Da, es ist raus, fühlt Ihr Euch jetzt besser? Können wir weitermachen? Denn anders als über den Preis, sollten wir bei Apples neuen Over-Ear-Kopfhörern lieber mal über was ganz anderes reden.
Denn nicht der Preis, sondern dass Apple überhaupt hochpreise Over-Ear-Kopfhörer auf den Markt gebracht hat, ist problematisch. Die Kopfhörer-Neuigkeiten aus Cupertino hat die Menschen, das ist wirklich keine Überraschung, zum Reden gebracht.
Wie bei jedem Bekanntwerden eines neuen Apple-Produkts treten die gleichen Phänomene auf. Es gibt die immergleichen Aufschreie der Apple-Gegner, die im gleichen Satz Preis-Leistungs-Alternativen empfehlen und die ohnehin erstmal immer dagegen, statt dafür sind. Dabei sind sie sich ganz sicher, die einzigen zu sein, die sich nicht von von den Marketing-Tricks des bösen Apple blenden lassen. Damit das klar ist, von dieser Gruppe distanziere ich mich voll und ganz.
Aber beruhigt Euch, ich werde einen Teufel tun und auf keinen Fall versuchen, den Preis der Max AirPods von SECHSHUNDERT EURO zu verteidigen! Bei einem nicht-HiFi-Headset ist dieser Preis einfach nicht gerechtfertigt. Aber ist das wirklich eine Überraschung? Seid Ihr wirklich hinten über geschlagen, als Ihr diesen Preis gesehen habt? Natürlich nicht.
Die Apple AirPods Max sind zu teuer, wir kennen das Lied
Seit Jahren überschlägt sich die Technikbranche immer wieder selbst, wenn sie jedes Jahr die lächerlich hohen Preise kritisiert, die man dafür zahlt, von Apples unantastbarem Benutzererlebnis Gebrauch machen zu dürfen. Zumindest ist das bei den meisten Mainstream-Journalisten und Verbrauchern der Fall. Ich meine diejenigen, die nicht das Glück haben, ein farbenfrohes Büro voller Philips Hue zu haben, und deren Einrichtung mehr als meine drei Monatsmieten kostet.
Ich bin ja selbst seit langem fasziniert von der Fähigkeit Apples, die Budgetgrenzen seiner Kunden immer weiter zu sprengen. Und von der Fähigkeit, die Käufer immer wieder von den Vorteilen zu überzeugen, egal was sie beim neusten Gadget sein mögen. Das ist ein echtes Kunststück, das auch sicher viele Android-Hersteller sicher gerne beherrschen würden, auch wenn sie sich sonst eher als Antithese zu Apples Edelprodukten positionieren.
"Ooh, Antoine, ganz ruhig. NextPit ist nicht Dein Tagebuch", hätte ich mir selbst gesagt, wenn ich in der Vergangenheit meine Wut über Apples Preise in einen dieser Meinungsartikel hätte schreiben sollen. Es schien unangebracht, aber bis vor wenigen Tagen war mir die Preispolitik von Apple auch noch völlig egal.
Und ich spreche nicht von der Art vorgetäuschter Gleichgültigkeit, die man seinen Kumpels vorspielt, wenn man zum dritten Mal in Folge ein FIFA-Match mit 5:0 verliert. Oder von der Art, bei der man versucht, seinen verletzten Stolz zu verstecken, nachdem man aus einer Bar geflogen ist. Nein, ich spreche von einer solchen Gleichgültigkeit, dass, wenn ich eine gerade Linie auf ein leeres Blatt Papier zeichnen müsste, sie ziemlich genau meinem EKG während der Ankündigung der AirPods Max entsprechen würde: ----------------------------------------------------
Aber wen kümmert der Preis der AirPods Max überhaupt? Ich bleibe bei meiner vorigen These, dass er im Prinzip nichts Besonders ist. Denn wer unter Apples eifrigsten Gegner hätte diese Kopfhörer überhaupt gekauft, auch wenn sie günstiger gewesen wären? Und wer von denselben Kritikern hätte den Anstand und wäre ehrlich genug, Apple-Produkte bei einem plötzlichen Preisabfall auf einmal gut zu finden? Sicherlich nicht viele Leute. Das günstige iPhone SE 2020 oder das ebenfalls günstige iPad 8 sind der Beweis dafür.
Ich denke, es sind ohnehin schon Apple-Nutzer, die sich für den Kauf der AirPods Max entscheiden. Oft als Schafe belächelt, sind die große Mehrheit von Ihnen technikbegeisterte und vernünftige Verbraucher. Ich kenne viel mehr aufgebrachte Android-Fanatiker! Gar keine große Überraschung, gibt es Extremfälle immer auf beiden Seiten.
Diese Verbraucher, die alles lieben, was Apple produziert und die auch diese Kopfhörer kaufen werden, mussten ihre Verbundenheit mit der Marke noch nie so sehr in Frage stellen, wie nach der Ankündigung der AirPods Max. Sie sind diejenigen, die Apples Entscheidungen kritisieren sollten.
Die Preise von Apple sind zwar alle hoch, aber nicht immer ungerechtfertigt
Ich möchte genau diese Apple-Benutzer aufrütteln und sie dabei weder beleidigen, noch anfeinden. Ich bin weder Anti-Apple, noch Pro-Apple. Und ich habe schon lange verstanden, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Kauf eines Apple-Produkts nicht an erster und auch nicht an zweiter, dritter oder vierter Stelle steht.
Trotz allem, und besonders in Deutschland, wo Geld stets ein Tabuthema ist, müssen wir unsere Käufe immer auch vor anderen und der Gesellschaft rechtfertigen. Vor allem dann, wenn alle wissen, wie teuer ein Produkt ist. Man muss sich selbst davon überzeugen, und immer auch andere, dass man einen profitablen oder zumindest einen klugen Kauf getätigt hat und sich nicht hat übers Ohr hauen lassen. Eine intellektuelle Gymnastik, die Apple-Fans häufiger leisten müssen, als andere Technikbegeisterte.
Für das die Android-Konkurrenz immer wieder übertrifft. Oder die Einfachheit von Apple iOS, das zwar nicht so vollständig und vielseitig ist wie Android, aber den Vorzug hat, dass es mit dem jedem Erscheinen neuer Apple-Smartphones optimiert wird und lange unterstützt wird.
AirPods hingegen haben einen Trend und vor allem ein Format eingeführt, das von vielen Herstellern übernommen wurde und eine Produktpalette marktreif gemacht hat, die noch vor etwas mehr als drei Jahren nur eine Nische war. Die AirPods und ihre Pro-Version sind nicht mehr die besten True-Wireless-Kopfhörer, die heute auf dem Markt erhältlich sind, aber sie sind nach wie vor eine ultrasolide Referenz und die beste Wahl, wenn Ihr ein iPhone nutzt.
Ich könnte auch ein Loblied auf die Apple-Uhren singen, die dank WatchOS den meisten anderen Smartwatches einen Schritt voraus sind. Aber Ihr versteht, worauf es mir ankommt. Für jedes Apple-Produkt gibt es mindestens ein stichhaltiges Argument, das es in den Augen eines Markenenthusiasten rechtfertigt, einen höheren Preis als für die Konkurrenz zu zahlen. Und das ist auch vollkommen in Ordnung!
Aber das bei den AirPods Max wirklich der Fall? Nicht mehr als das der Vierer-Satz an neuer Bereifung für den Pro-Mac für 600 Euro oder der Pro-Stand für Apples Bildschirm für 1.000 Euro.
HiFi ist nicht nur ein Marketing-Begriff
Dies ist nicht das erste Mal, dass Kopfhörer für mehr als 600 Euro verkauft werden. Sennheiser und Sony bieten Kopfhörer im Hi-Res-Markt an, die über tausend Euro kosten. Andere Marken, die sich audiophilen Menschen widmen, beispielsweise Rosson oder Focal, zögern nicht, noch astronomischere Summen zu verlangen.
Sogar im Bereich der Unterhaltungselektronik wurde der Montblanc MB01 Kopfhörer, den ich getestet habe, bei seiner Markteinführung für 595 Euro verkauft. Gleichzeitig sind die Shure Aonic 50 Kopfhörer, die ich ebenfalls getestet habe, auf dem Papier viel leistungsfähiger als die AirPods Max und wurden für 400 Euro verkauft.
Und das ist irgendwie das Problem mit den AirPods Max. Auf dem Papier hat dieses Headset in seinem Datenblatt nichts Spektakuläres, das seinen Preis rechtfertigen würde. Die AirPods Max verfügen über dieselbe adaptive Entzerrung, aktive Rauschunterdrückung, denselben Transparenzmodus und räumlich abgestimmten Ton wie die AirPods Pro sowie über den H1-Chip und die digitale Krone der Apple Watch.
Was ist hier das Killer-Feature? HD-Audio-Codecs? Wir können oder "dürfen" es nicht wissen, da die von Apple angegebenen technischen Details wie immer bedeutungslos sind. Im Ernst, ich habe in der Grundschule einige weniger rätselhafte Gegenargumente zum Besten gegeben. Der AAC-Codec (der nicht von Apple erfunden wurde) hat einige Vorzüge, da er recht wenig Energie verbraucht, er bleibt aber ein "verlustbehaftetes" Format, das das Signal komprimiert. Höchstwahrscheinlich wird es das Format sein, das Apple in seinen AirPods Max verwenden wird - AptX bringen die iPhones ab Werk ohnehin nicht mit.
Hinzu kommt die Tatsache, dass Apple Music, DER Service, der als Verkaufsargument für AirPods Max hätte dienen können, Hi-Res-Streaming nicht anbietet. Warum dann überhaupt ein angeblich audiophiles Headset auf den Markt bringen?
Alles, was wir wissen, ist, dass die AirPods Max "einen von Apple entwickelten dynamischen 40-mm-Treiber besitzen, der satte, tiefe Bässe, präzise Mitten und einen sauberen Hochton-Frequenzbereich liefert, sodass jede Note gehört werden kann".
Daran ist nichts wirklich innovativ und es klingt eher wie etwas, das ein Marketing-Praktikant, der noch nie in seinem Leben ein Audioprodukt angefasst hat, schreiben würde, um seinen Arbeitgeber zufriedenzustellen. Wow, Apples Kopfhörer bieten eine Audiosignatur, die den Klang über den gesamten Frequenzbereich wiedergibt. Glücklicherweise handelt es sich hierbei nicht um ein Feature, sondern um eine Voraussetzung für jedes Audioprodukt, das diesen Namen verdient.
Also lasst es mich noch einmal zusammenfassen:
Wir haben ein "audiophiles" Headset, das a priori keinen HD-Audio-Codec bietet. Die meisten Benutzer kennen aber ohnehin nicht den Unterschied zwischen SBC, AAC, aptX (HD) oder LDAC, da sie ihre Musik in MP3, einem bereits sehr deutlich komprimierten Format, hören.
Wir haben ein proprietäres, "audiophiles" Headset, dessen proprietärer Musik-Streaming-Dienst keine hochauflösenden Titel anbietet. So oder so, den meisten Benutzern ist es egal, da sie ihre Musik über Spotify hören, das in MP3, einem bereits stark komprimierten Format, streamt. Und nein, es hindert Euch nichts daran, Eure eigenen Titel in CD-Qualität auf Euer iPhone zu importieren - aber wer macht das?
Wir haben ein "audiophiles" Headset, das keinen manuellen EQ, sondern einen adaptiven EQ bietet, der bereits in den vor einem Jahr erschienenen AirPods Pro erhältlich und die dreimal billiger sind.
Ich denke, ich kann hier aufhören. Das wirkliche Problem mit den AirPods Max ist nicht der Preis. Das eigentliche Problem ist das Versprechen von Apple, ein HiFi-Headset zu liefern, das ein High-Fidelity-Erlebnis mit "der Magie der AirPods" bieten soll.
Meine Augen bluten, wenn ich solchen Unsinn lese. Ich hoffe, dass ich die AirPods Max testen kann und dann nicht auch noch aus den Ohren bluten muss.
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