Kommentar: Joe Rogan vs. Neil Young – Spotify ist auf dem Holzweg
Mit Neil Young hat erneut ein populärer Künstler seinen Hut bei Spotify genommen und seine Musik vom größten Streamingdienst entfernt. Grund dafür ist Top-Podcaster Joe Rogan und Aussagen, die in seinem Podcast "The Joe Rogan Experience" getätigt worden sind. Was beim Streaming-Riesen vorgefallen ist und wieso das eine problematische Entwicklung ist, verrate ich Euch in meinem Kommentar.
Spotify ist wieder einmal in die Schlagzeilen geraten und wieder einmal ist es ein wenig erfreuliches Thema. Involviert sind der "Godfather of Grunge" Neil Young (Heart of Gold? Kommt, das kennt ihr!) und der Podcast-Superstar Joe Rogan. Letzterer macht sich immer wieder unbeliebt, weil er Gäste mit kontroversen Ansichten in seine Show einlädt und diese ziemlich ungefiltert reden lässt. Genau darum geht es auch beim jüngsten Vorfall.
Ultimatum für Spotify: Rogan oder Young!
Was war passiert? Bereits im letzten Dezember hatte die Show "Joe Rogan Experience" den US-Virologen Robert Malone zu Gast. Dieser forschte einst selbst an der mRNA-Technologie, fiel Ende des Jahres aber hauptsächlich durch recht krude Verschwörungstheorien auf. So sagte er in der Show zum Beispiel, dass lediglich eine Massenpsychose Millionen Menschen glauben lässt, Impfstoffe würden gegen das Coronavirus wirken.
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Das wiederum hat 270 Köpfe aus Wissenschaft und Gesundheitswesen dazu bewogen, einen offenen Brief an Spotify zu schreiben. Dort kritisieren sie den beliebten Musik-Streaming-Dienst für wiederholte Falschaussagen, gegen die Spotify nichts unternähme. Über diesen offenen Brief stolperte nun Neil Young und wandte sich mit einem Ultimatum an Spotify: "Young oder Rogan – beides geht nicht!". Seiner Meinung nach trage Spotify dazu bei, dass Menschen einer Gefahr durch Fehlinformationen ausgesetzt sind.
Wie sich Spotify entschied, ist bekannt: Es finden sich kaum noch Songs von Neil Young auf Spotify. Die Konkurrenz nutzt das jetzt, um mehr oder minder prominent auf die Musik des Urgesteins hinzuweisen. Apple Music nennt sich auf Twitter "The Home of Neil Young".
In einer Stellungnahme von Spotify heißt es dazu:
Wir haben detaillierte Inhaltsrichtlinien und seit Beginn der Pandemie über 20.000 Podcast-Episoden mit Bezug zu COVID-19 entfernt. Wir bedauern Neils Entscheidung, seine Musik von Spotify zu entfernen, hoffen aber, ihn bald wieder begrüßen zu dürfen.
Spotify auf dem selben Holzweg wie Facebook
So viel also zu den Fakten, jetzt möchte ich ein paar eigene Gedanken dazu loswerden: Zunächst einmal überrascht mich Spotifys Entscheidung nicht. Neil Young hat zwar musikalisch einen Namen wie Donnerhall und war nicht nur für den Grunge ein ganz wichtiger Wegbereiter. Aber für die Streaming-Generation ist er wohl weitaus weniger wichtig beispielsweise Adele. Denn auf Druck der britischen Künstlerin hin hat Spotify im letzten November sogar ein Feature verändert.
Young hingegen dürfte ganz vielen jungen Kids nicht einmal ein Begriff sein und wird er deutlich seltener gestreamt als aktuelle Topstars. Zum Vergleich: Young bringt es im Monat auf 6 Millionen Zuhörende, bei Drake sind es monatlich 53 Millionen! Kein Wunder also, dass Spotify da lieber Neil Young ziehen lässt, statt sich von Joe Rogan zu distanzieren.
Der Podcast-Überflieger ist schließlich seit einigen Monaten exklusiv bei Spotify zu hören, was sich der schwedische Streaming-Dienst angeblich über 100 Millionen Dollar kosten ließ (Für die Vermarktung, nicht etwa für die Rechte!). 11 Millionen Menschen hören jede Episode der Joe Rogan Experience – da hört die Chefetage von Spotify dann auch schon mal kulant drüber hinweg, wenn Unwahres verbreitet wird.
Ich finde, dass sich Spotify damit auf einen gefährlichen und falschen Weg begibt, quasi auf den Spuren von Facebook. Auch der blaue Riese drückt bekanntlich bei kritischen und fragwürdigen Inhalten gerne mal ein Auge zu, solange der Absender berühmt genug ist. Weitere Parallelen zu Facebook: Auch Spotify erklärt, wie viel man doch gegen Fake-News unternehme (20.000 offline genommene Podcast-Folgen) und spricht von Meinungsvielfalt.
Es ist aber in der Tat ein Problem, wenn diese Meinungsvielfalt zu einer "False Balance" führt. Wir müssen zwingend verschiedene Ansichten zulassen und diskutieren. Aber wir müssen abwegige Theorien nicht genauso prominent verbreiten wie Theorien, zu denen ein breiter Konsens besteht. Hier darf sich auch ein Spotify nicht wegducken, egal wie viel Kohle man für seinen Star in die Hand genommen hat.
Konsequenzen für Spotify? Erst einmal keine, fürchte ich. Die Kids werden nicht mal merken, dass Neil samt goldenem Herz verschwunden ist. Derzeit ist weder davon auszugehen, dass Abos gekündigt werden, noch dass andere Künstler:innen wegen der Geschichte Spotify verlassen. Und Spotify-Gründer Daniel Ek kommt ja sogar problemlos damit durch, wenn er viele Millionen Dollar in die Rüstungsindustrie investiert.
Mittelfristig aber bin ich davon überzeugt, dass sich Spotify nicht wegducken kann und seiner Verantwortung bewusst sein sollte. Irgendwann läuft ein Fass über. Spotifys Geschäftsmodell, von dem nur Industrie und Superstars profitieren, lässt man den Schweden ja vielleicht so gerade eben noch durchgehen. Aber wenn das Unternehmen, das ganz wesentlich auf eine "Audio First"-Strategie statt "Music First" setzt, ein Problem mit seiner Glaubwürdigkeit bekommt, wird das viele Nutzer:innen nicht kalt lassen.
Seht Ihr das ähnlich kritisch wie ich? Oder lacht Ihr darüber, dass Neil Young glaubt, mit seiner Aktion am Image des Streaming-Giganten kratzen zu können?
Schreibt mir in die Kommentare, wie Ihr das seht. Ist es wichtig, dass auf einer Plattform wie Spotify auch unpopuläre Meinungen gehört werden sollten, egal wie abstrus sie sind? Und können einzelne Künstler wie Neil Young durch ihren Weggang tatsächlich etwas bewirken?
Spotify hat doch vollkommen recht wenn sie den alten Zausel Young ziehen lässt.
Finde es erschreckend, wenn sich Leute wie Young erdreisten ihre Meinung mit Erpressung durchzusetzen nur weil sie bekannt sind.
Jeder soll seine Meinung kundtun dürfen.
Ob‘s den einen passt oder nicht.
Übrigens verlässt Young auch YouTube? Weil da ist Joe Rogan auch. ;-)
Ich denke Young will sich auf seine alten Tage mal wieder in den Medien präsentieren um vielleicht die Verkaufszahlen anzukurbeln.
Was ja als Kernproblematik angesehen wird, sind die Aussagen von dem Virologen. Da hätte ich mir mehr relevante Zitate im Beitrag gewünscht und nicht die (imho) unwichtigen von dem Musiker.
Wirft ein komisches Licht auf die neutrale Berichterstattung.
Ich will nicht sagen das ich alles gut finde was Rogan sagt und ich bin auch absolut dafür das man im Podcast immer Spezialisten von beiden Seiten haben sollte aber es gibt einen Grund warum es so viele gegensätzliche Meinungen gibt:
Selbst die besten Wissenschaftler haben noch nicht alle Geheimnisse um das Virus gelüftet und besonders fragen um Impfnebenwirkungen und der die Frage warum manche Menschen trotz Infektion keine Symotome entwickeln sind nicht geklärt.
Rogan hat viel zu verlieren und macht auch sein Geld mit kontroversen. Der Virologe sucht ein Sprachrohr.
Es ist eine Gratwanderung zwischen Informationen und Vertrauen.
Kann man schön in den Büchern "1984" und "Schöne neue Welt" betrachten.
Es ist nur eine Idee aber ich kenne wenige Menschen die gern der Kollateralschaden sind.
Joe Wer? 🤔🤷🏻♂️
Da fehlt eine Antwort:
Ich nutze Spotify noch, werde aber, sobald mein vorausgezahltes Abo endet, nicht mehr verlängern - weil genau dieser Sch*** damit finanziert wird und für höhere Gebühren sorgt.
Ich. will. einfach. nur. Musik. hören.
Und schon alleine deswegen kann ich nicht anders, als Neil Recht geben, andere Gründe völlig egal.
Ich bin generell kein Fan von Spotify, deshalb ist die Entscheidung für mich recht einfach... ^^
Ich nutze generell keine Streamingdienste, da sie mir nicht das bieten was ich höre/sehe. Schon die Werbung lügt wenn sie sagt "Alle Deine Lieblingsserien...", denn das ist gelogen.
Joe Rogan hatte schon vor Jahren den genialen Einfall, sich im Podcast als interessierter und weitestgehend unparteiischer Betrachter zu positionieren. Und lange Zeit ging das gut, da sich viele Zuhörer die Mühe machten, sich mit den kontroversen Meinungen weiter auseinanderzusetzen und diese zu prüfen.
Als mündiger Zuhörer konnte ich mir so offene Gespräche über Meinungen anhören, die meiner eigenen widersprachen. Mit dem riesigen Erfolg der JRE hören aber auch viele Menschen zu, die dafür keine Aufmerksamkeitsspanne, Zeit, Vorwissen usw. haben. Und dann wird es meiner Meinung nach gefährlich.
Darüber hinaus werden 3-Stunden-Podcasts mit einem Moderator, der zunehmend in alternative Faktenwelten abdriftet und Insektenschutzmittel gegen seine Corona-Erkrankung nimmt, irgendwann selbst für den mündigsten Zuhörer zur Indoktrination.
Das hätte Spotify im Vorfeld ahnen müssen oder dem exklusiven Vertrag so weit widerstehen müssen, dass eine redaktionelle Prüfung Teil des Projekts wird.
Zu Neil Youngs Entscheidung: Auch wenn sie nicht viel bei Spotify bewirkt, finde ich sie als Zeichen stark.
Young war als Kind an Polio erkrankt und die Polio-Impfung war dementsprechend lebenswichtig. Wenn er Rogan nicht unterstützen will, ist der Schritt nur konsequent.
Danke für das ausführliche Statement, Ben :) Du nennst da Vieles, was ich eigentlich auch noch gerne im Text untergebracht hätte, was aber so ein bisschen den Rahmen gesprengt hätte. Man schaut einfach anders auf Falschaussagen zu Impfungen, wenn man die Erfahrungen des Neil Young gemacht hat.
Eine meiner liebsten in den letzten Jahren gelernte Vokabeln ist "Ambiguitätstoleranz". Also das Tolerieren, Aushalten von mehrdeutigen Antworten, das Ertragen von widersprüchlichen Ansichten. Können irgendwie tatsächlich Viele einfach nicht mehr, weshalb ich im Artikel auch kurz die False-Balance-Gefahr erwähne. Wenn 99 Prozent der Wissenschaft eine Meinung vertritt und 1 Prozent eine andere, dann ist das natürlich legitim, dass beide Meinungen kommuniziert werden. Lasse ich aber im gleichen Maß einen Wissenschaftler für die 99 Prozent sprechen und einen weiteren, der das verbliebene 1 Prozent vertritt, geraten wir in eine unschöne Schieflage. Es wirkt dann so, als wären beides Optionen auf Augenhöhe.
Da ist es dann gefährlich, wenn jemand mit der Popularität von Rogan diese unpopulären Meinungen so prominent zu Wort kommen lässt - und dann zudem noch selbst ins Verschwörungs-Fahrwasser abdriftet.
Da wird sich Spotify was einfallen lassen müssen, um auch solche großen Namen unter Kontrolle zu bekommen.
Schuster, bleib bei deinen Leisten.
Spotify sollte sich besser auf sein Geschäftsmodell konzentrieren als jetzt irgendwie "herumpolitisieren" zu wollen.
Kann nur schiefgehen, vermutlich.
Spotify wird solange weitermachen bis die Ausscheidung am dampfen ist.
leider ist das heute so, dass kurzfristig viel Profit mehr zählt als langfristig stabil.
Auch wenn Young nicht die Streaming Zahlen vorweisen kann, aber sein Name ist immernoch groß genug um hoffentlich andere Künstler mit sich zu ziehen (die mit höheren Zahlen). Ich hoffe das wirklich sehr, auch wenn ich weiß das das naiv ist.
Spotify hat die geringste Vergütung für Künstler. Daher bin ich weg von Spotify.