Die schöne neue Welt des Internets der Dinge ereilte kürzlich eine unschöne Botschaft. Tausende Sonos-Kunden erhielten per E-Mail die Nachricht, dass Lautsprecher und Zubehörgeräte der Modelle …
- Zone Player
- Connect
- Connect:Amp (Baureihe 2006; verkauft bis 2015)
- Play:5 (1. Generation aus dem Jahr 2009)
- CR200 (2009)
- Bridge (2007)
… ab Mai nicht länger mit Software-Updates versorgt würden. In derselben (!) Nachricht verkündet Sonos stolz, dass 92 Prozent der jemals verkauften Produkte noch immer in Betrieb seien. Die meisten von ihnen haben eine ständige Internetverbindung und brauchen diese für grundsätzliche Funktionalität. Ohne Updates werden diese Geräte zu Einfallstoren für Cyber-Kriminalität.
Update: Sonos-CEO entschuldigt sich
Nachdem Lautsprecher-Hersteller Sonos massiv unter Kritik geraten war, veröffentlichte das Unternehmen am Wochenende eine Stellungnahme von CEO Patrick Spence, in der nicht nur eine Entschuldigung für die verquere Kommunikation fiel, sondern auch ein wichtiges Versprechen gegeben wurde. Demnach sei man bemüht, auch nach Mai weiterhin Sicherheitsupdates und Bug Fixes für die oben genannten Sonos-Produkte auszuliefern. Damit erhalten Nutzer zwar nach wie vor keine neuen Features für ihre Geräte mehr. Vor Sicherheitslücken und Software-Problemen muss sich aber wohl zunächst niemand mehr fürchten. In dieser Woche will Sonos zudem weitere Informationen zur Kompatibilität zwischen alten und neuen Sonos-Podukten veröffentlichen.
Sonos und das Update-Aus: Das ist passiert
In einer ursprünglichen E-Mail an seine Nutzer ließ der Hersteller Kunden mit den oben genannten Sonos-Geräten die Wahl:
- Benutzt die Geräte einfach weiter, auch wenn sie bald offene Sicherheitslücken haben.
- Tauscht sie bei Sonos um und bekommt einen 30-Prozent-Rabatt beim Kauf neuer Geräte.
Keine der Optionen ist attraktiv. Und beide Optionen sind ein Schlag ins Gesicht für Sonos-Kunden sowie für den Rest der Welt.
Entscheidet Ihr Euch für Option 1, werden ab Mai 2020 auch Eure neueren Sonos-Lautsprecher in Sippenhaft genommen und erhalten im "Legacy Mode" keine weiteren Funktions- und Sicherheitsupdates. Da das ganze Konzept von Sonos darauf beruhte, sich mehrere Lautsprecher des Herstellers zu kaufen und in unterschiedlichen Räumen zu Multi-Room-Setups zu verknüpfen, werden also die treuesten Kunden am härtesten bestraft.
Entscheidet Ihr Euch für Option 2, werden Eure einwandfrei funktionierenden Lautsprecher einem bekanntermaßen ineffizienten Recycling-Prozess zugeführt. Zusätzlich kauft Ihr komplett neue Lautsprecher für unnötig viel Geld. Diese verknüpft Ihr mit den übrigen Sonos-Lautsprechern, die ihrerseits jederzeit von Sonos' Software-Abteilung die Sense bekommen könnten.
Obsoleszenz zeigte sich lang nicht mehr so hässlich
Sonos' Argumente mögen zutreffen. Der Hersteller erklärt den Schritt damit, dass die alten Geräte technisch nicht mehr den kommenden Herausforderungen gewachsen seien. Das erklärt aber nicht, warum der Hersteller dann nicht einen Upgrade-Service der betroffenen Komponenten anbietet. Schließlich wäre auch bei den neuen Lautsprechern der Verstärker- und Lautsprecher-Teil nicht großartig anders als bei den bisherigen Modellen.
Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass Sonos Farbe bekennt. Der Markt der smarten, WLAN-fähigen Lautsprecher vervielfältigt sich, nicht zuletzt da Google mit seiner Cast-Software einen offenen Ansatz verfolgt und Multi-Room-Systeme mit Lautsprechern unterschiedlicher Hersteller ermöglicht. Sonos hat jedoch grundlegende Bestandteile dieser Technologie patentiert und verklagt Google nun darüber. Auch Amazon habe sich an Sonos' Technologie vergriffen, ohne geltende Patente zu beachten.
Der Hersteller will offenbar sein Territorium nicht nur abstecken, sondern auch seine Nutzer darin einmauern. Und einmal getätigte Investitionen ins Ökosystem sind – wie wir jetzt gelernt haben – auch nicht von dauerhaftem Wert.
Eine Alternative (Denkweise) muss her
Sonos reiht sich also ein in eine große Gruppe von Unternehmen, die uns Geräte nicht wirklich verkaufen. Wir dürfen sie nur eine Weile genießen, bis der Hersteller sie entweder unbrauchbar oder ihre Nutzung so unbequem macht, dass wir sie freiwillig ersetzen. Die Antwort auf dieses Problem wäre nutzerseitige Kontrolle. Und die ließe sich auf zweierlei Arten verbessern:
1. Minimal Waste: Separater Tausch der kritischen Komponente
Am Beispiel der Lautsprecher lässt sich hervorragend zeigen, wie Sonos seine Kunden langfristiger unterstützen könnte. Im aktuellen Beispiel moniert der Hersteller, dass RAM und CPU der alten Geräte nicht mehr für neuere Software ausreichen würde. Warum macht Sonos diese Komponenten dann nicht einzeln austauschbar? Es wäre schön, würden wir in kommenden Geräte-Generationen das Compute-Modul aus dem Gehäuse trennen können. Notfalls könnte Sonos auch einen Service anbieten, den Umtausch fachmännisch vornehmen zu lassen.
Der Planet würde es ihnen danken, schließlich entfallen auf diese Art die ineffiziente Entsorgung des Altgerätes sowie die ressourcenintensive Herstellung eines komplett neuen Produktes.
Ich gehe auch nicht davon aus, dass Sonos deswegen einen schlechteren Umsatz machen würde. Im Gegenteil: Der Hersteller würde mit diesen "Lautsprechern fürs ganze Leben" das Vertrauen einer deutlich zahlungsbereiteren Kundschaft für sich gewinnen. Und das wäre nötig, denn das hat es mit der jüngsten Nachricht verspielt.
2. Gebt uns die Software frei
Mein zweiter Vorschlag ist leider illusorisch. Es gibt wenige Beispiele, bei denen Hersteller ihre für obsolet erklärten Geräte zur Nachnutzung freigegeben haben. Was ich damit meine? Als positives aber leider kurzlebiges Beispiel kann ich Samsung nennen. Dessen Upcycling-Bemühung drehte sich um die Millionen alten Smartphones und Tablets, die keine Android-Updates mehr erhielten.
Der Hersteller ließ Coder erstmals beliebige Software auf den Altgeräten installieren. Das ist untypisch, da Samsung wie fast alle anderen Technik-Hersteller (inklusive Sonos) dem Nutzer null Kontrolle über die Software eines Produktes gibt. In der Theorie könnte auf alten Smartphones (oder smarten Lautsprechern) Linux installiert und für alle erdenklichen Software-Projekte genutzt werden. In der Praxis scheitert das daran, dass Hersteller obskure Sperren einprogrammieren. Und genau diese Sperre sollte Sonos jetzt für die alten Geräte lösen.
Und dann gibt es noch das Sicherheitsrisiko
Auf den von Sonos vorgeschlagenden "Legacy Mode" zurückkommend, kommentiert Philipp Sommer, Stellvertretender Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe:
Wenn die Politik nicht bald gegensteuert, dann entwickelt sich das „Internet der Dinge“ zu einem ökologischen Desaster. Im „Smart Home“ werden immer mehr Elektrogeräte miteinander oder dem Internet vernetzt. […] Ohne die Updates lassen sich die Geräte nicht mehr richtig nutzen und es entstehen gravierende Sicherheitslücken. Ohne die Sicherheits-Updates riskieren die Nutzer zum Beispiel, dass ihre persönlichen Daten auf den Geräten über das Internet ausgelesen werden können.
Der Fall Sonos ist ein besonders gravierender Vertrauensbruch, da der Hersteller bislang als Klassenprimus in Sachen Langzeit-Wartung galt. Nun ist er einer von vielen Wegwerfgeräte-Hersteller. Sommer argumentiert, dass der Gesetzgeber einschreiten müsse, denn …
"Für die Kunden besonders schlimm: Sie wissen beim Kauf normalerweise nicht, wie lange der Hersteller Software-Updates bereit stellt. Wie soll der Kunde eine vernünftige Kaufentscheidung treffen, wenn er gar nicht weiß, wie lange die Software aktualisiert wird? ]…] Die Politik muss ein „Recht auf Reparatur“ durchsetzen, das Hersteller verpflichtet, Ersatzteile und Software-Updates für die erwartete Lebensdauer der Geräte, zumindest jedoch für 7 Jahre ab Produktionsende, zur Verfügung zu stellen. Außerdem muss dem Kunden bereits beim Kauf klar sein, wie lange er mit technischem Support und Updates rechnen kann. Stellt der Hersteller keine Updates mehr zur Verfügung, dann sollte er zumindest den Quellcode offen legen müssen, damit Engagierte selber Updates programmieren können."
Fazit: Sonos ist kein positives Beispiel mehr
Twitter läuft derzeit heiß mit dem Hashtag #sonossucks. Der Hersteller hat nicht nur treue Kundschaft vergrault. Er hat auch potenziell Interessierte verschreckt. Diese werden nun lieber zu einem ähnlich gut klingenden, aber deutlich preiswerteren Konkurrenzprodukt greifen – wenn Sonos deren Funktionalität nicht kaputtklagt. Sonos hat den gesamten Ökosystem-Charakter seiner Marke untergraben und versucht nun dasselbe mit der Konkurrenz von Google und Amazon.
Der Legacy Mode ist ein Beweis dafür, dass der Hersteller neben der ökologischen auch die Datenschutz-Problematik nicht ernst nimmt. Leider wird Sonos damit noch nicht einmal zu einem negativen Beispiel. Er hört einfach nur auf, eine positive Ausnahme zu sein. Und das ist noch viel trauriger.
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