Schauen wir uns die Tech-Produkte der Gegenwart an. Ob WLAN-Lautsprecher, Bluetooth-Kopfhörer, smarte Lampen oder Smartphones: Alle versprechen großartigen Mehrwert, kosten aber auch entsprechend viel Geld. Kaum ist ein Gerät smart, wird es um Größenordnungen teurer als sein vermeintlich dummer Vorgänger. Doch diese Smartness hängt ganz von dem Wohlwollen des Herstellers ab; das in etlichen Fällen gar nicht existiert.
Osram gab diese Woche bekannt, seine smarten Lightify-Leuchten per Server-Abschaltung wieder dumm zu machen (Golem berichtete). So genannte Smart-TVs bekommen in der Regel zwei Jahre nach Markteinführung keine Software-Updates mehr und verblöden ebenfalls (David Pierce kommentiert im WSJ, Paywall). Sonos wollte alte Lautsprecher nicht mehr mit Updates versorgen und geriet in die Kritik (wir haben berichtet).
Ich kann verstehen, dass für Geräte-Hersteller die Wartung der Software alter und neuer Produkte viel Aufwand bedeutet und dieser nicht für immer wirtschaftlich ist. Ich kann aber nicht verstehen, dass sie dies nicht von Anfang an klar kommunizieren. Daher freue ich mich, dass immer mehr Organisationen beim Gesetzgeber diesbezüglich Druck machen.
Florian Stößel, Referent im Team Recht und Handel des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes erklärt uns dazu:
"Generell müssen smarte Geräte so lange halten, wie das vom Verbraucher berechtigterweise erwartet wird – ihre Lebensdauer darf nicht auf der Software-Ebene künstlich verkürzt werden. Zumindest muss von vorneherein klar sein, wie lange ein Gerät, das ich im Handel erwerbe, mindestens noch mit Updates versorgt wird."
Verkauft uns nichts, das wir gar nicht kaufen können
Der Haken an dem bisherigen Geschäftsmodell mit smarter Hardware ist, dass wir die Produkte kaufen, aber gar nicht richtig besitzen können. Denn würde ich ein Smartphone wirklich besitzen, könnte ich ein beliebiges Betriebssystem (auch normales Linux) aufspielen oder den Akku austauschen, ohne meine Ansprüche auf Gewährleistung zu verwirken.
Louis Rossmann erklärt auf YouTube, dass wir Verbraucher einst all diese Rechte hatten, die Industrie sie uns aber peu à peu nahm. Einst lagen Computern und Fernseh-Apparaten umfangreiche Schaltpläne bei, damit wir sie im Zweifelsfall selbst mit preiswerten Standard-Ersatzteilen reparieren konnten. Heute weiß nicht einmal die Regulierungsbehörde, was im Innern eines Smartphone-Chipsatzes vorgeht.
Das Ärgerliche bei der Sache ist, dass Hersteller sich das exklusive Wartungsrecht für ihre Produkte gesichert haben. Kommt Tag X, gibt es keine Ersatzteile (etwa für das gesprungene Display) und keine Software-Updates mehr. Will der Käufer die Funktionalität weiter genießen, muss er das Produkt durch ein neues ersetzen.
Warum habe ich das Produkt dann überhaupt gekauft?
Wenn wir also ohnehin in regelmäßigen Abständen das Gerät ersetzen müssen, warum haben wir es dann überhaupt erst gekauft? Beziehungsweise, warum wurde es uns verkauft? Hätte man es uns stattdessen nicht einfach vermieten können?
Denn schaue ich mir die aktuellen Praktiken bezüglich Ersatzteile und Software an, wäre diese Form der Verwertung die ehrlichere. Wenn mir ein Hersteller auch nach dem Kauf noch Vorschriften macht, wie ich das Gerät zu benutzen habe, dann hat er es mir nicht verkauft sondern nur die vorübergehende Nutzung erlaubt.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Der Clou an der Miet-Lösung wäre, dass Nutzer nicht nur in regelmäßigen Abständen (also eigentlich wie jetzt auch) neue Geräte bekommen. Hersteller hätten so auch die Probleme mit Legacy-Hardware gelöst. Da Miet-Kunden im Durchschnitt deutlich jüngere Hardware haben, gestaltet sich die Versorgung mit aktueller Software übersichtlicher.
Die Logistik von Reparaturen könnte auch vereinfacht werden: Kunden erhalten unverzüglich ein (vielleicht gebrauchtes) Ersatz-Gerät und das defekte Modell kann an zentraler Stelle repariert werden.
Vor allem verbessert sich die Situation beim Elektroschrott. Denn bisher landen viele alte Elektrogeräte nicht fachgerecht bei der Abgabestelle, sondern im Hausmüll – oder sie verstauben in Schubladen. Mietsysteme animieren Nutzer, Produkte zum Hersteller zurückzusenden. Der wiederum ist dazu animiert, möglichst viele Teile und Wertstoffe weiterzuverwenden oder zurückzugewinnen.
Das gibt es doch schon
Blicken wir in deutsche Stuben, sehen wir dutzende Beispiele. Set-Top-Boxen und Router werden schon jetzt in großen Stückzahlen nach dem oben beschriebenen Modell vermietet. Der holländische Fahrrad-Vermieter Swapfiets holt das Modell auf unsere schmaler werdenden Radwege. E-Scooter würde ohne die Miet-Systeme fast niemand fahren (dasselbe gilt dank WeShare wahrscheinlich auch für den e-Golf).
Portale wie Grover oder Fonlos holen das Modell in die Technikwelt. Doch noch sind sie eine Nische. Könnt Ihr Euch vorstellen, dass sich ihre Modelle durchsetzen? Oder haltet Ihr die Liebe zum Besitz – oder zur Illusion davon – für stärker?
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