Es ist beinahe ein Jahr her, als meine Tech-KollegInnen und ich während des MWC 2019 regelmäßig um den ominösen überbelichteten Kasten geschlichen sind, in dem Samsung sein noch ominöseres Galaxy Fold der Öffentlichkeit “präsentiert” hatte. Ironie, weil der ganze Glaskasten so konzipiert war, dass weder Auge noch Kamera einen wirklich guten Blick auf den Prototypen werfen konnten. Getreu dem Motto: "Bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen." Ich sah Kollegen und Messe-Besucher, die sich belustigte Blicke zuwarfen. Das Gerät so kurz vor dem Marktstart nicht zugänglich zu machen – skurril. Alles-sagend. Nichts-sagend.
Vor allem am Tag nach der inoffiziellen Vorstellung,wo das Huawei Mate X, das gut inszeniert wurde, greifbar war und sogar in die Hand genommen werden durfte. Die amüsierten Blicke sollten Recht behalten: Samsung war noch nicht so weit wie Huawei, als das Galaxy Fold an hungrige Journalisten verschickt wurde. Das Drama nahm zum Glück nicht die Ausmaße an, die Samsung mit dem Galaxy Note 7 durchgemacht hatte – kein Feuer, keine "Explosionen" –und mittlerweile sind die explosiven Negativschlagzeilen um das Galaxy Fold ebenfalls abgeebbt. Das Galaxy Fold 5G existiert einfach. Und Huawei hatte einfach pures Glück, dass all die Kinderkrankheiten des Mate X erst lange nach der Veröffentlichung all der Lobeshymnen ausgebrochen sind.
Lassen wir uns an der Nase herumführen?
Dennoch: Ich frage mich immer wieder, warum das Wettrennen um die neueste Technologie auf dem Rücken von Konsumenten ausgetragen werden muss. Wo sind die Hersteller, die sich die Zeit nehmen, ein wirklich ausgereiftes Produkt mit Mehrwert zu entwickeln, und in den Verkauf zu schicken? Wie peinlich ist es, wenn das teuerste Smartphone am Markt in Wirklichkeit ein Haufen Schrott ist, der nicht mal den Preis eines Dummies, wie er in der Innenstadt in zahlreichen Provider-Shops zu finden ist, wert ist, weil es einfach nicht dem Alltag standhalten kann?
Huawei, Samsung, Lenovo, LG – sie alle forschen bereits seit Jahren an der Technologie faltbarer Displays und Smartphones. Wirklich viele Jahre, und ich glaube, dass ein unscheinbares Unternehmen namens Royole Ende 2018 mit seinem “OMG, was ist das”-Dellen und Unebenheiten” in einem 1.500-Euro-Smartphone “normal” sein sollen. Und wer zum Teufel kauft so ein Gerät überhaupt?
Negative PR ist auch PR
Ich bin durchaus befangen. Ich bin umgeben von Tech-Liebhabern, die strahlende Augen bekommen, wenn sie auf Messen oder Produktvorstellungen etwas Neues in die Hand nehmen können; über etwas Neues berichten dürfen. Auch ich habe in einer verführerisch sternklaren Nacht über den Dächern von Barcelona das Huawei Mate X befummelt und angehimmelt. Aufgeklappt, zugeklappt. Gestaunt und geglotzt. Aber der Endverbraucher – Ihr – möchtet Ihr wirklich ein faltbares Smartphone haben? Wartet Ihr nur darauf, das Mate X kaufen zu können? Ist der Mehrwert wirklich da oder lassen wir Tech-Journalisten uns durch solche netten Spielereien an der Nase herumführen? Während meiner kurzen Zeit im Boulevard-Journalismus habe ich eines gelernt: Auch negative PR ist PR. Der Spruch lässt sich beliebig adaptieren.
Also wo ist der Hersteller, der den Markt nicht mit faltbarem Technik-Schrott überflutet, und sich Zeit lässt? Geduldig forscht, um das perfekte, ausgereifte Produkt auf den Markt zu bringen? Ich denke, wir alle kennen die traurige Antwort. Aber vielleicht werden wir am 11. Februar ja eines Besseren belehrt.
So, und jetzt Ihr: Teilt Ihr meine Meinung oder findet Ihr das ganze Theater übertrieben?
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