Rückkehr der Patentkriege: Ist Oppos Sperre erst der Anfang?
Oppo und OnePlus dürfen derzeit in Deutschland keine Smartphones anbieten, der Verkauf erfolgt aktuell lediglich über Dritte. Schuld ist eine Patentklage von Nokia. Das erinnert stark an vergangene Patentkriege wie Apple vs. Samsung – und stellen uns besorgt die Frage, ob das nur ein kurzes Intermezzo ist. Oder feiert der Krieg der Patente etwa ein Comeback?
Als Tech-Journalist bin ich jeden Tag hungrig auf das neue Gerät und die neue Technologie, die mich aus den Latschen haut. Manche Unternehmen hingegen sind von einigen Neuvorstellungen ihrer Konkurrenz eher weniger begeistert. Und zwar dann, wenn sie das Gefühl haben, dass ein anderer Hersteller sich an den eigenen Technologien bedient hat.
Ja genau, wir wollen heute über Patentstreits reden. Darüber, dass Oppo und OnePlus ihre Handys in Deutschland derzeit weder verkaufen noch bewerben dürfen. Ein Streit, der sich sowohl auf weitere Hersteller als auch Regionen ausweiten könnte. Ein Streit, der nicht der erste dieser Art ist – und ein Streit, der nur der Anfang von vielen neuen Patentschlachten sein könnte.
Aktueller Patentstreit: Nokia vs. Oppo
Patentstreitigkeiten gibt es immer, nicht nur im Tech-Zirkus. Beispiel? Curevac gegen BionTech, die deutschen Hersteller von Impfstoffen gegen das Coronavirus. Curevac möchte Schadenersatz von BionTech und klagt in Deutschland. BionTech drehte den Spieß schließlich um und trug den Patentstreit vor ein US-Gericht.
Aber auch die Technologiekonzerne bekriegen sich, wie beispielsweise Sonos und Google. Dort tobt bereits seit zwei Jahren ein Krieg um diverse Patente. Sonos klagte 2020 erstmals, es ging dabei u.a. um Multiroom-Technologien. 2022 wurde gerichtlich bestätigt, dass Google gleich fünf Sonos-Patente verletzte und der Tech-Riese passte seine Produkte an. Wenn Ihr Euch fragt, wieso Ihr bei Google-Speakern die Lautstärke nicht für mehrere Räume gleichzeitig ändern könnt, sondern nur Raum für Raum – fragt mal bei Sonos nach!
Mittlerweile läuft hier der Gegenschlag und Google wirft nun Sonos vor, gleich diverse Patente verletzt zu haben. Unter anderem geht es um Wireless-Charging und um das Erkennen von Hotwords, also Aktivierungswörtern für Sprachassistenten.
Am populärsten derzeit ist aber der Patentstreit zwischen Nokia und Oppo. Dabei waren sich die Konzerne ursprünglich mal einig und agierten so, wie man das im Normalfall tut: Es wird eine Lizenzgebühr vereinbart, die der Lizenznehmer dann entrichtet, fertig, Aus! Die Patentvereinbarung lief aus – und Nokia verlangte für eine Verlängerung eine Gebühr von 2,50 Euro pro Smartphone – und zwar weltweit.
Dazu müsst Ihr wissen, dass das Patentrecht in Deutschland besonders streng ist. Eine Besonderheit ist dabei, dass Lizenzen weltweit gelten müssen. Der Rest ist simple Mathematik: Oppo verkauft 200 Millionen Handys weltweit, aber nur ein Prozent davon in Deutschland. Dennoch soll die Lizenzgebühr für alle 200 Millionen Geräte entrichtet werden, was einer halben Milliarde Dollar entspräche. Oppo ließ sich auf den Deal nicht ein, Nokia klagte, und das Resultat sehen wir jetzt.
Erst einmal tut sich noch nicht schrecklich viel. Da OnePlus zu Oppo gehört, sehen wir auf beiden Seiten in der Handy-Sektion gähnende Leere. Aber Händler wie Amazon oder Saturn dürfen Ihre Lagerbestände ganz normal abverkaufen. Wollt Ihr derzeit ein Oppo- oder ein OnePlus-Smartphone kaufen, werdet Ihr also durchaus noch fündig.
Auf lange Sicht plant Oppo natürlich weiterhin mit dem deutschen Markt. Ein Statement des Pressesprecher von Oppo Deutschland bestätigt das. Allerdings klagt Nokia auch in Großbritannien, Frankreich und einigen weiteren europäischen Ländern. Folgen die Gerichte dem deutschen Urteil, könnte sich Oppo aus Westeuropa verabschieden. Und erste Stimmen vermuten bereits, dass Vivo – so wie Oppo und OnePlus zum BBK-Konzern zugehörig – folgen könnte.
Der Blick in die Vergangenheit: Apple vs. Samsung
Verfolgt Ihr die Smartphone-Entwicklung schon ein paar Jahre länger, werdet Ihr wissen, dass es keine Premiere ist, wenn sich aktuell zwei Anbieter bekämpfen. Es gab in diesem Jahrtausend, speziell in den Zehner-Jahren, unzählige Scharmützel und Patentlizenzierungen auf dem Handy-Markt. Die folgende Infografik von Visually gibt Euch einen Überblick:
Das größte Patent-Spektakel war aber wohl unbestritten die Schlacht zwischen Apple und Samsung! 2011 ging der Spaß los und zog sich über viele Jahre, bis dann 2018 ein Schlussstrich gezogen wurde. Es ging um die berühmten "abgerundeten Ecken", in der Folge um Pinch-to-Zoom, um den Scrolling-Effekt und vieles mehr.
Und ganz ehrlich: Schauen wir auf das folgende Bild, können wir schon hier und da ein klitzekleines bisschen Ähnlichkeit zwischen Original und Fälschung erkennen, oder?
Gut möglich jedoch, dass Apple sich da nicht so intensiv gewehrt hätte, wäre es ein unbekanntes, kleines Unternehmen gewesen. Hersteller wie Gionee haben seinerzeit in Reihe das iPhone kopiert – teilweise schon aufgrund geleakter Bilder, bevor das Smartphone aus Cupertino überhaupt offiziell war! Aber Samsung wurde schnell als großer Widersacher ausgemacht – da ging es nicht nur ums Recht und um Geld. Es ging auch ums Prestige, ums Image.
Letzten Endes erlitten meines Erachtens beide Unternehmen einen Imageverlust. Apple aber erst recht, als man es auf die Spitze trieb und ein Bonner Café namens "Apfelkind" verklagte, oder auch Pear Technologies, deren Logo eine – kein Witz – stilisierte Birne ist. Von wegen, Äpfel nicht mit Birnen vergleichen.
Blick in die USA: Da zieht ein Patent-Sturm auf ...
Wieso besprechen wir das hier überhaupt so ausführlich? Weil ich den Tanz auf der Patent-Rasierklinge für einen gefährlichen halte. Ja, natürlich ist es richtig, dass Ideen nicht geklaut werden dürfen und gute Ideen gegebenenfalls auch in Form von Lizenzgebühren honoriert werden. Wir leben aber auch in einer Welt, in der "Big Tech" die Technologie-Welt unter sich aufteilt, indem Start-Ups aufgekauft oder aus dem Markt gedrückt werden.
Letzteres passiert auch mithilfe des Patentrechts. Speziell in den USA ist es schwierig für kleinere Unternehmen, die ihre Erfindungen schützen wollen. Das liegt daran, dass es Staaten gibt, in denen recht milde gegen Patentverletzungen vorgegangen wird. Außerdem haben Google, Apple und Co. ganze Horden von Anwälten und genügend finanzielle Mittel, um diese zu bezahlen.
Der "Patent Trial and Appeal Board Reform Act"
Wenn ich davon rede, dass ich da einen neuen Patent-Sturm aufziehen sehe, liegt das gar nicht mal unbedingt an großen Konzernen wie Oppo und Nokia, die sich bekriegen. Vielmehr könnte es in den USA eine entscheidende Änderung des Patentrechts geben, die vor allem kleinere Unternehmen trifft. Es geht um einen Gesetzentwurf, der dort von mehreren Senatoren eingebracht wurde und der "Patent Trial and Appeal Bord Reform Act" getauft wurde.
Giganten wie Google und Apple sind zuletzt immer wieder bei Patentklagen verknackt worden, allein Apple musste mehrfach Riesensummen (Optis, 300 Millionen US-Dollar und VimetX, 570 Millionen US-Dollar) zahlen. Das klingt zunächst so, als gelinge es den Behörden, auch die ganz Großen zu erwischen. Dahinter steckt aber was ganz anderes: Es rechnet sich für die Unternehmen oft einfach, die Strafe zu kassieren als eine deutlich höhere Lizenzgebühr zu zahlen.
Der oben angesprochene Gesetzentwurf könnte es Apple und Konsorten künftig noch einfach machen, berichtet die Harvard Business Review. Die Unternehmen versuchen es nun auf einem anderen Weg – indem Patentrecht geändert wird. Kommt der Gesetzentwurf durch, würde der Schutz am geistigen Eigentum geschwächt.
Ich erkläre kurz, was dahintersteckt: Das 2011 geschaffene Patent Trial and Appeal Board (PTAB) ist im Grunde ein Gericht, welches dem US-Patent- und Markenamt (USPTO) untergeordnet ist. Eigentlich soll dieses Gericht helfen, Patentstreits kostengünstig und schnell beizulegen. Das klingt aber nur auf den ersten Blick gut.
Die Tech-Riesen mit den ganz vollen Kassen konnten Patente nun nämlich nicht nur vor Gerichten anfechten, sondern auch beim PTAB. In der Praxis sieht das dann häufig so aus, dass die Konzerne von kleineren Unternehmen verklagt werden – und die Tech-Giganten beantragen beim PTAB die Streichung dieser Patente. Wie oft das funktioniert? Fast ständig! Insgesamt wurden 84 Prozent der Patente zumindest teilweise für ungültig erklärt!
Das ist so, weil vor dieser Kammer die Beweisanforderungen nicht so anspruchsvoll sind wie vor Gericht und die Konzerne es mehrfach probieren dürfen. Vor allem hängt es aber damit zusammen, dass die Patentinhaber pro Anfechtung um die 500.000 Dollar aufbringen müssen. Da lacht Google drüber, ein kleines Start-Up hingegen nicht.
Der geplante Gesetzentwurf sieht nun vor, einige der Schutzmechanismen, die für die "Kleinen" gedacht sind, zu lockern. Es entstehen neue Möglichkeiten für die Anwalts-Armadas der Tech-Konzerne! Im Harvard Business Review heißt es dazu:
Sollte es ihnen gelingen, das amerikanische System zum Schutz des geistigen Eigentums zu schwächen, könnte dies für Tausende kleiner, innovativer Start-ups verheerende Folgen haben - mit katastrophalen Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft.
Und was lernen wir daraus?
Kommt es so, dann wird die Macht der Großen weiter zementiert und das Potenzial der frischen neuen Unternehmen sinnlos beschnitten. Das macht einen eh schon ungleichen Kampf nicht nur noch ungleicher, sondern sorgt auch für weniger Innovation. Es ist für Oppo fraglos unschön, dass sie ihre Handys derzeit nicht überall anbieten dürfen.
Aber während wir uns hier auch medial an diesen Patentstreits abarbeiten, sorgen Tech-Lobbyisten in den Hinterzimmern Washingtons dafür, dass kleine Unternehmen immer seltener überhaupt eine reale Chance haben, so einen Streit für sich zu entscheiden. Interessiert Euch nicht, weil Ihr ja eh das iPhone kauft und nicht das No-Name-Android-Phone? Ja, kann sein. Spätestens dann, wenn drei Unternehmen sich die Smartphone-Welt untereinander aufteilen und noch geiziger mit eh schon überschaubaren Innovationen aufwarten, können wir uns ja noch einmal unterhalten.
Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass die Oppo-Sperre nur der Anfang vieler neuer Patentstreitigkeiten ist. Und ich fürchte, dass es die Innovation ist, die auf der Strecke bleibt. Seht Ihr anders? Dann schreibt mir das gern in die Kommentare. Ich sehe jedenfalls schwarz und ahne eine Smartphone-Generation auf uns zurollen, die noch öder wird als die letzte.
Oppo hat mich nie interessiert also mir egal ob die ihre Phones verkaufen dürfen oder nicht .
Gut zu wissen!
Bei Null Interesse daran: warum klickst Du dennoch hier hin? 🤔
Immerhin hat er wenigstens diesmal nicht erwähnt was für ein toller Kerl er ist, weil er sich jedes Jahr ein neues iPhone kauft.
Viele der Beispiele belegen geradezu weshalb solche Patentklagen sinnvoll sind. Ein Unternehmen entwickelt lange und für viel Geld eine Technologie/Funktion und ein anderes kopiert diese einfach. Was letzterem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gibt. Das Entfernen dieser Funktion wie bei den Speakern mag dann für die Kunden ein Nachteil sein. Aber rechtfertigt die Tolerierung noch lange nicht. Google war ja nicht gezwungen bei Sonos abzukupfern. Bei chinesischen Unternehmen ist es leider durchaus gängige Praxis. Und eine Schwächung der Patentrechte wäre mMn auch für kleine Unternehmen eine Katastrophe. Denn diese hätten dann weniger Möglichkeiten sich zu wehren.
Meiner Meinung nach belegen die Beispiele, wieso das Patentrecht sinnvoll ist - aber nicht pauschal auch jede Patentklage. Solange der mit den besseren Anwälten und der pralleren Kriegsklasse höhere Chancen hat, Recht zu bekommen, stimmt da was grundsätzlich noch nicht.
Einheitsbrei bei den Handys ist leider schon lange angesagt, leider. Etwas abseits aber trotzdem gut empfinde ich Sony, wo bewährte Sachen beibehalten werden.
Und: den Artikel finde ich gut und aufschlussreich. Vor allem, was das Aufweichen der Schutzbestimmungen angeht.
Patentanwalt - bombensicherer Job🤫
Ganz offensichtlich versucht Nokia hier den Markt zu beeinflussen.
Ziemlich zum kotzen.
Nokia hat doch aus gegebenen Gründen kein Fuß im Markt.
Da versucht man dann die Kasse mit Lizenzgebühren zu füllen.
Die Gesetze helfen Sony dabei. Besser wäre es, wenn die Firmen ihre "Innovationen" offenlegen würden und sie jeder nutzen kann. Man könnte es auch über einen "Innovationspool" machen, jeder Handyhersteller würde dann gleichermaßen einzahlen und darf daraus schöpfen. Je mehr neue Innovationen, umso mehr "Gewinn" bleibt am Ende für alle übrig. Vielleicht würde es dann mal richtig gute Innovationen geben, und nicht immer dieses Kamera-Zeugs, von dem ohnehin nur ein kaum messbarer Prozentsatz der Menschen wirklich was anfangen kann ("niemand" braucht wirklich 8k).
Ich dachte bisher, ein "kaum messbarer Prozentsatz" liegt bei Null Komma Null irgendwas. Wieder was dazu gelernt: das ist mehr als 20 Prozent:
de.statista.com/infografik/17153/funktionen-die-sich-verbraucher-fuer-ihr-naechstes-smartphone-wuenschen/
Und die wollen nicht nur irgend ein Kamera-Zeugs, sondern bessere als zuvor.
Mit solchen kaum messbaren Prozentsätzen führt die SPD die Regierung an. Also quasi nicht vorhanden. Ich glaube, die sehen das doch anders.
"Besser wäre es, wenn die Firmen ihre "Innovationen" offenlegen würden und sie jeder nutzen kann. "
Ziemlich weltfremd. Warum sollte ein Unternehmen, das Millionen in Forschung und Entwicklung investiert die Ergebnisse dann verschenken oder zum Schleuderpreis die Mitbewerber nutzen lassen?
Vielleicht weil solche Sachen sich auf Dauer ausgleichen würden?
Weil nächstes Mal nicht mehr Unternehmen A Millionen in Forschung und Entwicklung investiert hätte, sondern Unternehmen F. So dass am Ende über die Jahre gesehen jedes Unternehmen davon profitiert.
Ob das wirklich möglich wäre, weiß ich nicht, da es nur eine Vermutung von mir ist. Zumal es meines Wissens auch noch nicht probiert wurde. Wäre aber auf jeden Fall nichts Schlechtes.
@Laazaruslong Nokia ist ein Telekommunikationskonzern, selbstverständlich sind Lizenzgebüren da eine der wichtigsten Einnahmequellen.
Nokia hat das Smartphonegeschäft übrigens vor 6 oder so Jahren aufgegeben. Die derzeitigen Geräte gehören zu HMD Global, nicht Nokia.