Die Idee zu diesem Artikel kam mir, nachdem ich vor einigen Wochen eine Pressemitteilung von Fairphone erhalten hatte. Darin wurde angekündigt, dass das Fairphone 3 (Test) und Fairphone 3+, die 2019 und 2020 auf den Markt kamen, direkt von Android 11 auf Android 13 umsteigen würden. Und dass Fairphone diesen Update-Prozess mangels offizieller Unterstützung durch den Chiphersteller Qualcomm intern durchführen würde.
Ich wollte also wissen, wie das alles abläuft. Welche Art von Support kann der Hersteller eines SoCs einem Smartphone-Hersteller für die Software-Wartung bieten? Und vor allem: Wie kann ein Hersteller, wenn dieser Support ausläuft, diesen schweren Prozess der Android-Updates selbst übernehmen?
Agnes Crépet hat mir hier nicht nur einen sehr interessanten Überblick über jene Schritte gegeben, die ein Hersteller wie Fairphone durchlaufen muss, um ein Android-Update bereitzustellen. Sie hat mir auch Wege der Hoffnung aufgezeigt. Wege, die letztendlich dazu führen könnten, dass Nachhaltigkeit in unserem Kaufverhalten, aber auch und vor allem in den Geschäftsstrategien der Hersteller verankert wird.
"Es dauert lange, es ist teuer, es ist komplex".
Als Hersteller eines Smartphones muss man eine Reihe von Schritten durchlaufen, bevor man ein Android-Update ausrollen kann. Das ist logisch. Aber ich werde Euch jetzt keinen Wikipedia-Eintrag darüber schreiben, wie ein Android-Update funktioniert.
Nein, das Interessante an diesem Prozess ist, zu verstehen, dass er nicht unüberwindbar ist. Wenn Fairphone es über einen so langen Zeitraum auf die Kette kriegt, dann können das ja wohl auch die Big Player auf dem Markt mit ihren kolossalen Mitteln, etwa Samsung oder Xiaomi.
Aber dazu komme ich weiter unten. In der Zwischenzeit kann man den gesamten Prozess auf vier große Schritte zusammenfassen:
- Die Veröffentlichung der neuen AOSP-Version durch Google.
- Vorbereitung des Software-Code durch den Chiplieferanten und Umsetzung durch den Smartphone-Hersteller.
- Anpassung an die Anforderungen der Mobilfunkbetreiber in den jeweiligen Märkten.
- Android-Zertifizierung bei Google und anschließend die Netzwerkzertifizierung bei den Netzbetreibern.
Alles beginnt mit Google und der neuen Android-Version. Der Smartphone-Hersteller erhält in der Regel Unterstützung vom Chip-Lieferanten seines Modells.
Im Fall von Fairphone ist das Qualcomm, da das Fairphone 3 und das Fairphone 3+ mit dem Snapdragon 750 ausgestattet sind. Fairphone und Qualcomm handeln bereits beim Einkauf der Chips eine bestimmte Dauer für dessen Unterstützung aus. Es gibt sozusagen von Anfang an ein Verfallsdatum.
Dies führt uns zum zweiten Schritt. Im Rahmen des obengenannten Supports wird Qualcomm eine neue Baseline erstellen und diese an die neueste Version von AOSP anpassen – und diesen Code dann an Fairphone liefern.
Dieser Prozess kann mehr oder weniger lange dauern. Es hängt davon ab, ob der Chip mehr oder weniger "hochwertig" ist und daher in den Augen von Qualcomm eine hohe Priorität hat oder nicht.
- Schaut Euch unseren umfassenden Leitfaden an, um alles über SoCs für Smartphones zu erfahren.
Tests, Zertifizierungen und noch mehr Tests
Nachdem der neue Code übermittelt wurde, kann Fairphone damit beginnen, diese Baseline auf seinen Geräten zu implementieren. "Als Hersteller kann ich damit beginnen, diese auf mein Gerät zu übertragen, wobei möglicherweise Treiber umgeschrieben und die Hardware angepasst werden müssen." Bei den vielfältigen Kameras beispielsweise könne es erforderlich sein, die Baseline noch einmal umfassend anpassen zu müssen, erklärt Agnes.
Und weiter: "Dann müssen wir sicherstellen, dass wir alle Anforderungen der Mobilfunkanbieter erfüllen. Jeder Betreiber hat seine eigenen Anforderungen und das ist nicht wirklich öffentlich. Es ist sehr kompliziert. Man muss sicherstellen, dass es keine Verschlechterungen von Android 12 auf Android 13 gibt, zum Beispiel, und wenn es sie gibt, müssen wir entsprechend reagieren."
Um sicherzustellen, dass alles auf der Netzwerkebene läuft, werden überall in Europa große Testkampagnen mit professionellen Testern durchgeführt.
Wenn alles in Ordnung ist, müssen noch zwei Arten von Genehmigungen eingeholt werden: die Zertifizierungen von Google und die Zertifizierungen von den Netzbetreibern.
"Der erste Schritt ist Google. Wir schicken alles an eine Zertifizierungsstelle von Google, die das Update einer Testsuite namens CTS (Compatibility Test Suite) unterzieht. Das sind Hunderttausende von Tests. Wenn auch nur einer davon fehlschlägt, hast Du keine Android-Zertifizierung und kannst das Update nicht bereitstellen."
"Wenn Googles Zertifizierungsstelle sagt, dass alles in Ordnung ist, muss man dann zu den Tests der Netzbetreiber übergehen. Man muss bei den europäischen Netzbetreibern einen nach dem anderen durchlaufen, wobei die größten die anspruchsvollsten sind. Und erst dann kann man das Update 'shippen'. Wenn auch nur eine Sache abstürzt, geht es wieder von vorne los. Es dauert lange, es ist teuer, es ist komplex."
Das Ende der Chip-Unterstützung ist nicht tödlich
Was ich dank der Erklärungen von Agnes Crépet beschrieben habe, ist der "klassische" Prozess, wenn der Smartphone-Hersteller noch über den offiziellen Support des Chip-Lieferanten verfügt.
"Aber der Chip-Support ist nur ein Baustein unter vielen", erklärt Agnes, "wenn Du ihn nicht mehr hast, kannst Du einfach selbst den Weg über AOSP gehen, ohne die Baseline. Und es ist immer noch möglich, gegen Bezahlung etwas mit dem Chipsatz-Hersteller zu machen."
Die Expertin erklärt weiter: "Als wir den Chipsatz für das Fairphone 3 gekauft haben (einen Snapdragon 750), wussten wir, wann der Support ungefähr enden würde. Und bei manchen Chipsätzen, wenn viele Hersteller ihn gekauft und eingebaut haben (was beim SD 750 nicht der Fall war), kann man eine schöne Überraschung erleben und eine Supportverlängerung bekommen."
"Qualcomm bemüht sich zunehmend darum, dass auch bei Nicht-Flaggschiffen der Support stimmt. Und es gibt eine gewisse Transparenz bei diesem Thema, also geben wir dem Chiphersteller nicht die Schuld."
Dass Fairphone die Software-Wartung über den offiziellen Support hinaus auf eigene Kosten vorantreibt, dient laut Agnes vor allem dazu, zu zeigen, dass es möglich ist.
Es ist super teuer, es ist riskant, deshalb machen es nicht alle Hersteller, und für Fairphone ist es viel komplizierter. Wir haben weniger Ressourcen, ich habe nur fünf Leute in meinem Team, also ist es kritischer für uns."
Zwar habe Fairphone im Vergleich zu Samsung oder Xiaomi nicht viele Modelle im Katalog, räumt die Expertin ein. "Aber bei einigen großen Herstellern gibt es manchmal nicht ein einziges Modell, das so lange aktualisiert wird wie unsere Smartphones."
"Wir interessieren uns nicht für die richtigen Kriterien".
Die Software-Haltbarkeit wird ein immer wichtigeres Kaufkriterium. Das gilt nicht nur für mich als Technik-Journalist, sondern auch für mich als Privatperson. Aber bei jeder neuen Produkteinführung bedauere ich, dass es den Herstellern auf grausame Weise an Klarheit und Transparenz in Bezug auf ihre Update-Politik mangelt.
Wenn ich wissen will, wie viele Updates ein Xiaomi-Geräte erhält, habe ich keine offizielle Ressource oder Dokumentation, um diese Informationen zu finden. Samsung spielt den Musterschüler mit einer mehr oder weniger vollständigen Liste der Modelle und ihrer Update-Zyklen. Aber sie geben nicht an, wie oft beziehungsweise wie selten sie ihre Sicherheitspatches im Laufe der Zeit veröffentlichen.
Es gibt das Vorurteil, dass Nutzerinnen und Nutzer ihre Smartphones nach zwei Jahren wegwerfen. Und die Hersteller nutzen diesen nicht unbedingt bewiesenen Umstand als Argument, um ihre mangelnde Software-Haltbarkeit zu rechtfertigen.
Aber das ist eher ein Ergebnis als eine Ursache. Angès verwies mich an eine Studie zur Vorbereitung der europäischen Ecodesign-Richtlinie, die darauf abzielt, die Verschwendung von elektronischen Produkten zu begrenzen und eine bessere Nachhaltigkeit beim Konsum dieser Produkte zu gewährleisten. Sie vertritt Fairphone in der Arbeitsgruppe der Regierung für die Umsetzung der Richtlinie in Frankreich.
In dieser Studie zeigt eine der durchgeführten Umfragen, dass 19 % der europäischen Verbraucher angeben, ein neues Smartphone gekauft zu haben, weil die Software nicht mehr mithalten konnte. Ein anderes Barometer zeigt, dass die Verbraucher im Durchschnitt gerne 5,2 Jahre lang das gleiche Smartphone behalten würden. In Wirklichkeit trennen sie sich jedoch nach 2,7 Jahren davon.
"Das Marketing treibt die Menschen dazu, ihre Geräte zu erneuern, und sie achten nicht auf die richtigen Kriterien", bedauert Agnès, die jedoch alles andere als resigniert ist. "Es kommen europäische Vorschriften, die Mindestanforderungen vorschreiben werden. Die Ecodesign-Richtlinie zum Beispiel sieht vor, dass die Hersteller eine Verpflichtung von fünf Jahren für Sicherheitsupdates und drei Jahren für Funktionsupdates einhalten müssen."
"Aber einige europäische Siegel, wie das deutsche Umweltzeichen Blauer Engel, sehen ein Minimum von sieben Jahren an Sicherheitsupdates und drei Jahren an Funktionsupdates vor."
Und das ist, wie Agnes mich daran erinnert hat, NACH dem Ende des Verkaufs. Verkauft der Hersteller also ein Smartphone ab dem Jahr 2023 über drei Jahre hinweg – wie Fairphone – muss es nach dem Verkaufsende im Jahr 2026 noch fünf weitere Jahre lang auf dem neuesten Stand gehalten werden.
Ein weiterer Pfad der Hoffnung ist die Einbeziehung der Software-Haltbarkeit in den Index der Reparierbarkeit. Dieser Index, der 2021 in Frankreich im Rahmen des Anti-Verschwendungsgesetzes eingeführt wurde, wird zum Nachhaltigkeitsindex werden und die Softwareunterstützung in seinen Kriterien berücksichtigen.
"Du hast die kulturelle Obsoleszenz, aber das betrifft nicht die extreme Mehrheit der Menschen. Es gibt Leute, die ihr Smartphone länger behalten wollen. Aber sie werden gezwungen zu erneuern, weil die Banking-App nicht mehr funktioniert, TikTok [grinst] nicht mehr funktioniert, oder die Oberfläche ein wenig langsamer ist."
Ein letzter Ansatzpunkt für mehr Nachhaltigkeit könnte die Unlockability des Bootloaders sein. Die Tatsache, dass man auf jedem Smartphone ein alternatives Betriebssystem installieren kann, wenn der offizielle Support des Herstellers abgelaufen ist.
Es gibt viele sehr glaubwürdige Alternativen, die von sehr aktiven Gemeinschaften getragen werden. /e/OS, postmarketOS, Ubuntu Touch sind die bekanntesten Beispiele, die Agnes Crépet mir vorgeschlagen hat.
Wie dem auch sei, Fairphone möchte mit gutem Beispiel vorangehen und vor allem andere Hersteller dazu anregen oder sogar inspirieren, mehr Anstrengungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Software zu unternehmen. Diese Philosophie entspricht meiner Meinung nach einem echten Bedürfnis und einem Wunsch der Verbraucher. Ein Wunsch, dem sich Hersteller wie Samsung, Xiaomi und andere anschließen müssen.
Aber ohne das gesamte Gesetzespaket auf EU-Ebene, von dem gerade die Rede war, glaubt Angès Crépet nur wenig an eine Bewusstseinsbildung. Bis der Gesetzesapparat in Gang kommt, liegt es auch an uns, unser Einkaufsverhalten zu ändern. Es liegt auch an mir als Tech-Journalist und Tester, die Nachhaltigkeit stärker in meine Bewertungskriterien einzubeziehen.
Es ist auf jeden Fall ein faszinierendes Thema, das ich gerne für Euch weiter erforschen würde. Wäre das für Euch interessant? Ich würde sehr gerne einige alternative Betriebssysteme testen. Aber auch Anleitungen zur Reparierbarkeit würden mich reizen. Was denkt Ihr darüber? Schreibt es uns in die Kommentare!
Kommentare
Kommentare
Beim Laden der Kommentare ist ein Fehler aufgetreten.