Casa Casi, Folge 4: Kann Deutschland Digitalisierung?

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Wieder treffen Fabi und Casi beim Italiener ihres Vertrauens zusammen. Heute quatschen sie beim Essen über die Digitalisierung in Deutschland in einer neuen Podcast-Folge von Casa Casi, unserem wöchentlichen Tech-Auflauf.

Hach, es gibt einen wunderbaren Volkssport in Deutschland, bei dem jeder mitmachen kann und für den man weder trainieren noch irgendwas können muss: Dieser Volkssport heißt "Regierung beschimpfen" und das Fabelhafte daran ist, dass man die Regierung einfach für alles beschimpfen kann, egal ob es berechtigt ist oder nicht: Dafür, dass sie zu spät Impfstoffe, Masken und Tests besorgt hat, dafür, dass der Lockdown zu hart oder zu soft war, für zu lasche Klimaziele, zu hohe Mieten, zu viel Regen, zu laute Nachbarn und zu wenig Digitalisierung. 

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Natürlich halte ich dieses ständige Empören und Echauffieren nicht wirklich für einen "wunderbaren Volkssport", sondern für ein zusätzlich grassierendes Virus, das uns schon vor Covid-19 heimsuchte. Nichtsdestotrotz haben wir uns für eine neue Folge unseres NextPit-Podcasts Casa Casi einen dieser Vorwürfe an die Regierung herausgepickt und die Frage gestellt: Verschlafen wir in Deutschland die Digitalisierung? Spoiler-Alarm: So ganz auf einen gemeinsamen Nenner kamen wir dabei heute nicht! 

Meanwhile woanders in Europa

Lasst uns mal kurz nach Osteuropa schauen ins kleine Estland. Nicht mal eineinhalb Millionen Einwohner hat dieses unglaublich fortschrittliche Land. Diese Größe sollte man im Hinterkopf behalten, denn natürlich macht das ein Land beweglicher als das vergleichsweise schwerfällige Deutschland mit 83 Millionen Einwohnern. Dennoch ist es mehr als bemerkenswert, was dieses Land auf die Beine stellt. 

Beispiel Internet: Seit dem Jahr 2000 (!) garantiert der Staat seinen Bürgern Internet. Es gibt quasi ein flächendeckendes Netz mit WLAN-Hot-Spots, so dass ihr Euch nahezu überall (Netzabdeckung 99 Prozent) kostenlos einloggen könnt. Es gibt Hunderte öffentliche Terminals, die ebenfalls gratis einen Zugang zum Netz gewähren, für den Fall, dass jemand kein Smartphone oder Notebook besitzt. 

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Alle Schulen sind online (seit vielen Jahren schon), es wird seit Jahren digital gewählt und die Steuererklärung macht man auch online – dauert fünf Minuten. Was die Digitalisierung angeht, will Estland längst die nächste Stufe zünden. Die sieht vor, dass die Bürger viele ihrer Behördengänge nicht mehr digital erledigen müssen, weil diese dann automatisiert funktionieren!

Kommt dort ein Kind zur Welt, wird es direkt vom Krankenhaus an die Behörden gemeldet. Krankenversicherung, Kindergeldzahlungen und alles weitere wird automatisch initiiert, ohne dass die Eltern einen Finger krumm machen müssen. Dass die Behörden solche Dienste von sich aus anschieben, statt auf Anträge abzuwarten, minimiert den Arbeitsaufwand und die Kosten. 

... und hier so?

Ein Text über Digitalisierung in Deutschland und bislang haben wir noch mit keinem Wort über den tatsächlichen Stand hierzulande gesprochen? Ja, klar – denn ich muss Euch ja nicht wortreich Beispiele geben für eine verpennte Digitalisierung unter der CDU-geführten Regierung, weil wir es alle überall selbst sehen, dass es an so vielem mangelt. Fairerweise muss man dazu sagen, dass wir schon in den Achtzigern angefangen haben, die Digitalisierung zu verkacken, was bedeutet, dass Rot-Grün zwischendurch diesbezüglich auch keine wirkliche Wende einläuten konnte. 

Im Podcast sprechen wir u.a. über unseren damaligen Postminister Christian Schwarz-Schilling. Wer Bock hat, kann sich mal durch alte Berichte aus den Achtzigern lesen und wird feststellen, dass es diese merkwürdigen CDU-Kungeleien nicht erst seit irgendwelchen Masken-Affären dieser Tage gibt. Damals, früh in den Achtziger Jahren wurde die Entscheidung getroffen, ob Deutschland auf Glasfaser setzt oder aufs gute, alte Kupferkabel. 

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Nur Stunden, bevor Schwarz-Schilling als Postminister vereidigt wurde, verhökerte er noch schnell seine Beteiligung an der "Projektgesellschaft für Kabel-Kommunikation", kurz: PKK, an Nixdorf. Diese setzte auf Kabelfernsehen und Kupferkabel, nicht auf die zuvor von Helmut Schmidt präferierte Glasfaser. Kurz danach wurden dann in der Regierung die Weichen gestellt. Kupfer statt Glasfaser – die Folgen davon baden wir heute noch alle aus. 

Das zieht sich leider wie ein roter Faden durch unsere Digitalisierungs-Geschichte. Egal, ob es um die Versteigerung der Lizenzen (LTE ebenso wie jüngst 5G) geht, wo wir stets äußerst spät dran waren, um den Breitbandausbau, um die digital immer noch zurückgebliebenen Behörden, schlecht ausgestattete Schulen oder welchen Bereich auch immer: Deutsche Regierungen sind entweder stets souverän falsch abgebogen oder haben sich einfach überhaupt nicht bewegt, statt Dinge anzuschieben.

Sascha Lobo hat dazu bereits 2019 einen sehr passenden Text geschrieben, und wenn Ihr noch nicht schlecht genug gelaunt seid, könnt Ihr gerne auch noch in folgenden Videoclip reinschauen, der das Dilemma aufbröselt, wieso unser Netz gleichzeitig teuer und langsam ist. 

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Hoffnungsschimmer?

Vermutlich könnte man noch stundenlang Belege niederschreiben, die die mangelhafte Digitalisierung in Deutschland dokumentieren. Aber das ist nicht nur langweilig und zeitaufwändig, sondern auch schrecklich destruktiv. Wir haben auch in dieser Folge des Podcasts zwischendurch wenig Erbauliches in Sachen Digitalisierung erzählt, aber wir wollen Euch ja jetzt nicht ganz deprimiert im Regen stehen lassen. 

Immerhin gibt es auch genügend Belege dafür, dass sich die Dinge zwar langsam, aber eben doch merklich in die richtige Richtung entwickeln. Wir sprechen über die Agentur für Arbeit, die mich im letzten Jahr sogar positiv überraschte, über die immer besser gelingende Digitalisierung bei der Post und finden also diese Lichtblicke, die einen davon abhalten, lachend in eine Kreissäge rennen zu wollen. 

Ich darf nicht an Kanzlerkandidat Laschet denken, der jetzt schwer auf Digitalisierung macht und dann in derselben Pressekonferenz verdeutlicht, dass er das Thema nach wie vor nicht durchdrungen hat. Stattdessen hoffe und vertraue ich darauf, dass diese GroKo-Durststrecke nun endgültig zu Ende geht und wir ab September eine wie auch immer zusammengesetzte Regierung mit einem klaren Kurs vorfinden, der sehr genau auf die Finger geschaut wird. 

Das gilt dann für Themen wie die Post-Pandemie und den Klimaschutz, aber ganz sicher auch für die Digitalisierung. Deswegen ziehe ich mich jetzt an diesen kleinen Hoffnungsschimmern hoch und vertraue darauf, dass Deutschland wie öfter zuletzt – Pandemiebekämpfung, Klimawandel, Elektromobilität, you name it – zwar schwer in Bewegung kommt, dann aber eben doch viele richtige Entscheidungen trifft und das Feld von hinten aufrollt. 

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Mahlzeit!

Genauso rumpelig wie der deutsche Weg zur Digitalisierung war auch unser Talk in der Casa Casi bei diesem Thema. Während ich gerne auf die Regierung einprügeln wollte, war Fabi etwas besonnener und hat auch uns Bürger und die Industrie mit in die Verantwortung genommen. Wer da nun Recht behält oder die besseren Argumente gebracht hat, wird sich zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht endgültig klären lassen.

Aber was sich vielleicht klären lässt, ist Eure Sicht auf die Dinge. Seid Ihr bei dem Thema auch so desillusioniert wie ich es streckenweise bin, oder habt Ihr gar nicht das Gefühl, dass hier so viel verkehrt gelaufen ist? Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr nicht nur unsere heutige Folge unseres kleinen Podcasts hört, sondern uns in den Kommentaren auch Eure Meinung zum Thema dalasst. Auch im Poll könnt Ihr uns anzeigen, ob Ihr in diesem ungeplanten "Slack-Fight Live" eher Richtung Fabis Meinung tendiert – oder eher meiner Argumentation folgt:

Wer hatte zum Thema Digitalisierung in Deutschland die besseren Argumente?

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ABSTIMMEN!

Gerne könnt Ihr uns übrigens auch erzählen, ob wir uns Themen wie diesem, welches sowohl in diesem Artikel als auch im Podcast ja nur leicht angekratzt wurde, auch auf dieser Seite öfter widmen sollen, oder ob Ihr davon lieber gar nichts lesen wollt. Ach, und wenn Ihr Euch Themen vorstellen könnt, die Ihr gerne im Podcast von uns besprochen hättet, teilt uns das ebenfalls mit. 

Bis dahin hoffen wir, dass Ihr uns auch weiterhin die Treue haltet, weiter zuhört, fleißig abonniert und teilt. Hier sind die Links, die Ihr braucht: 

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