, Amsterdam, Kopenhagen und selbst London sehen. Alternative Fortbewegungsmittel – Fahrrad, Lastenräder, E-Scooter – bekommen mehr Gewicht und mehr Platz eingeräumt, öffentlicher Nahverkehr wird ausgebaut.
Gerade der Umbau einer Großstadt kann nur in vielen, kleinen Schritten erfolgen und wann soll man damit besser beginnen, wenn nicht innerhalb einer Pandemie, in der deutlich mehr Menschen als üblich nicht aufs Pendeln und Straßen-Verstopfen angewiesen sind? Auch hier muss man weiter mutig sein. Wir dürfen uns nicht dadurch verunsichern lassen, wenn irgendwo die eingerichteten Pop-Up-Radwege zwischenzeitlich wieder verschwunden sind. Der Stein wurde ins Rollen gebracht und jetzt gilt es, Städte mittelfristig so umzubauen, dass die gesunkene Zahl der Pendler berücksichtigt wird. Das bedeutet natürlich auch zwangsläufig, dass Länder und Kommunen jetzt auch den öffentlichen Nahverkehr entsprechend ausbauen müssen.
Allzweckwaffe Smartphone
Der öffentliche Nahverkehr bringt mich zum nächsten Punkt: Viele nutzen ihr Smartphone nun anders und vertrauen auf Apps, die analoge Vorgänge ersetzen. Seit Jahren können wir bereits Tickets auf dem Smartphone nutzen und brauchen sie weder am Automaten kaufen, noch müssen wir sie zwingend zuhause ausdrucken. Dadurch, dass man zumindest bei uns im Verkehrsverbund nicht mehr vorne in den Bus einsteigen und beim Fahrer ein Ticket lösen darf, mussten sich viele Passagiere umorientieren und sind oftmals dann dazu übergegangen, ihre Fahrkarten direkt per App zu kaufen.
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Noch deutlicher ist die Entwicklung an der Supermarktkasse zu beobachten. 2020 dürfte wohl der Siegeszug für Apps wie oder Apple Pay gewesen sein. Ich muss zugeben, dass selbst ich erst seit Anfang letzten Jahres dazu übergegangen bin, per Smartphone zu bezahlen und ich erinnere mich daran, dass ich mich auch selbst eifrig dafür beschimpft habe, wieso ich das nicht schon viel früher getan habe. Es ist unkompliziert, es ist schnell und es ist sicher – und man muss nicht zwingend jedes Mal seine Geldbörse mit sich herumtragen, wenn man einkaufen geht.
Ich staune darüber, wie groß die Akzeptanz mittlerweile ist und wie selbstverständlich diese Bezahlmethode längst auch für das Personal ist. Noch im letzten Februar und März traf man doch häufig auf erstaunte Blicke und "ich weiß gar nicht, ob das bei uns geht"-Aussagen. In Ländern wie Schweden stirbt das Bargeld schon lange einen schleichenden Tod, aber auch hier in Deutschland – so habe ich das Gefühl – halten sich immer weniger verzweifelt am Bargeld fest. Okay, der letzte Satz war jetzt natürlich eine Einladung für alle Datenschutz-Experten, die sich vermutlich in den Comments genüsslich über Bargeld als letzte anonyme Zahlungsmöglichkeit auslassen werden, dabei aber wie selbstverständlich Googles Chrome-Browser nutzen.
Videokonferenzen: "Ich kann Dich sehen"
Das Paradebeispiel für eine positive Entwicklung inmitten einer Pandemie ist wohl der Run auf Videokonferenz-Tools. Egal, ob Google Meet, Zoom, Skype, die oben abgebildete Open-Source-Alternative Jitsi Meet oder noch andere Anwendungen sind im Jahr 2020 allesamt durch die Decke gegangen. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass die täglichen Besprechungen im Büro adäquat ersetzt werden mussten. Vielmehr hat es auch mit unserem privaten Bereich zu tun, mit unserer Freizeit. Wir konnten unsere Freunde und unsere Familien nicht mehr so treffen, wie wir das gewohnt waren. Also versammeln sich immer wieder Freunde in Video-Meetings, schauen Großeltern ihren Enkeln beim Wachsen zu und vernetzen sich Künstler mit ihren Fans.
Videokonferenz-Tools im Überblick
Auch hier wünsche ich mir, dass diese Entwicklung anhält und vorangetrieben wird und dass das nicht alles wieder einschläft, wenn man sich wieder gefahrlos besuchen kann. Wir konnten nämlich gerade zu den Feiertagen beobachten, dass nicht nur diejenigen diese Art der Kommunikation suchten, die einen Ersatz für das gewohnte Fest suchten. Es kamen auch Freunde und Verwandte zusammen, die zum Beispiel aufgrund der Distanz nie Weihnachten miteinander verbringen können und nun einen Weg gefunden haben, dass man sich zumindest .
Es geht nicht nur um Technik
Vor einigen Wochen schrieb Ben einen schönen Beitrag darüber, wie uns das Jahr 2020 allesamt zu Entertainern machte. Auch ich kenne einige ältere Menschen, die vor 2020 Smartphones für Hexenwerk hielten und für die Facebook = Internet war. Die waren schon happy damit, dass sie wussten, wie sie ihr Notebook einschalten und wie man übers Smartphone telefoniert. Jetzt nehmen sie wie selbstverständlich an Videokonferenzen teil, sharen eifrig Videos von ihren Haustieren per WhatsApp und sind irgendwie richtig angekommen in der digitalen Welt.
Wir sind hier bei NextPit natürlich auf die Technik fokussiert und auf die Wege, wie wir sie nutzen können, damit unsere Leben einfacher werden. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Komponente Mensch eine erhebliche Rolle spielt. Es geht also nicht nur um die Verfügbarkeit einer Technologie, sondern auch um die Bereitschaft, sie zu nutzen. Gerade, was das angeht, mussten sehr viele Menschen und Unternehmen ins kalte Wasser springen: Chefs, die sicherstellen mussten, dass die Arbeit auch auf Distanz sicher und zuverlässig erledigt werden konnte.
Einzelhändler, die plötzlich realisierten, dass dieses "Online" nicht nur Feind ist, sondern eine mehr als nützliche Unterstützung sein kann, wenn man eben mal nicht mehr ausschließlich aufs Ladenlokal setzen kann. Und vor allem haben die Menschen im letzten Jahr einen Sprung ins kalte Wasser gewagt, die glaubten, dass man den digitalen Anschluss längst verpasst hat. Manchmal redet man sich einfach zu lange ein, dass man etwas nicht bewältigt bekommt und braucht einen starken Impuls, um sich dann doch an eine neue Aufgabe zu wagen.
Wir haben in diesem Jahr also nicht nur gelernt, wie wir mittels Technik vieles ersetzen können, was uns durch die Pandemie nicht möglich ist. Wir haben auch gelernt, manch alten Zopf abzuschneiden, Sprünge ins kalte Wasser zu wagen und neu zu entdecken, dass wir uns ja doch auf ganz viel Neues einlassen und an veränderte Bedingungen gewöhnen können. So mancher hat sogar entdeckt, dass es wieder ein wenig menschlicher zugeht. Angesichts von Corona-Leugnern und Impfgegnern mag das übertrieben klingen, aber ich empfinde es in der Tat so. Man kümmert sich wieder mehr umeinander, fragt nicht nur als Floskel, wie es dem anderen geht, lächelt entgegenkommende Passanten an, um ihnen zu signalisieren: "Ich sehe Dich - keine Angst, ich halte Abstand!"
Nicht zuletzt haben wir beobachten können, wie beim Entwickeln des Impfstoffes ganz Erstaunliches in kürzester Zeit geschaffen wurde. Wir haben mindestens genau so verwundert beobachtet, wie schnell und teils sogar unbürokratisch die Politik reagieren kann. All das gibt uns ein Gefühl dafür, was wir gemeinsam schaffen können, wenn wir künftig weiterhin alle an einem Strang ziehen, Probleme vernünftig adressieren, neue Technologien nutzen und Rücksicht aufeinander nehmen. Das alles ändert nichts an all den Nachteilen, die die Pandemie mit sich bringt – aber sollte dennoch helfen, dass wir besser ins Jahr 2021 hineinfinden und den Optimismus nicht verlieren.
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