Inhalt des Artikels:
- Was sind Blende und Öffnungsverhältnis?
- Wieso ist die Blende bei der Handy-Kamera wichtig?
- Was bedeutet die Blende beim Smartphone?
- Aber wieso ist F1.8 besser als F2.4?
- Blende und Abbildungsqualität: viel Licht, wenig Schärfe
Was sind Blende und Öffnungsverhältnis?
Die Begriffe Blende, Blendenzahl und Öffnungsverhältnis werden – streng genommen – meist falsch verwendet. Physikalisch korrekt ist der Begriff "Öffnungsverhältnis", der das Verhältnis aus Eintrittspupille zu Brennweite des optischen Systems bezeichnet. Dieses Verhältnis wird typischerweise angegeben als auf Zähler eins normierter Bruch in den Schreibweisen "f/1.8" oder "1:1.8".
Die Blendenzahl hingegen ist der Kehrwert dieses Bruchs und wird dann geschrieben als F1.8. Die vielzitierte "Blende" ist Umgangssprache und wird bunt gemischt zur Angabe von sowohl Blendenzahl als auch Öffnungsverhältnis genutzt. Nachdem wir keine wissenschaftliche Publikation sind, halten wir uns bei AndroidPIT auch an den Sprachgebrauch "Blende".
Hinweis: Bei der Berechnung des Öffnungsverhältnisses werden Eintrittspupille wie Brennweite in Millimetern erfasst. Daher ist das Ergebnis in jedem Fall dimensionslos.
Wieso ist die Blende bei der Handy-Kamera wichtig?
Die Blende spielt in der Smartphone-Fotografie insbesondere bei diesen zwei Punkten eine wichtige Rolle:
- Je kleiner die Blendenzahl ist, desto mehr Licht kommt auf den Bildsensor. Das ist logisch, denn beim Öffnungsverhältnis steht der Durchmesser der Eintrittspupille im Nenner. Ein doppelter Durchmesser halbiert also die Blendenzahl, beispielsweise von F4 auf F2. Nachdem die Lichtmenge ein Flächenmaß und der Durchmesser ein Längenmaß ist, besteht hier ein quadratisch proportionaler Zusammenhang. Heißt: Eine Halbierung der Blende bedeutet viermal mehr Licht. Eine Verdoppelung der Lichtmenge geschieht dagegen beim Teilen der Blende durch die Wurzel aus zwei, etwa von F2 auf F1.4.
- Je kleiner die Blendenzahl, desto geringer ist die Schärfentiefe. Nachdem Smartphones die Tiefenunschärfe zumeist per Algorithmus erzeugen, bleibt dieser Aspekt hier eine Randnotiz. Wenn Ihr Euch dafür interessiert, wie Unschärfe-Effekte in optischen Systemen zustandekommen, empfehle ich Euch den folgenden Artikel, auch wenn dieser sich maßgeblich um per Software erzeugte Bokeh-Effekte dreht.
Was bedeutet die Blende beim Smartphone?
Wer nun einen Blick auf seine Smartphone-Kamera wirft und grob die Blende überschlägt, wird eines feststellen: Brennweite und (näherungsweise) Linsendurchmesser passen nicht ansatzweise zusammen. Blende 2 hieße ja schließlich eine Eintrittspupille von 12,5 Millimetern bei einer Brennweite von 25 Millimetern. Eine Mehr-Zentimeter-Linse findet Ihr jedoch bei keinem aktuellen Smartphone.
Der Grund dafür ist, dass die Hersteller die Brennweite stets aufs Kleinbildäquivalent umgerechnet angeben. Verglichen mit einer Kleinbild-Kamera ist die echte, optische Brennweite des Linsensystems bei Smartphones aufgrund der winzigen Sensoren viel, viel niedriger. Die Diagonale eines 1/1,7-Zoll-Sensors beispielsweise ist 4,55-Mal kleiner als ein Kleinbild- respektive Vollformat-Sensor. Entsprechend benötigt eine Smartphone-Kamera mit 1/1,7-Zoll-Sensor eine 4,55-Mal geringere Brennweite, um auf den gleichen Bildwinkel zu kommen.
Dieses Verhältnis zwischen der Diagonale eines Kleinbild-Sensors und des zu vergleichenden Sensors nennt man Crop-Faktor beziehungsweise Formatfaktor. Realbrennweite mal Crop-Faktor ergibt die Kleinbildäquivalentbrennweite.
Nachdem die Schärfentiefe einer Kamera von der Brennweite und der Blende abhängt, ist nun auch klar, wieso Ihr mit F1.8 und 50 Millimetern Äquivalentbrennweite nicht annähernd die schöne Unschärfe hinbekommt wie mit Eurer DSLR bei F1.8. Für die Schärfentiefe ist nämlich die Realbrennweite entscheidend, und die liegt typischerweise eher zwischen 5 und 15 Millimetern. Und genau darum geht Bokeh in der Regel nur über Software.
Aber wieso ist F1.8 besser als F2.4?
Während bei ausgewachsenen Kameras die Blende durchaus eine nennenswerte Auswirkung auf das Bokeh hat, ist dieser Effekt bei Smartphones zu vernachlässigen. Zumal Smartphone-Kameras in der Regel auch keine Möglichkeit haben, die Blende anzupassen und als kreative Gestaltungsmöglichkeit zu nutzen. Aber dazu kommen wir später nochmal.
Stattdessen steht die Lichtstärke im Vordergrund. Eine Verbesserung von F2.4 auf F1.7 beispielsweise bedeutet, dass das Smartphone doppelt so viel Licht für das Foto zur Verfügung hat. Das wiederum ermöglicht wahlweise:
- ein Fotografieren mit der halben ISO-Empfindlichkeit. Halbe Empfindlichkeit bedeutet weniger Verstärkung des Bildsignals, bedeutet weniger Bildrauschen.
- ein Fotografieren mit halber Verschlusszeit. Bei schnellen Bewegungen oder schlechten Lichtverhältnissen reduziert sich so die Verwacklungsgefahr.
Wie groß ist also der Unterschied zwischen beispielsweise F1.8 und F2.0? Realistisch gesehen ist er irrelevant. Für die resultierende Bildqualität spielen im Zeitalter der Computational Photography die bildverarbeitenden Algorithmen eine viel größere Rolle.
Exkurs: Warum Teleobjektive bei Smartphones ein Desaster sind
Die obigen Details erklären übrigens auch, warum Teleobjektive in Smartphones meistens gruselige Ergebnisse liefern. Nachdem die Brennweiten vergleichsweise hoch sind, sind die Lichtstärken im Vergleich zu den Weitwinkel-Optiken zumeist unterirdisch. Das Samsung Galaxy S20 Ultra beispielsweise schafft bei seinem Teleobjektiv lediglich F3.5. Gleichzeitig sind Teleobjektive aber viel anfälliger für Verwackler.
Einer gebräuchlichen Faustformel nach braucht man für die 103 Millimeter des Teleobjektivs im S20 Ultra eine etwa viermal schnellere Verschlusszeit als für den 26-Millimeter-Hauptsensor (sollte der OIS gleich gut arbeiten). Gleichzeitig bewirkt der Unterschied zwischen F3.5 und F1.8 ebenfalls eine Viertelung der Lichtmenge. Um das bei identischen Lichtverhältnissen zu kompensieren, ist beispielsweise eine Steigerung der ISO-Empfindlichkeit von ISO 100 auf ISO 1600 erforderlich. Unter Berücksichtigung der üblicherweise deutlich kleineren Tele-Sensoren wird klar: Das wird nichts.
Blende und Abbildungsqualität: viel Licht, wenig Schärfe
Bevor Euer Gehirn eine Verschnaufpause bekommt, möchte ich noch auf einen letzten Aspekt der Blende eingehen: die optische Abbildungsqualität. Ein lichtstarkes Objektiv zu bauen ist nämlich deutlich komplizierter, als einfach nur ein riesiges Stück Glas vor den Sensor zu klatschen. Während das Licht in der Mitte einer Linse quasi gar nicht gebrochen wird, ist der Knick im Strahlengang zum Rand hin immer stärker.
Nun hat leider Licht die unangenehme Eigenschaft, dass der Brechungsindex abhängig von der Wellenlänge ist. Was kompliziert klingt, kennt Ihr vom Sonnenlicht, das durchs Fenster reflektiert einen Regenbogen in Euer Wohnzimmer zaubert. Dieses Phänomen wird bei stärkerer Lichtbrechung, ergo größerer Blende, immer stärker – und muss immer aufwändiger korrigiert werden.
Im Fachjargon heißen die so gebildeten Farbsäume "chromatische Aberrationen". In der Regel sind sie am Bildrand stärker als in der Mitte und treten überwiegend an kontrastreichen Übergängen auf, z. B. an Ästen vor dem hellen Himmel. Um den Übereifer beim Datenblatt-Quartett nicht durch miese Testberichte quittiert zu bekommen, hat Samsung zeitweise einigen Smartphone-Flaggschiffen eine mechanische Blende verpasst. Diese deckt bei guten Lichtverhältnissen den Objektivrand ab, um die Abbildungsfehler zu minimieren.
Zusammenfassung: viel Wirbel für nix
Muss ich also die Ohren spitzen, wenn mir Samsung, Honor & Co. was von rekordverdächtigen Lichtstärken erzählen? Nein. Denn die Unterschiede zwischen F1.7 und F1.8 sind marginal – andere Eigenschaften der Kamera spielen hier eine deutlich größere Rolle, beispielsweise der Bildsensor und die Algorithmen.
Fandet Ihr diesen Artikel nützlich? Und welche Aspekte von Smartphones und besonders deren Kameras interessieren Euch noch? Ich freue mich auf Eure Kommentare!
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