„Schlüsselerlebnis“ UWB: So kommt der Autoschlüssel aufs iPhone

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Sogenannte Keyless-Systeme fürs Auto sind praktisch, aber nicht unumstritten. Die bisherigen Sicherheitslösungen, die einen klassischen Autoschlüssel überflüssig machen, lassen sich austricksen. Zahlreiche Besitzer von hochpreisigen Automobilien, die Diebstahlopfer wurden, können ein Lied davon singen. Mit der sogenannten Ultrawideband-Technologie (UWB) wollen immer mehr Automobilhersteller dem Treiben von Kriminellen nun ein Ende setzen. Wie das beispielhaft mit einem BMW 220i und dem iPhone funktioniert und warum UWB auch das Potenzial hat, den Smart-Home-Markt zu revolutionieren, erfahrt ihr in diesem Beitrag. 

Hand aufs Herz: Auf der Suche nach dem Autoschlüssel in Hosen- und Jackentaschen hat wohl schon jeder Autofahrer einmal seinen Coffee-to-go-Becher oder andere Dinge auf dem Autodach abgelegt. Pech, wer den auf dem Dach zwischengeparkten Gegenstand beim Einsteigen bereits wieder vergessen hat. Tausende Autoheckscheiben mit triefendem Kaffee, auf Straßen zerschellte Laptops und verloren gegangene Aktenmappen können das Unglück bezeugen. 

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Keyless-Systeme sorgen dafür, dass sich das Auto automatisch entriegelt, sobald sich der Besitzer nähert – ohne den Schlüssel in die Hand nehmen oder eine Taste am Schlüssel drücken zu müssen. Auch der Motor kann mit einem Knopfdruck gestartet werden, ohne Zündschloss. Bei den bisherigen Systemen geht der Komfort allerdings auf Kosten der Sicherheit, denn sie lassen sich mit ein wenig technischem Wissen oder überschaubarem finanziellen Aufwand austricksen. 

Nähert sich der Nutzer mit dem iPhone in der Tasche dem Auto, entriegelt die Tür automatisch. Wer genau aufpasst, kann das Entriegeln direkt vor dem Zug am Türgriff hören. / © Alexander Hauk

Bei herkömmlicher Keyless-Technik misst das System nämlich den Empfangspegel des Schlüsselfunksignals, ohne zu prüfen, ob der gemessene Empfangspegel Sinn ergibt. Es reicht mitunter, wenn der Signalpegel ausreichend hoch ist, und schon entriegeln die Autotüren. Diese Schwachstelle nutzen Kriminelle mit Hilfe spezieller Geräte. Sie verlängern und verstärken das Funksignal des Schlüssels, der vom rechtmäßigen Besitzer zum Beispiel am Schlüsselbrett hinter der eigenen Haustür hängt oder auf dem Restauranttisch liegt. Laut einer aktuellen Untersuchung des ADAC mit 500 Autos sind nur etwa fünf Prozent der Fahrzeuge gut vor Diebstahl geschützt.

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Mehrere Autohersteller setzen auf UWB

Eine sogenannte Relay-Attacke wie zuvor beschrieben funktioniert bei der Ultrabreitband-Technologie nicht. Denn das System misst hier nicht nur den Signalpegel, sondern dank UWB auch äußerst präzise die Laufzeit des Funksignals. Bei manipulierter Reichweiten-Verlängerung ist die Übertragungszeit des Funksignals zwischen Sender und Empfänger zu lang – und das Auto bleibt versperrt. Aus Sicherheitsgründen setzen immer mehr Autohersteller auf diese Technik, darunter Audi, BMW, Ford, Genesis, Mercedes, Skoda und Volkswagen. 

Neben UWB-Technik beim Funkschlüssel gibt es bei BMW für mehrere Modelle optional den Digital Key Plus, unter anderem für den BMW 220i Active Tourer. Das ermöglicht dem Besitzer, den elektronischen Schlüssel im digitalen Wallet auf dem Mobiltelefon zu hinterlegen. Damit das funktioniert, muss zunächst die App „My BMW“ auf das eigene Telefon heruntergeladen werden. Wer sich für den Funkschlüssel entscheidet, für den entriegelt sich die Tür wie von Zauberhand kurz bevor sie erreicht wird und verriegelt sich auch automatisch kurz nach dem Verlassen des Autos. Auch der Motor kann mit einem Druck auf den Start-Knopf in der Mittelkonsole gestartet werden, denn sobald der Schlüsselbesitzer einsteigt, wird er vom Fahrzeug erkannt.

Mit diesem BMW 220i und einem iPhone haben wir den UWB-Autoschlüssel getestet / © Alexander Hauk

Die App bietet zahlreiche weitere Informationen und Funktionen. So lassen sich zum Beispiel der aktuelle Tankfüllstand und die ungefähre Reichweite ablesen. Per Knopfdruck auf das entsprechende Symbol lässt sich über die App außerdem das Fahrzeug ver- und entriegeln. Wer den Standort des Autos vergessen hat, drückt auf den Button „Fahrzeug-Finder“, und schon wird der genaue Standpunkt auf einer Karte angezeigt. 

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Auch für den Fall, dass der Akku des Mobiltelefons schlapp macht, ist vorgesorgt: Es genügt, wenn der Fahrer sein Telefon direkt an den Türgriff hält. Über den im Handy integrierten NFC-Chip entriegeln sich die Türen. Außerdem erhält jeder BMW-Kunde weiterhin einen herkömmlichen Funkschlüssel mit Tasten, für den Fall, dass das Handy verloren geht oder gestohlen wurde. Praktisch: Der digitale Schüssel kann über die App auch mit anderen Personen, zum Beispiel Familienmitgliedern, geteilt werden. 

Per iPhone oder klassisch per Schlüssel? Bei immer mehr Marken und Fahrzeugen hat der Nutzer hat die Wahl. / © Alexander Hauk

So funktioniert die UWB-Technologie bei BMW & Co.

Im Fahrzeug sind mehrere Chips integriert, die die verschlüsselten Funksignale vom Smartphone empfangen. Aus der Zeitdauer, die für das Senden und Empfangen dieser Signale gemessen wird, wird die exakte räumliche Position des rechtmäßigen Autobesitzers ermittelt. Nur wenn der Fahrer im Auto sitzt, lässt es sich auch starten. 

Neben BMW setzen mehrere weitere Automobilhersteller auf UWB. Bei Audi ist die Technologie aktuell für die klassischen Funkschlüssel der Modelle A3 und Q4 e-tron verfügbar. Alle kommenden Modelle auf Basis der neuen Fahrzeug-Plattformen PPE (Premium Platform Electric) und PPC (Premium Platform Combustion) werden mit der neuen Technik erhältlich sein. „Die ersten Modelle auf den neuen Plattformen werden nächstes Jahr vorgestellt werden“, sagt Audi-Sprecher Michael Crusius.

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Die BMW-App bringt auch weitere Vorzüge mit sich. So lässt sich beispielsweise ein Blick ins Auto werfen. / © Screenshot: Alexander Hauk, Montage: NextPit, Foto: DenPhotos / Shutterstock.com

Bei Skoda ist die UWB-Technologie aktuell in den Funkschlüsseln für die Octavia- und Enyaq-Modelle zu finden. „Es ist geplant, dass noch weitere Baureihen mit dieser Technik ausgestattet werden“, so Skoda-Sprecher Karel Müller. Nach Angaben von Michael Schweitzer von Volvo Cars hat der schwedische Automobilhersteller aktuell keine Fahrzeuge mit UWB-Technologie im Angebot. Bei der Planung künftiger Modelle werde dies allerdings berücksichtigt, teilt ein Volvo-Sprecher mit.

Nur mit modernen Smartphones möglich

Technische Voraussetzung für dieses außergewöhnliche Schlüsselerlebnis ist neben dem passenden Auto auch ein kompatibles Smartphone. Apple hat zum Beispiel alle iPhone-Modelle ab dem iPhone 11 mit einem UWB-Chip ausgestattet. Auch das Samsung Galaxy Note 20 Ultra, das Samsung Galaxy S21+ und Ultra, die Galaxy-S22-Serie sowie das Z Fold 2 und Z Fold 3 unterstützen die Funktechnologie. Im Xiaomi-Lineup sind derzeit nur die Mi-Mix-Modelle kompatibel, bei Google sind es das Pixel 6 und das Pixel 6 Pro.

Die UWB-Technologie ist aber nicht nur auf Smartphones beschränkt: Auch in der Apple Watch 6 und Apple Watch 7 ist ein entsprechender Chip eingebaut, ebenso im Apple AirTag, im Apple HomePod mini und in Samsungs Galaxy SmartTag.

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Die iPhone-13-Serie unterstützt geschlossen den UWB-Standard. / © NextPit

Weil UWB eine genaue Positionsbestimmung ermöglicht und mit der Technologie über ein extrem breites Frequenzspektrum große Datenpakete übertragen werden können, ist die Technologie auch für viele Anwendungsbereiche interessant – sowohl in Räumen und Gebäuden als auch unter freiem Himmel. Der parallele Einsatz von WLAN oder Bluetooth ist dabei kein Problem, denn die Frequenzbereiche überlappen sich nicht – und damit kann es auch zu keinen Störungen kommen.  

Große Zukunft für UWB

Zusammen mit dem „Internet of Things“ (Internet der Dinge) hat UWB das Potenzial, die Welt zu verändern und den Alltag ein wenig sicherer und komfortabler zu machen. Nicht nur Autos, auch Wohnungs- und Haustüren oder Garagentore könnten damit ausgestattet werden. Die bereits erwähnten Tracker von Apple und Samsung können dabei helfen, verlegte Dinge zu finden, etwa einen Schlüsselbund. 

Auch eine Navigation in Innenräumen ist mit UWB möglich. Da über die Technologie Dinge zentimetergenau lokalisiert werden können, können damit künftig auch Smarthome-Geräte gesteuert werden. Dazu reicht es, das Handy auf ein kompatibles Gerät zu richten. Schon wird das Gerät erkannt und lässt sich über eine App auf dem Display steuern. Noch ist allerdings der Einsatz von WLAN und Bluetooth günstiger, deshalb wird dieser Komfort wohl noch ein wenig auf sich warten lassen.

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