Magic Leap One im Hands-on: Die Magie zu entfesseln, hat seinen Preis
Einige Jahre lang wurde der Name Magic Leap von Skeptikern in der AR/VR-Community verspottet, nach einer recht langen Wartezeit ist die Brille nun aber endlich fertig. Wirklich beurteilen kann man aber nur etwas, das man auch selber ausprobiert hat. Als wir Chance erhielten, einen ersten Blick auf die Hologramm-Brille zu werfen, konnten wir natürlich nicht nein sagen.
Das Unternehmen Magic Leap ist ein Startup, das in seiner Geschichte immer wieder viel versprochen, bisher aber selten wirklich geliefert hat. Eine Kombination aus Vertrauen und viel Geheimhaltung haben dafür gesorgt, dass sich das Unternehmen sieben lange Jahre halten konnte, ohne ein funktionierendes Produkt auf den Markt gebracht zu haben. Aber was auch immer sie versprachen, es reichte aus, um auch die ganz großen Technik-Unternehmen in seinen Bann zu ziehen, allen voran Google. Letzterer investierte im Jahr 2014 satte 542 Millionen US-Dollar in Magic Leap, das daraufhin auf einen Schlag von vielen ernst genommen wurde. Jetzt endlich trägt das Ganze auch entsprechende Früchte.
Die Magic Leap One Creator Edition ist ein Mixed-Reality-Headset mit einem atemberaubenden Preis von 2.300 US-Dollar. Wie der Name schon sagt, richtet es sich aber in erster Linie an andere Unternehmen und Entwickler, die damit Inhalte und Anwendungen für die Plattform erstellen möchten. Dennoch hat Magic-Leap-CEO Rony Abovitz erklärt, dass es sich um ein "vollwertiges, funktionsfähiges Verbraucherprodukt" und keinen Prototyp handelt. Es soll ein Schritt in Richtung einer Revolution mit Mixed Reality sein. Magic Leap behauptet, dass diese Technologie Smartphones, Computer und ähnliche Geräte im Alltag ersetzen werden wird.
Auf der TechCrunch Disrupt Berlin wurden wir von Nomtek, dem einzigen europäischen Entwickler für Magic Leap, eingeladen, das Gerät auszuprobieren.
Im Video probieren wir die Magic Leap One aus:
Bequem, wenn auch nicht gerade stilvoll
Das Magic-Leap-One-Headset ist im Grunde genommen eine Brille namens "Lightwear", die an einen kleinen Computer angeschlossen ist und die Größe und Form eines tragbaren Compact-Disc-Players vergangener Zeiten, des "Lightpack", aufweist. Dazu kommt ein Controller für Interaktionen. Das Headset selbst vermeidet den visierähnlichen Stil, der bei VR-Headsets und seinem etablierten Konkurrenten im Mixed-Reality-Bereich, der Hololens von Microsoft, beliebt ist.
Die runde Brille ist mehr Cyberpunk als Star Trek. Aber egal wie einem das Design letztlich gefällt, eins steht fest: Die Magic Leap One gehört zu den komfortabelsten Headsets, die ich bisher ausprobieren durfte. Im Gegensatz zur Hololens oder Oculus Rift fühlt sich die Magic Leap One leicht an und weist eine natürliche Passform auf. Sie erinnert mich eher an eine Ski-Brille, als eine normale VR-Brille.
Das Headset selbst verfügt über integrierte Kameras zur Positionsbestimmung sowie einen Klinkenanschluss und Lautsprecher. Bluetooth und WLAN sind ebenfalls an Bord. Der Controller ist hingegen nichts besonderes. Jeder, der mit den Controllern von Oculus Go oder Daydream vertraut ist, fühlt sich hier schnell zu Hause. Die Bewegungen des Controllers werden aber komplett getrackt, das heißt er kann als vollständiger Hand-Ersatz und nicht nur als etwas besserer Laserpointer in der virtuellen Welt fungieren.
Dass die Magic Leap so komfortabel ist, hat einen einfachen Grund. Die Technik der Brille mit Nvidia Tegra X2, 8 GByte RAM und 128 GByte Speicher befindet sich nicht in der Brille, sondern in einem kleinen Gehäuse, das man einfach an der Hose befestigen kann. Die Laufzeit des Rechners beläuft sich auf ca. drei Stunden.
And then the magic happens
Piotr von Nomtek ist ein vielbeschäftigter Mann, der zwei Tage lang Demos in Berlin veranstaltet. Bei ihm spürt man die Begeisterung für die Technik bei jedem Wort, das Funkeln in seinen Augen ist dabei nicht zu übersehen. Er brennt für die Magic Leap One. Er hält natürlich ein paar Demos parat, die ausprobiert werden wollen. Da die noch nicht bekannt gegebenen Projekte von Nomtek direkt gestartet werden, kriege ich von dem Betriebssystem der Magic Leap One, Lumin OS genannt, nicht viel zu sehen.
Was wir jedoch sehen, ist der Mapping-Prozess, der vorher stattfinden muss. Das Gerät muss nach dem Start die Umgebung scannen, um zu wissen, wo virtuelle Objekte platziert werden sollen. Dies kann bis zu ein paar Minuten dauern, und leider hatten wir aufgrund des starken Lichts der tief hängenden Sonne, die in den Raum strahlt, ein paar Fehlstarts. Es handelt sich hierbei eindeutig nicht um ein Gerät, das für den Außeneinsatz geeignet ist, und das ziemlich spezifische Bedingungen benötigt, um optimal zu funktionieren.
Das diagonale Sichtfeld der Magic Leap One von 50 Grad ist sowohl sehr beeindruckend (es ist viel breiter als die Hololens) als auch eine nüchterne Erinnerung an die aktuellen Einschränkungen der Technologie. Der gesamte virtuelle Inhalt ist nur in einer großen, unsichtbaren Box vor Euch sichtbar, die sehr störend sein kann, wenn Objekte an den Rändern abgeschnitten werden, wenn Ihr Euren Blick schweifen lasst.
Eine weitere visuelle Besonderheit bei der Verwendung eines solchen Geräts ist die Tatsache, dass Farben an den Rändern von Objekten mitunter etwas verwaschen erscheinen können, wodurch ein regelrecht psychodelischer Effekt entsteht. Objekte erscheinen als Hologramme, haben aber einen quasi-soliden Look, da sie reale Objekte abdecken können. Entsprechende Schatten fehlen den Objekten aktuell noch komplett, aber daran soll wohl schon gearbeitet werden.
Sobald die Demos tatsächlich in Gang kommen, ist es schwer, sich nicht untergetaucht zu fühlen. Die erste Demo, die ich ausprobiert habe, war eine AR-Version von Angry Birds, bei der der Controller als Schleuder fungierte, um die aggressiven Vögel auf einen Stapel von Blöcken zu schießen, der auf dem Boden vor mir auftauchte. Simpel und lustig, aber was mir hier gefiel, war das Gleichgewicht zwischen realer und virtueller Welt.
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Immersive VR-Spiele sind sehr isolierend und viele AR-Spiele verlangen viel Konzentration, aber die Magic Leap fühlte sich natürlich an. Während ich immer noch wie ein Verrückter ausgesehen haben muss, der vor sich hin fuchtelt, war es sehr angenehm, weiterhin sein direktes Umfeld im Blick zu haben, Gespräche führen zu können und auch mal einen Schluck realen Kaffee zu sich nehmen zu können.
VR und AR wird bei Umzugsfirmen, Dekorateuren und Möbelhändlern sehr beliebt, da es damit möglich ist, verschiedene Looks und Layouts im virtuellen Raum auszuprobieren. Die WayFair-App für Magic Leap ermöglichte es uns, Objekte aus dem Katalog nahtlos im Raum zu platzieren, Größen und Farben zu ändern, zu drehen und so weiter.
Schließlich zeigte mir Dr. Grordborts Invaders, ein verrückter Steampunk-Shooter, der den Controller in einen Blaster verwandelt, wie auch ein Mixed-Reality-Action-Spiel mich so tief eintauchen lassen kann, dass ich meine reale Umgebung etwas aus den Augen verlor. Hier konnte ich das Potenzial für wirklich lustige, komplexere Spiele auf der Magic Leap One sehen, aber die Isolation, die man von VR bekommt, ist auch hier ein Faktor. Ich war allein in meiner Halluzination, aber eine Art Mehrspielerfunktion würde noch unendlich mehr Spaß machen.
Noch keine Revolution, aber ein Schritt in die richtige Richtung.
Trotz Unvollkommenheiten wie ein eingeschränktes Sichtfeld und flackernde Farben sind die Illusionen der Magic Leap One bezaubernd und ich konnte sie nur schweren Herzens ablegen. Allein der Preis hält da nicht ganz mit, so viel Geld würde ich dann doch nicht für eine solche Brille ausgeben wollen.
Die neue Magic Leap One regt vor allem die Vorstellungskraft an.
Es macht unglaublich viel Spaß die Magic Leap One auszuprobieren und sie könnte das beste Augmented-Reality/Mixed-Reality-Gerät sein, das es aktuell auf dem Markt gibt. Aber vieles davon ist noch ungenutztes Potenzial, mehr eine Fantasie in meinem eigenen Kopf als alles, was heute in Wirklichkeit möglich ist. Es gibt immer noch nur einen begrenzten Nutzen, und visuelle und komfortable Aspekte müssen verfeinert werden, bevor sie für jedermann interessant wird. Im privaten Bereich ist die Magic Leap One aktuell nur ein sündhaft-teures Spielzeug, zumindest noch.
Die Magic Leap One regt aktuell vor allem die Vorstellungskraft an, und das ist für ein Produkt, das sich an Entwickler richtet, auch gut so. Denn es sind Entwickler-Häuser wie Nomtek, die die Inhalte anbieten werden, die ein solches Gerät begehrenswert machen. Ähnlich sah es bei den ersten Smartphones aus, erst durch Apps wurden sie für die Masse wirklich interessant.
Im Gespräch mit Piotr von Nomtek nach unserer Demo ist klar, dass er es auch so sieht und immer wieder auf das erste iPhone verweist. Während wir über die möglichen Anwendungen diskutieren, an denen sein Unternehmen arbeitet, bin ich überrascht, dass nicht nur die industrielle Nutzung, die VR/AR/MR bereits im großen Stil einsetzt, sondern auch persönliche Unterhaltung und Sport erwähnt wird.
Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den wir uns geeinigt haben: Eine Art und Weise, die gemischte Realität mit anderen zu teilen, kann nicht früh genug kommen, sowohl durch Livestreaming (endlich unser Erlebnis live zeigen können, als nur darüber zu sprechen) als auch durch gemeinsames Erleben/Multiplayer-Gaming. Denn was nützt es, die reale Welt zu erweitern, wenn wir die Menschen um uns herum nicht einbeziehen können? Klar macht das Zocken der Magic Leap One Spaß, aber es ist schade, Freunde im direkten Umfeld nicht mit einbeziehen zu können.
Piotr stellt sich das "Internet 3D" vor, eine neue Entwicklung des Informationszeitalters, in dem wir unsere Computer und Smartphones hinter uns lassen und holografische Linsen anstelle von Bildschirmen verwenden. Es ist eine aufregende Vision, sowohl futuristisch als auch "natürlicher" als auf Bildschirme zu starren und auf Tasten zu tippen, was auch sehr gut mit den Fortschritten in der Sprachsteuerung übereinstimmt.
Aber leider sind wir noch nicht so weit. So reizvoll die Magic Leap One auch ist, zumindest zum Ausprobieren, es gibt noch viele technische und kulturelle Probleme, die gelöst werden müssen, bevor wir alle im Internet 3D sind. Aber der Grundstein dafür ist gelegt. Passend dazu ist die Magic Leap One eine Illusion von Illusionen, die langsam in das Reale übergeht. Ich bin sicher, dass wir uns eines Tages alle in diesem Internet 3D treffen werden, mit einer schlankeren, effizienteren Version der Magic Leap oder einer davon inspirierten Version. Ein paar Jahre müssen wir darauf aber wohl noch warten.
Also die reine Größe ... oder anders, wie klein sie ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung .... ich warte aber dennoch aufs Holodeck oder etwas was so leicht wie iene normale Brille ist, bis ich mich dafür begeistere.....
Ulkig sieht es schon aus aber Nutzen geht vor Optik.
hab nichts kapiert...wofür braucht man das?
Wofür braucht man Computer? Wofür braucht man Smartphones? Wofür braucht man Kopfhörer?
Es ist eine weitere Art und Weise, Informationen zu konsumieren und mit Informationen beziehungsweise auch anderen Menschen zu interagieren. Eine Art und Weise, die wir an dieser Stelle sicherlich nicht zum letzten Mal gesehen haben ;)
Und was ist jetzt so toll daran? wenn es das für einen Erschwinglichen Preis geben würde, dann wäre es geil, aber für so einen Wucher-Preis?
Das ist ja noch die in kleiner Stückzahl gefertigte Entwickler-Version, die alleine deswegen schon viel teurer ist. Ein für den Massenmarkt gefertigtes, „richtiges“ Serien-Produkt wird vermutlich nur noch ein Bruchteil kosten UND gleichzeitig technisch weiter fortgeschritten sein.
Ich hab die Magic Leap auch ausprobiert, und im Vergleich zu den anderen AR/MR-Headsets, die man so kennt, ist das wirklich geil. Ich hätte mir auf jeden Fall noch deutlich mehr Zeit mit der Brille gewünscht ;)