IFA 2023: nix flashiges Gadget-Feuerwerk
Nicht nur die IFA, auch andere Messen haben sich gewandelt, etwa der MWC in Barcelona oder die CES in Las Vegas. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als man es als Journalist kaum von einer Highlight-Pressekonferenz zur anderen schaffte. Als zwischen den neuen Smartphone-Krachern von Samsung, Huawei, HTC und LG nur wenige Minuten Zeit blieben, die News irgendwie herunterzutippen – oder die idealerweise kurz vorher hastig produzierten Hands-ons zu veröffentlichen.
Es gab Zeiten, da luden Hersteller in Las Vegas die Influencer zu Supercar-Ausflügen in die Wüste oder Helikopterflügen in den Grand Canyon ein. Dass die Konkurrenz zur gleichen Zeit ihre Pressekonferenz hatte? So ein blöder Zufall aber auch. Es war ein harter Konkurrenzkampf, und es wurden alle Register gezogen.
Damit ist inzwischen Schluss.
Klar, Honor hatte auf der IFA eine großangelegte Pressekonferenz zum Magic V2 (zum Vorab-Test), die noch einigermaßen vor Glamour triefte. Die meisten anderen Highlights wurden recht unprätentiös einfach am Pressetag direkt am Hersteller-Stand vorgestellt, etwa der Dreame L20 Ultra (Test), der Jackery Solargenerator 300 Plus (Test) und Solargenerator 1000 Plus, der Anker Mach R1 oder die Waschmaschine von Roborock.
Zur tragbaren Spielekonsole Lenovo Legion Go (zum Kurztest), den neuen JBL Soundgear Sense (Kurztest) oder dem neuen Überwachungssystem von Philips Hue gab es zwar eigene Events, allerdings hinter verschlossenen Türen und ohne mediales Live-Feuerwerk. Auch Sony zeigte auf der IFA hinter verschlossenen Türen das Xperia 5 V (zum Kurztest), ist aber 2023 nicht einmal mit einem Publikumsstand vor Ort. Nur zur Erinnerung: Sony hatte früher traditionell eine riesige Halle nur für sich und seine Produkte!
Rekordverdächtige Ausstellerzahl mit zwei klaren Trends
Aber bei 2.059 Ausstellern im Jahr 2023 (2019: 1.939 Aussteller) stehen Halle 4.2 oder 20 und auch die restlichen Hallen natürlich nicht leer – statt Sony Alpha, Playstation und Xperia finden wir hier zunehmend Produkte aus den Bereichen Smart Home, Smart Garden und Energie. Halle 3.2 beispielsweise fühlt sich mit EcoFlow, Bluetti, Growatt & Co. an wie eine Mini-Intersolar. Zendure hatte hier mit der Shelly-Partnerschaft auch eine aufregende News im Gepäck, die die Balkonkraftwerke in naher Zukunft noch einmal smarter machen dürfte. Aber dazu lest Ihr bald an anderer Stelle mehr.
Viele Hallen bestanden allerdings auch aus unzähligen, lieblos aneinandergeklatschten Butzen mit Ramsch. Ewige Reihen von Plastik-Hüllen, Stand nach Stand mit den viel zu oft gleichen Smart-Home-Gadgets, die sich nur durchs Logo unterscheiden. Es ist kein Zufall, dass die Namen von 275 der 2.059 Aussteller im Ausstellerverzeichnis mit "Shenzhen" beginnen – und ebenso wenig zufällig fehlt am Ende die Begeisterung bei den Zuschauern.
Auch bei jenen "Großen", die weiterhin in Berlin ausstellen, ist die Marschrichtung klar: Die LG-Halle ersetzt gigantische Display-Tunnel und -Türme durch nachhaltige und smarte Holzbungalows, und bei Samsung steht Ressourcen-Recycling statt Entertainment im Vordergrund. Und wie LG und Samsung steht auch bei TCL die 2023 obligatorische Wärmepumpe am Stand, gekoppelt mit einem smarten Ökosystem, um jeden Tropfen Solarenergie auszunutzen.
Wenn das Retten der Welt nicht sexy genug ist
Klar: Wir müssen den Planeten retten, und einzelne Hersteller haben bestimmte Aspekte – etwa Samsung den Rohstoffkreislauf – mit toll gemachten Darstellungen schön aufbereitet. Und ja, es gab auch bei den Balkonkraftwerken vereinzelt Produkte, die im eher Kleinen in die richtige Richtung ziehen.
Aber viel zu oft waren die großen Themen auf der IFA einfach zu abstrakt – und spürbar für eine elitäre Zielgruppe gemacht, die eben in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit für 50.000 Euro ein neues Wärmepumpen-Solar-Energiespeicher-System planen. Natürlich kann oder will sich auch nicht jeder einen neuen 65-Zoll-Curved-Fernseher aus dem Display-Tunnel von LG leisten – oder die neue Philips-Hue-Lichterkette für 300 Euro. Aber zumindest luden diese Aufbauten Groß und Klein zum Staunen und Träumen ein.
Von einer vernetzten Wärmepumpe dagegen träumen die wenigsten, und damit ist dieses Jahr auch der Zauber einstiger IFAs ein Stück weit verflogen. Es wird kein Wunder sein, wenn die IFA trotz Ausstellerrekord am Ende einen Minusrekord einfährt, was die Besucher pro Aussteller angeht.
Aber so war sie eben leider in weiten Teilen, diese IFA: zu elitär und damit für zu wenige – und mit gleichzeitig zu viel Ramsch einfach nicht begeisterungsfähig genug.
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