Fairbuds XL im Test: Reicht dieser Klang ein Leben lang?
Während sich Sony, Apple, Bose & Co. um technische Datenblätter kloppen, geht Fairphone mit den Fairbuds XL einen anderen Weg. Die Over-Ear-Kopfhörer sind modular konzipiert, lassen sich daher eigenhändig reparieren, und faire Arbeitsbedingungen gibt's auch. Aber können die Kopfhörer auch im Alltag überzeugen? Im nextpit-Test stellen wir die Frage, ob Green-IT im Kopfhörerbereich ein Kompromiss sein muss.
Pro
- Modulares Design sorgt für hohe Reparierbarkeit
- Viele Recycling-Materialien
- Hoher Tragekomfort
- IP54-Zertifizierung
- Lange Laufzeiten von bis zu 30h
Contra
- Klangtechnisch weit unter der "Um-die-250€-Konkurrenz"
- Enttäuschendes ANC mit starken Windgeräuschen
- Nur wenig Komfortfunktionen
- Kein Klinkenanschluss
- Equalizer nur über Presets
Kurzfazit & Kaufen
Die größte Stärke der Fairbuds XL liegt in der Reparierbarkeit und in der Verwendung von Recycling-Materialien sowie Fairtrade-Gold. Dadurch kauft Ihr Kopfhörer, die sich theoretisch ein Leben lang durch Ersatzteile reparieren lassen. Technisch bleiben die fairen Headphones allerdings hinter der Konkurrenz von Sony, Bose & Co. zurück – wen das nicht stört, der bekommt einzigartige und in meinen Augen echt hübsche Kopfhörer!
Wollt Ihr zuschlagen, müsst Ihr laut UVP haargenau 249,00 Euro einplanen. Beachtet beim Kauf allerdings, dass weder ein Ladekabel noch ein USB-C-auf-3,5-mm-Klinkenkabel im Lieferumfang enthalten sind. Für das Zubehör verlangt der Hersteller 34,95 Euro bzw. 12,95 Euro – oder besser: Ihr nehmt einfach ein vorhandenes Ladekabel. Entscheiden müsst Ihr Euch dann nur noch zwischen einer grünen und einer schwarzen Farbvariante.
Design & Modularität
Fairphone verkauft seine Fairbuds XL in einer grünen und einer schwarzen Farbvariante – und sprenkelt diese wie die Rückseite des Fairphone 4 mit Farbklecksen. Als Over-Ear-Kopfhörer verschließen die Ohrmuscheln Eure Ohren mit veganem Leder. Viele Materialien der Kopfhörer sind zudem zu 100 % recycelt. Der größte Vorteil beim Design der Headphones ist aber die Modularität und die daraus resultierende Reparierbarkeit.
Gefällt:
- Modulares Design mit hoher Reparierbarkeit
- Hoher Anteil an Recycling-Materialien
- Hoher Tragekomfort und hübsches Design
- IP54-Zertifizierung
Gefällt nicht:
- Ohrmuscheln lassen sich nicht drehen
- Testmodell weist bereits Verschleißerscheinungen auf
Betrachten wir die Fairbuds XL erst einmal als "normale" Over-Ear-Kopfhörer. Hier sehen wir Headphones in einem schicken Design mit vergleichsweise mutigen Farbakzenten. Der Look der grünen Farbvariante gefällt mir persönlich sehr gut, und das freiliegende Verbindungskabel strahlt einen ganz eigenen Charme aus. Setzt man die Fairbuds XL auf, schmiegen sich weiche Polster um Eure Ohren. Zusammen mit dem leicht verstellbarem Kopfbügel ergibt sich ein hoher Tragekomfort. Mit einem Gewicht von 330 g sind sie zudem nicht zu schwer für längeres Tragen.
Beim Design und beim Tragekomfort punkten die Fairbuds XL meiner Meinung nach genau wie etwa die Sony WH-1000XM5 (zum Test) oder die Bose NC 700 (zum Test). Unter der Einschränkung natürlich, dass hier eine ganz andere Zielgruppe angesprochen wird. Green-IT darf gerne nach Nachhaltigkeit aussehen und somit leite ich mal in den spannenden Design-Aspekt der Fairbuds über. Die Modularität und die Nachhaltigkeit.
Denn Fairphones Over-Ear-Kopfhörer enthalten zu 80 % recycelte Kunststoffe, 100 % recyceltees Aluminium und 100 % recyceltes Zinn in der Lötpaste. Die Zertifizierung für 100 % Fairtrade-Gold in der Lieferkette ist ebenfalls bemerkenswert. Denn die Goldindustrie steht immer wieder in der Kritik, mit massiven Menschenrechtsverletzungen in Verbindung zu stehen. Arbeiter und Arbeiterinnen in der gesamten Lieferkette unterstützt Fairphone zudem mit Bonuszahlungen für existenzsichernde Löhne und Programme zur Arbeitnehmervertretung.
Das nachhaltigste Produkt ist allerdings das, was gar nicht erst produziert werden muss – aus diesem Grund sind Fairphones Fairbuds XL reparierbar und modular aufgebaut. Solange Fairphone die Ersatzteile zur Verfügung stellt, könnt Ihr diese Kopfhörer daher ein Leben lang nutzen. Denn so gut wie alle Einzelteile der Kopfhörer lassen sich austauschen. Im Onlineshop von Fairphone werden die Ersatzteile angeboten. Die Preise sind mitunter jedoch recht kostspielig – das USB-C-Verbindungskabel schlägt mit 14,95 Euro zu Buche, ein neuer Überzug für den Kopfbügel kostet 19,95 Euro, der rechte Lautsprecher wird für 79,95 Euro und der linke für 39,95 Euro angeboten. Eine neue Batterie gibt's für 19,95 Euro.
Als Nachteile beim Design fielen mir bei unserem Testmodell, das womöglich schon durch ein bis zwei weitere Redaktionen ging, Verschleißerscheinungen am Polster des Kopfbügels auf. Darüber hinaus lassen sich die Ohrmuscheln nicht drehen, was mir persönlich bei Over-Ear-Kopfhörern gut gefällt. Aber enden wir auf einer positiven Note mit der Erwähnung der sich im Lieferumfang befindenden Tragetasche sowie der IP54-Zertifizierung. Letztere ist angesichts der Modularität wirklich beeindruckend!
Komfortfunktionen & App
Für seine Kopfhörer bietet Fairphone eine kostenlose Companion-App an, über die Ihr etwa die Equalizer steuern könnt. Darüber hinaus seht Ihr in der App, wie die Kopfhörer zusammengesetzt sind – samt Verlinkungen für Ersatzteile auf den Onlineshop des Herstellers. Das Konzept geht auf, funktional überzeugt die App aber weniger. Ebenfalls mit an Bord sind Multi-Pairing mit bis zu zwei Geräten und Ansteuern von Sprachasisstenten.
Gefällt:
- Hübsche Companion-App
- Ersatzteile direkt über die App bestellbar
- Pluspunkt außerhalb der App: Videoanleitungen für Reparaturen
- Multi-Pairing
Gefällt nicht:
- Wenig smarte Funktionen
- App bietet kaum Einstellungen
- Keine Trageerkennung
Während die übliche Riege an "High-End-Over-Ears" sich immer neue Spielereien einfallen lässt, besinnt sich Fairphone auf das Wesentliche. Zwar gibt es kein 3D-Audio, Spatial-Funktionen oder adaptives ANC, dafür warten die Fairbuds XL mit Multipoint-Bluetooth für bis zu zwei Geräte auf. Eine Trageerkennung bieten die Kopfhörer jedoch nicht. Die Companion-App löste im Test ebenfalls gemischte Gefühle aus.
Denn der Fokus liegt auch hier auf der Reparierbarkeit der Kopfhörer. Mit einem Fingerwisch öffnen sich die in der App angezeigten Fairbuds XL als Explosionszeichnung und Ihr könnt einzelne Komponenten antippen. Dann bekommt Ihr weitere Informationen und könnt Ersatzteile bei Bedarf direkt in der App bestellen. Steuert Ihr dann noch den YouTube-Kanal von Fairphone an, findet Ihr ausführliche Anleitungen mit einem gewissen Unterhaltungscharakter.
Rein funktional bleibt die App aber hinter den Erwartungen zurück. So lässt sich nicht etwa die Bedienung der Kopfhörer individualisieren, stattdessen könnt Ihr die Farbe der angezeigten Fairbuds einstellen. Als Equalizer gibt es nur vier Presets, die in Zusammenarbeit mit Sonarworks und Feedback aus der Fairphone-Community – angeblich wurden 150.000 Meinungen eingeholt – erstellt wurden. Auch das ANC oder die Verbindung zu verschiedenen Endgeräten könnt Ihr über die App nicht steuern.
Klang & ANC
Fairphone verbaut dynamische, 40 mm große Treiber in seinen Fairbuds XL, die Ihr einfach mithilfe eines Schraubenziehers austauschen könnt. Der Frequenzgang liegt laut Herstellerangaben zwischen 20 Hz und 20 Khz, in der App könnt Ihr aus fünf verschiedenen Equalizer-Presets wählen. Eine aktive Geräuschunterdrückung samt Transparenzmodus bieten die Fairbuds ebenfalls. Doch dazu später mehr.
Gefällt:
- Gute Konnektivität dank Bluetooth 5.1 und AptX-Codec
- Solide Gesprächsqualität bei Telefonaten
- "Okayer" Klang über AptX HD
Gefällt nicht:
- Klangqualität bleibt insgesamt hinter Erwartungen zurück
- Equalizer lassen sich nicht individualisieren
- Kein Klinkenanschluss – kabelgebunden nur über USB-C-Anschluss
- Enttäuschendes ANC mit extremen Windgeräuschen
Okay, bis zu diesem Abschnitt des Testberichts würde ich die Fairbuds XL nahezu uneingeschränkt empfehlen. Allerdings verhalten sich die fairen Kopfhörer ein wenig wie das Fairphone 4, das ich zum Release ebenfalls getestet habe. Denn während Nachhaltigkeit und Modularität überzeugen, bleiben die Fairbuds XL technisch hinter den Erwartungen an Kopfhörer um 250 Euro zurück.
Dabei sind die dynamischen 40-mm-Treiber mit ihrem Frequenzgang per se gar nicht schlecht. Und auch die Unterstützung von AptX HD überraschte mich beim Blick aufs Datenblatt. In Verbindung mit einem Android-Smartphone ist die Auflösung einzelner Instrumente in komplexen Musikstücken, etwa Devin Townsends "Singularity", auch wirklich gut. Ich kann klar wahrnehmen, welches Instrument der Interpret wo im Stereomix platziert. In Verbindung mit meinem iPhone 13 mini nehmen sowohl Klarheit und Auflösung ab – hier kocht Apple halt sein eigenes Süppchen und lässt niemanden mitschlürfen, was ich Fairphone also nicht ankreiden kann.
Weniger gütig bin ich allerdings bei der Abstimmung der Treiber. Zwar geht der Frequenzgang noch in Ordnung, die Kopfhörer klingen aber in jedem Equalizer-Preset zu dumpf und schaffen es partout nicht, Höhen klar genug wiederzugeben. Dieser Effekt lässt sich auch beim Durchschalten der Presets nicht abschwächen, und ich hätte mir wirklich gerne einen Equalizer mit mehr Individualisierungsmöglichkeiten gewünscht.
Leider verfügen die Fairbuds XL nicht über einen integrierten Klinkenanschluss. Stattdessen sollt Ihr ein Verbindungskabel zwischen USB-C und 3,5-mm-Klinke verwenden. Ein annehmbarer Workaround, der aber womöglich den Zukauf eines solchen Kabels voraussetzt. Hier widerspricht sich Fairphones Nachhaltigkeits-Konzept, gleichzeitig müssen die Kopfhörer das analoge Signal in ein Digitales umwandeln und lassen sich so nicht "leer" verwenden. Zwei Dinge sind mir technisch noch aufgefallen:
Erstens: Die Sprachqualität der verbauten Mikrofone war in einem Videocall über mein MacBook Air und Google Meet überraschend gut. Stefan verriet mir, dass er keinen großen Unterschied zwischen den Kopfhörern und dem Mikrofon in meinem Notebook erkennen konnte. Und das schaffen die wenigsten Kopfhörer.
Was allerdings in jeder Situation enttäuschte, war die integrierte Geräuschunterdrückung. Einerseits ist das integrierte ANC nicht sonderlich effektiv und schafft es höchstens, dauerhaftes Rauschen zu unterdrücken. Andererseits hören wir schon bei leichten Windstößen starke Störgeräusche. Dieses Problem wird noch einmal deutlich störender, wenn wir in den Transparenzmodus umschalten. Selbst beim Gehen mit ein wenig Gegenwind sind die Geräusche störend – beim Fahrradfahren habe ich sowohl das ANC als auch den Transparenzmodus ausgeschaltet.
- Alternative mit mehr Klang gesucht? Sennheiser Momentum Wireless 4 im nextpit-Test
Akku und Aufladen
Laut Herstellerangaben bieten die Fairbuds XL eine Akkulaufzeit von bis zu 30 Stunden. Einmal komplett Wiederaufladen dauert fast drei Stunden, der austauschbare Akku soll zudem über 500 Ladezyklen lang durchhalten. Quick-Charging unterstützen die Kopfhörer nicht, dafür könnt Ihr sie beim Aufladen weiter nutzen. Was Fairphone versäumt, ist die Integration eines Klinkenanschlusses für "akku-unabhängiges" Musikhören.
Gefällt:
- Gute Akkulaufzeit, die locker einen Tag lang hält
- Akku austauschbar – ganz ohne Werkzeug
- Kopfhörer auch beim Aufladen nutzbar
Gefällt nicht:
- Kein Quick-Charging
- Keine kabelgebundene Musikwiedergabe ohne Akku (siehe "Klang & ANC")
Mit 30 Stunden bieten die Fairbuds XL eine sehr gute Akkulaufzeit, die auch die meisten nicht-modularen Kopfhörer nicht erreichen. Da Fairphone den Austausch der Akkus ganz ohne Werkzeug gestaltet, könntet Ihr Euch für lange Reisen sogar eine Zweitbatterie zulegen und diese bei Bedarf austauschen. Das ist ein Vorteil, den wirklich kaum ein anderer Kopfhörer auf dem Markt bietet.
Quick-Charging ist hierdurch prinzipiell in wenigen Sekunden möglich – eine derartige Aufladefunktion bieten die Kopfhörer aber nicht. Ein kompletter Ladezyklus dauert hingegen etwa drei Stunden. Fairphone scheint den Akku schonend laden zu wollen, um Hitze zu vermeiden. Dadurch soll ein Akku über 500 Ladezyklen lang halten. Aufgeladen wird kabelgebunden per USB-C – mehr gibt's in dieser Hinsicht nicht wirklich zu berichten.
Abschließendes Fazit
Mit den Fairbuds XL bringt Fairphone meiner Meinung nach wirklich spannende Kopfhörer auf den Markt. Denn sie zeigen, wie hochwertig und gut durchdacht modulare Kopfhörer sein können. Wollen wir Elektronik wirklich nachhaltiger gestalten, finden wir hier genau den richtigen Ansatz: Alle Komponenten sind austauschbar, für Reparaturen braucht man nur einen Schraubenzieher, und trotzdem sind die Fairbuds robust und nach IP54 gegen Wasser und Staub geschützt. Da uns, anders als beim Fairphone 4 (zum Test), hier keine Android-Updates im Weg stehen, bieten die Fairbuds eine besonders lange Lebensdauer.
Für diesen Vorteil, also dass Ihr theoretisch nie wieder einen anderen Kopfhörer kaufen müsst, muss man aber einige Kompromisse eingehen. Denn für Over-Ear-Kopfhörer, die 249 Euro kosten, enttäuschen die Fairbuds klanglich. Das integrierte ANC lässt sich gerade so als Geräuschunterdrückung bezeichnen, und smarte Features wie eine Trageerkennung oder 3D-Audio sucht man vergebens.
Ärgerlicher finde ich allerdings, dass Fairphone die Kopfhörer über seine App so stark einschränkt. Was bringen mir "Lebenslang-Kopfhörer", wenn ich sie nur über vier Presets im Klang anpassen kann? Und wenn ich die Steuerung nicht an meine Bedürfnisse anpassen kann? Das ist paradox und wird auch nicht durch nette Animationen in der App kompensiert.
Zum Vergleich: Das sind die besten Bluetooth-Kopfhörer
Heißt abschließend? Die Fairbuds XL sind ein starkes Produkt für eine Zielgruppe, die viel Wert auf Nachhaltigkeit legt. In dieser Disziplin weiß Fairphone einfach, was Kund*innen und auch unsere Umwelt benötigen. Aus der Perspektive eines Musikfans, der schon etliche Kopfhörer auf den Ohren hatte, enttäuschen die Kopfhörer dennoch. Nachhaltigkeit setzt leider immer noch Kompromisse voraus.
Dennoch setzt Fairphone die Idee nachhaltiger und modularer Over-Ear-Kopfhörer sehr konsequent um. Dadurch fallen die Nachteile beim Klang und beim ANC in meinen Augen weniger stark ins Gewicht – 4 Sterne!
Es ist wie schon bei den Fairphones: Mit der Umweltbrille betrachtet ist beides eine sinnvolle Alternative zum Ex und hopp-Produkt. Mit der technischen Brille hingegen sieht man überall Kompromisse und Abstriche, die man im wahrsten Wortsinne mit in Kauf nehmen muss. Und zumindest die Fairbuds räumen auch an der Kasse mit 249 Euro UVP ganz ordentlich ab.
Wenn ich allerdings schon rund 250 Euronen für Kopfhörer abdrücke, dann erwarte ich zumindest ein akzeptables Klangbild. Und da sehe ich eben nicht, dass ich ausgerechnet beim Klang bereit wäre, Abstriche zu machen - weil Kopfhörer! Wenn die Dinger letztlich klingen wie 79 bis 99 Euro, dann nützt mir auch das ökologisch reine Gewissen recht wenig. Dann sind sie schlicht zu teuer. Und wenn ich sie deswegen schließlich NICHT kaufe, tue ich ja im Grunde genommen noch mehr für die Umwelt.