Acer Mixed Reality Headset im Kurztest: Überzeugend geht anders
Seit einigen Tagen sind die Mixed-Reality-Headsets von Microsoft erhältlich. Wir hatten vor Kurzem das Headset von Acer im Haus und haben es ausprobiert. Wirklich überzeugt hat es nicht, aber das ist vielleicht gar nicht so schlimm.
Preis und Verfügbarkeit
Spannend an der Headset-Offensive von Microsoft & Friends war vor allem der Preis: 400 bis 500 Euro sollen die Headsets kosten. Mit Motion Controllern liegt das Mixed Reality Headset von Acer bei 449 Euro. Das war und ist natürlich einerseits eine Ansage. Andererseits haben die beiden etablierten, Oculus Rift und HTC Vive, ihre Preise gesenkt. Eine Rift liegt mittlerweile ebenfalls bei 449 Euro.
Design und Verarbeitung
Das Acer Mixed Reality Headset ist eine Virtual-Reality-Brille. Es handelt sich nicht um eine Mischung aus Augmented- und Virtual-Reality-Brille, wie der Name vielleicht nahelegen würde. Die Verwirrung darüber kommt oft zur Sprache und liegt einfach daran, dass Microsoft seine Plattform Mixed Reality nennt. Die umfasst alle Schattierungen von Augmented hin zu Virtual Reality. Das ist nicht logisch, das leuchtet auch nicht so recht ein, ist aber so.
Wirklich komfortabel ist das Headset nicht. Zumindest mir kneift die Textilumrandung des Augenraums auf die Nase und so fällt mir manchmal das Atmen schwer. Und der optimale Sitz ist schwierig zu finden, denn der Kopfriemen muss etwas schräg sitzen, damit der Klappmechanismus ordentlich funktioniert. Ja, das Headset lässt sich hochklappen. Dabei hakt das Headset aber ein wenig, sodass ich diese Funktion eher nicht nutzen würde.
Nach dem Auspacken liegen das Headset und die beiden Controller auf unserer Tischtennisplatte. Dort haben wir für den Test ein paar Quadratmeter freigemacht. Sofort überzeugt das Setup des Headsets: Controller via Bluetooth koppeln und das kabelgebundene Headset anschließen. Das war’s. Weitere Basisstationen oder Sensoren braucht das MR-Headset von Acer nicht.
Im Test hatten wir zwar zunächst ein Koppelungsproblem mit den Controllern, das dürfte aber an dem ebenfalls testweise zur Verfügung gestellten Notebook gelegen haben: Offenbar waren die Controller zwischenzeitlich mit einem anderen Rechner verbunden, das MR-Setup dachte hingegen, sie seien noch mit dem Notebook verbunden.
Los geht’s: Windows Mixed Reality startet in einer virtuellen Luxusvilla. In diesem Haus könnt Ihr via Teleport umhergehen, Windows-Apps an die Wand pinnen und Objekte aufstellen. Auch Spiele könnt Ihr als Starter im Raum verteilen. Die Controller haben eine Windows-Taste, mit der Ihr das Startmenü aufruft, um einen App-Starter in die Villa zu stellen. An einer Wand hängt schon der Edge-Browser zum Surfen – im virtuellen Haus hat alles seine Ordnung.
Display
Spannend an den Mixed-Reality-Headsets ist nicht nur der Preis, sondern auch die Auflösung der Displays: Diese liegt bei 1.440 mal 1.440 Pixel, also etwas höher als bei einer Rift oder Vive. Riesig ist der Unterschied aber nicht: Visuell wirkte die VR-Landschaft nicht bedeutend besser als bei einer Vive oder Rift – von der nominell höheren Auflösung sollte sich also niemand locken lassen. Der Fliegengittereffekt ist auch hier vorhanden.
Ein weiteres optisches Problem sind die Linsen. Es gibt nämlich nur einen sehr kleinen Sweetspot, in dem die Grafik tatsächlich scharf wirkt. Außerhalb dieser kleinen zentralen Fläche sind Schlieren feststellbar und Blendeffekte treten bei kontrastreichen Szenen auf.
Software
Inhalte gibt es über das Windows Mixed Reality Portal und ganz neu über SteamVR. Der Windows-Store hängt in der Villa an einer Wand – hier sind aber offenbar nicht nur VR-Spiele zu sehen, sondern alle anderen Apps. Immerhin gibt es nach mehrmaliger Suche eine spezielle Seite, auf der VR-Apps zu sehen sind. Nach der Installation muss der Starter für das Spiel im Haus platziert werden.
Die Villa-Metapher überzeugt nicht so recht. In einer Ecke ist ein Home-Cinema eingerichtet, ein anderer Raum soll für produktive Zwecke verwendet werden. Eingängiger wären meiner Meinung nach 3D-Menüs und Oberflächen ohne eine Realitätsmetapher.
Performance
Wie steht’s um Spiele? Dafür habe ich zunächst SuperHot VR und Space Pirate Trainer ausprobiert. Die Motion Controller sind etwas klobig, dennoch nicht unbequem. Deren Sechs-Achsen-Tracking erfolgt über zwei Kameras im Headset, was zumindest im Sichtfeld der Kameras meist ordentlich funktioniert – man spricht auch von Inside-Out-Tracking. Bei vielen VR-Spielen reicht das aber nicht aus: In SuperHot und auch Space Pirates Trainer stört es merklich, dass die Controller am Rande der Trackingzone nur noch die Ausrichtung erkennen, nicht aber die genaue Position. Beide Spiele waren im direkten Vergleich mit einer Oculus Rift besser spielbar.
(SuperHot VR - Gameplay-Video mit der HTC Vive)
Dann noch Arizona Sunshine ausprobiert: Der Zombie-Shooter ist ebenfalls im Mixed-Reality-Portal zu haben. Hier wiederum neigen die Controller dazu, zu zittern. Zielen aus mehreren Meter Entfernung? Beinahe unmöglich. Es führt also kein Weg daran vorbei, die Zombies näher kommen zu lassen und sie aus unsicherer Entfernung abzuknallen.
Eines der Highlights sollte eigentlich Halo Recruit sein. Besser wäre es aber gewesen, wenn Microsoft dieses Spiel gar nicht erst veröffentlicht hätte. Statt den virtuellen Raum wirklich auszunutzen, schießt man auf nicht weiter animierte Gegner, die auf einer Leinwand auftauchen. Nein, so geht VR nun wirklich nicht.
Das nicht vollständige Tracking ist bei einigen Spielen hinderlich, aber kein völliges Ausschlusskriterium. Vor allem bei Bildungsanwendungen reicht die Qualität vollends aus. Zum Beispiel bei Mars 2030, das eine virtuelle Marsmission erleben lässt (aber einen etwas langwierigen Start aufweist). Für solche immersiven Anwendungen ist das MR-Headset mit den Controllern durchaus gut geeignet.
Zum Testzeitpunkt war übrigens der Zugang zu SteamVR mit dem Acer-Headset noch nicht möglich. Inzwischen ist dieser via Vorschau freigeschaltet. Große Sprünge sind dabei aber nicht zu erwarten – schließlich verbessert sich ja nicht plötzlich die Grafikqualität oder das Tracking. Immerhin ist die Content-Bibliothek dank SteamVR größer.
Fazit: Erster Auftritt begeistert nicht so recht
Für wen ist nun ein Mixed-Reality-Headset im Augenblick die richtige Wahl? Spieler sind bei Rift und Vive besser aufgehoben. Das gilt wohl überhaupt für stationäre Einsätze: Ja, das Setup einer Vive ist aufwändiger und zum niedrigen Preis einer Oculus kommen meist noch 150 bis 200 Euro Zubehör (dritter Sensor, PCIe-Karte mit USB-Anschlüssen sowie Verlängerungskabel). Dafür gibt es dann aber auch eine Roomscale-Installation und enorm präzises Tracking. Für Spieler führt an einer Vive oder Oculus Rift kein Weg vorbei.
Von den nominell niedrigen Hardware-Anforderungen sollte man sich nicht blenden lassen: Für Spiele gelten die üblichen Highend-Anforderung seitens CPU und GPU, lediglich weniger anspruchsvolle Apps, vielleicht Video-Player benötigen keine so starke Ausstattung.
Als wesentliches Szenario für ein Mixed-Reality-Headset scheint mir einerseits der mobile Einsatz zu sein: Zumindest Bildungsanwendungen sollten auf modernen Notebooks laufen und das schnelle Setup ist für mobile Einsatzzwecke ideal. Gaming-Laptops mit einer aktuellen Grafikkarte sind sogar für VR-Spiele geeignet.
Nun haben wir es hier ganz klar mit dem ersten Start der Plattform zu tun. Auf der Seite der Inhalte sind schnell Verbesserungen zu erwarten: SteamVR wird eine Menge VR-Apps auf die Headsets bringen, Software-Updates können das Tracking der Controller zumindest präziser machen – wenngleich nicht das Problem beheben, das die Controller nur im Sichtfeld im Raum getrackt werden können.
Den erhofften Durchbruch für VR-Headsets bringt das Mixed-Reality-Headset von Acer eher nicht. Das liegt auch daran, dass die Preise der Konkurrenz inzwischen ebenfalls deutlich gesenkt wurden. Für ambitionierte Einsteiger sind Vive und Rift die bessere Wahl. Aber auch Smartphone-VR à la Gear VR und Daydream können eine ambitionierte Konkurrenz darstellen – vor allem im Bildungsbereich.
Um Windows Mixed Reality genauer beurteilen zu können, sollten wir der Plattform noch etwas Zeit geben. Die Konkurrenz hat einen großen Vorsprung und den muss Microsoft zusammen mit Entwicklern aufholen. Das kann durchaus gelingen, vor allem, wenn Mixed Reality wirklich mixed wird.
Schöne Sache. Leider bekomme ich bei so etwas sehr schnell mit der Übelkeit zu tun.
Kauf-Tipp für den Steam-Sale nächste Woche:
"Everspace" ist ein toll aussehender (VR-)Weltraum-Shooter mit viel WOW-Effekt und mit Roguelike-Elementen, die an "Faster Than Light" erinnern. Sieht auch auf dem Flachbildschirm großartig aus.