Es hört sich an wie eines der größten Probleme, das es in der Tech-Blase geben könnte. Ein Android-Smartphone, das gänzlich ohne Google-Dienste und –Anwendungen laufen soll. Reine Blasphemie und ein Zustand, der vielen Nutzern offenbar auch nicht schmeckt. Wie eine Umfrage von uns zeigte, sind die meisten Leute nicht dazu bereit, von ihren Google-Diensten zu lassen. Schon gar nicht für ein Alternativ-System, das noch immer mit Startschwierigkeiten zu kämpfen hat. Huaweis HMS-System sollten wir trotzdem noch nicht zu Grabe tragen.
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Google-Schriften: Du kannst nicht haben einen anderen Mobile Service neben mir
Unsere Smartphone-Welt ist im Prinzip recht simpel aufgebaut. Es gibt zwei große Glaubensrichtungen, die ihre eigenen Gemeinschaften um sich scharen: Apple-Jünger und Android-Gläubige. Wer sich nicht in Apples Ökosystem bewegt und an Android-Smartphones gebunden ist, der unterliegt zwangsläufig dem Google-ismus. Und das sind nicht wenig Verbraucher, wenn man bedenkt, dass Android einen Marktanteil von immerhin 72,3 Prozent besitzt unter den weltweit genutzten mobilen Betriebssystemen. (Statista)
Gepredigt wird ein hoher Individualismus mit vielfältigen Möglichkeiten, sein Smartphone den eigenen Wünschen anzupassen. Dies aber auch nur, wenn man der Schrift des gelobten Google Mobile Services (GMS) folgt. Tatsächlich hat Google im Verlauf der letzten Jahre Software Development Kits (SDK) und Application Programming Interfaces (API) entwickelt, mit denen Entwickler leichter Programme und Apps erstellen und mit Google-Diensten verknüpfen können. Ein Beispiel bieten Sharing Dienste, die sich mit Google Maps verbinden, um Euch die Standorte der Fahrzeuge anzuzeigen.
Durch die enge Verzahnung des Ökosystems wird es für einen Hersteller wie Huawei in der Smartphone-Welt aber gleichzeitig fast unmöglich zu konkurrieren. Denn viele der erstellten Apps funktionieren dadurch eben nur noch mit dem monopolisierten GMS. Ein Problem, dem sich auch Huawei durchaus entgegenstellen muss.
Glaubenskrise: Ohne Google wird’s nichts – oder?
Huawei nutzt für seine Smartphones weiterhin das Android-Betriebssystem: Ja. Aber Huawei kann nicht mehr mit der GMS-Plattform arbeiten. Durch das US-Embargo erhält das chinesische Unternehmen keine Google-Lizenzen mehr und sitzt durch die hohe Monopolarisierung von Google-Diensten und –Anwendungen bei Android-Smartphones auf dem Trockenen. Um sich nicht vollständig aus dem Smartphone-Markt zurückziehen zu müssen, arbeitet das chinesische Unternehmen intensiv an seiner bereits bestehenden eigenen Plattform genannt Huawei Mobile Service (HMS).
Was Android-Nutzer vermissen, sind bewährte Google-Dienste wie GMail oder den Play Store. Und auch wenn Huawei bereits bekannte Marken wie TikTok oder Amazon in seiner AppGallery hat, wird es den Umfang des Play Stores nur erreichen, wenn die App Hersteller gewillt sind, ihre Software an Huaweis HMS anzupassen. Hierfür bietet Huawei Entwicklern per HMS Core entsprechende APIs und SDKs, von denen man aber wohl ausgehen kann, dass sie noch lange nicht so ausgereift sind, wie diejenigen, die Google über die letzten Jahre entwickeln konnte.
Bevor wir deswegen aber Huawei abschreiben, sollten wir bedenken, dass wir aus dem Blickwinkel der westlichen Welt schauen. Werfen wir einen Blick auf China, dann stellt sich Huawei durchaus gut. Hier beläuft sich ihr Marktanteil beim Absatz von Smartphones auf immerhin 38,5 Prozent im vierten Quartal 2019 und steht damit deutlich vor Unternehmensgrößen wie Apple, das hier mit einem Marktanteil von 14,4 Prozent abschnitt (Statista).
Betrachten wir es einmal von der kommerziellen Seite, dann fällt es mir schwer zu glauben, dass sich App-Entwickler nur auf rein westliche Märkte orientieren werden. Schon um auf dem östlichen Markt weiterhin Apps vertreiben zu können und so weitere Nutzergruppen zu erschließen, werden einige der bekannteren App-Entwickler mit Huawei ins Geschäft kommen. Und auch Google dürfte nicht gewillt sein, seine bisher vorherrschende Stellung nur noch auf den westlichen Markt zu konzentrieren. Zumal Huawei mit der Neuauflage älterer Modelle zurzeit den US-Bann geschickt umgeht und weiterhin auf dem Smartphone-Markt im Rennen bleibt. Ganz am Ende ist Huawei also durchaus noch nicht.
Letztendlich stellt sich die Frage, wie sich beide Parteien annähern können, um eine Win-Win-Situation trotz US-Embargo zu erzielen.
Das Aufdröseln einer einzigen Smartphone-Religion
Auch mit US-Embargo ist Huawei weiterhin eine Größe, die Google ernst nimmt. Nicht umsonst versuchte das Unternehmen immer wieder Sondergenehmigungen zu bekommen, um Huawei weiterhin Lizenzen ausstellen zu können. Und gerade Huaweis Neuauflagen zeigen, dass sich die chinesische Marke ebenso im Klaren ist, dass im Moment auf dem westlichen Markt ohne Google nichts geht.
Viele Möglichkeiten, wie sie wieder zusammenkommen, haben die beiden Unternehmen wahrlich nicht. So scheint Huawei den US-Bann nicht in naheliegender Zeit hinter sich lassen zu können. Doch selbst wenn dieser Punkt erreicht und Google wieder Lizenzen ausstellen dürfte, ist es fraglich, ob sich Huawei wieder gänzlich der GMS-Religion unterwirft.
Ich gebe zu, ich habe lange darüber nachgedacht, wie diese beiden Größen letztendlich wieder zusammen finden können und muss letztendlich Shu Recht geben. Dieser wies darauf hin, dass beiden Parteien geholfen wäre, wenn GMS quasi als App in der AppGallery angeboten werden könnte. Auf diese Weise könnte Google erste Schritte zurück in den chinesischen Markt mit Huaweis Unterstützung wagen. Gleichzeitig könnte Huawei parallel zu HMS Google Mobile Services nutzen, um so ohne den Play Store zügig für GMS ausgelegte Apps anzubieten. Eine Win-Win-Situation, die mir durchaus sinnvoll erscheint, wären da nicht die US-Behörden im Wege.
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