Aufgetaucht war der angebliche Leak zuerst bei der indischen Tech-Seite Tizen Help und fand von dort aus am 9. Juni durch amerikanische Seiten wie Android Central und Android Authority internationale Beachtung. Der Inhalt des Leaks: Samsung plant womöglich, in Version 2.5 seiner OneUI-Oberfläche Werbe-Overlays auszuspielen. Auf dem Screenshot der an ein Galaxy S20 erinnert, wird der Startbildschirm durch eine Anzeige mit 15-Sekunden-Timer blockiert.
Zum Hintergrund von Tizen Help: Der indische Tech-Blog hat wenige Referenzen aufzuweisen und wird von zwei Unbekannten in der Technosphäre betrieben.
Werbeanzeigen in OneUI 2.5: falsches Gerücht teilweise entlarvt
Stellt Euch eine Anzeige vor, die Euch daran hindert, Euer Smartphone zu entsperren, wenn Ihr sie nicht anklickt oder 15 Sekunden wartet, bevor sie verschwindet. Ist das der Weg, den die Welt jetzt geht? Besonders wenn man bedenkt, dass Samsung-Smartphones für über 1.300 Euro verkauft werden und dass OneUI eine der beliebtesten Android-Oberflächen auf dem Markt ist?
Logischerweise wurde die Tech-Sphäre aufgemischt – aber wie die Samsung-Website SamMobile zeigt zu unrecht. Was für so gewaltigen Wirbel sorgte, war nämlich zunächst schlicht und ergreifend ein Witz in Samsungs koreanischem Forum. Wie eine umgekehrte Google-Suche des vermeintlichen Leak-Bilds zeigt, geht die Kontroverse auf eine Diskussion auf eine Anzeige in Samsungs einheimischer Wetter-App zurück.
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Auf den beiden – authentischen – Screenshots links und in der Mitte ist jeweils eine Bannerwerbung auf dem Startbildschirm der Wetter-App zu sehen. Die Diskussion selbst zielte dann darauf ab, ob diese Anzeige direkt von Samsung geschaltet wurde oder nicht. Denn die Firma "Weather News", die Samsung Wetterdaten für ihre App zur Verfügung stellt, könnte diese Werbung durchaus selbst integriert haben.
Wie auch immer: Dieser spezielle Fall einer koreanischen Anzeige in der koreanischen Wetter-App eines koreanischen Samsung-Smartphones ist kein Fake. Der von der US-amerikanischen und europäischen Presse so stark geteilte Fake-Screenshot rechts im Bild war nur als Parodie gedacht. Und so wurde aus der Karikatur des Werbe-Faux-pas in der Wetter-App, ein Fall von "Lost in Translation".
Die Beschreibung des Fake-Leak-Bilds enthält übrigens auch den Zusatz "예시", was laut Google Translate wörtlich übersetzt "Beispiel" bedeutet.
Ein falsch übersetzter Witz voller Bedeutung
Ja, SamMobiles Bericht und der Ursprung des Screenshots machen es deutlich: Falscher Alarm, es war eine Ente. Fakt ist jedoch, dass andere Hersteller Anzeigen in nativen Apps ihres Betriebssystems unterbringen.
Xiaomi macht das schon seit Langem auf seinen Smartphones, auch wenn einige Länder von diesem Geschäftsmodell vorerst verschont bleiben. Und obwohl man gezielte Anzeigen auf Android deaktivieren kann, wie der XDA-Journalist Max Weinbach am Dienstag auf Twitter bemerkte, "kann man das Tracking deaktivieren, aber die Anzeigen sind immer noch da".
And before someone says "wElL yOu CaN dIsAbLe ThEm In SeTtInGs"
— Max Weinbach (@MaxWinebach) June 8, 2020
NO YOU CAN'T. You can disable tracking but the ads ARE STILL THERE. Once again, Samsung SHOULD NOT have ads in ANY stock apps.
Diese Praxis erlaubt es den Herstellern, ihre Smartphones auf zweitem Wege zu monetarisieren und damit den Preis drastisch zu senken. Die erwähnten Xiaomi-Smartphones erreichen womöglich erst so eines der besten Preis-Leistungs-Verhältnisse auf dem Markt. Und auch Amazon verfolgt das Geschäftsmodell bereits seit längerem mit seinen Geräten der Kindle-Reihe.
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"Wenn ein Produkt kostenlos ist, sind wir das Produkt", wir alle kennen dieses Sprichwort, das mittlerweile alltäglich geworden ist. Diese Logik trifft jedoch auf Freemium- oder Gratismodelle im Web zu, die sich ausschließlich auf Werbung oder die Monetarisierung von Benutzerdaten stützen, um zu überleben.
Wir sprechen hier jedoch nicht über Candy Crush, sondern über fertige Produkte. Über Smartphones, für die man einen hohen Preis zahlt. Diese Art und Weise, um ein Produkt überhaupt erst profitabel zu machen – zusätzlich zum Kaufpreis wohlgemerkt – erschreckt mich! Es sollte keine Werbung in mitgelieferten Android-Smartphone-Anwendungen geben. Und diesem Hype sollte nicht mit Preiserpressung begegnet werden à la: "Ihr wollt ein billigeres Smartphone? Dann müssen wir die entgangenen Einnahmen mit Werbung ausgleichen".
Ein Smartphone wird an der Kasse bezahlt, Punkt!
Eine ebenso perverse Logik ist der Plan von Apple, der diese Woche enthüllt wurde. Demnach sollen Inhaber einer Apple Card zinslose Darlehen erhalten, um neue iPhones oder Macs zu kaufen. Natürlich: Das kann man als nette Initiative aus Cupertino sehen, um seinen Kunden Bankgebühren und Zinsen zu ersparen.
Meiner Meinung nach ist das Ziel aber, möglichst viele Menschen dazu zu bringen, ein Smartphone für 1.000 Euro zu kaufen – und gleichzeitig einen Banking-Dienst zu verbreiten, für den sich viele Kunden sonst nie angemeldet hätten. Ich schweife ab und schließe besser diese Klammer.
Die intensiven Reaktionen auf dieses falsche Gerücht von OneUI-2.5-Anzeigen haben ein Gutes: Sie erinnern uns daran, dass ein echter Mangel an Kontrolle über Produkte herrscht. Über jene Produkte, die wir teuer bezahlt haben, und die wir daher von Rechts wegen besitzen sollten, ohne dass wir Werbung ertragen müssen.
Diese Praxis macht keinen Sinn. "La gratuité, ça se pair" (was übersetzt soviel bedeutet wie: "Kostenloses hat seinen Preis", auf Deutsch) – das war der Titel meiner Master-Arbeit über die Monetarisierung kostenloser Online-Medien durch Werbung. Aber ein Smartphone sollte nur an der Kasse bezahlt werden, nicht durch Banner.
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