Oculus Quest im Test: Die Virtual-Reality-Brille für jedermann
Über Facebooks Oculus Quest wird seit vielen Monaten gesprochen und sie verspricht einen echten Durchbruch in der Welt der virtuellen Realität. Ein eigenständiges VR-Kit, mit dem sofort nach dem Auspacken gespielt werden kann, ohne dass es erst umständlich und teuer mit einem PC oder Smartphone verbunden werden muss. Keine Kabel, keine externen Sensoren, 6DoF-Bewegungsverfolgung und Zugriff auf eine umfangreiche Content-Bibliothek von Apps und Spielen. Wir haben die VR-Brille ausgiebig getestet und verraten Euch, ob das Headset genug bietet, um den Mainstream für sich zu erobern.
Pro
- Einfach einzurichten und zu nutzen
- Hervorragende Controller
- Große Inhaltsbibliothek
- Gute Akkulaufzeit
- Erschwinglich
Contra
- Integrierte Lautsprecher könnten besser sein
- Sichtbarer Fliegengittereffekt
- Batterieschieberegler öffnet sich zu leicht
- Große Lücke im Nasenbereich
- Geschlossenes Softwaresystem
Der Preis der Freiheit
Die Oculus Quest ist wie die PC-gebundene Rift S bereits bei diversen Online-Händlern verfügbar. Der Grundpreis beträgt 449 Euro für ein Gerät mit 64 GByte Speicherplatz für Eure Apps und Spiele, aber es gibt auch eine Version mit 128 GByte für 549 Euro.
Eine Oculus-Entwicklung
Die Oculus Quest zeigt, woher sie kommt. Jedem, der die Oculus Rift kennt, wird sie bekannt vorkommen. Aber es ist eine bemerkenswerte Leistung, so viel Rechenpower in einem kompakten und leichten (571 Gramm) Gehäuse zu vereinen. Die Gurte sind von den Seiten verstellbar und die VR-Brille ist bemerkenswert bequem. Beim Testen konnte ich etwa eine Stunde lang anstrengende Gaming-Sitzungen durchlaufen, bevor ich Druck auf die Vorderseite meines Gesichts spürte - und selbst dann viel geringer als bei anderen VR-Headsets.
Auf der Vorderseite des Headsets befindet sich ein Schieberegler, mit dem sich der Abstand zwischen den Pupillen und den Gläsern einstellen lässt. Ein zusätzlicher Rahmen für mehr Abstand lässt sich einsetzen, wenn man eine Brille trägt. Insgesamt ist die Quest gut gestaltet und weder ich noch andere haben länger als ein paar Sekunden gebraucht, um eine gute Passform zu finden.
Mein einziger Kritikpunkt (und ich war nicht der einzige, der das erlebt hat) ist die relativ große Lücke im Nasenbereich, die wie ein kleines Fenster zur Realität wirkt. Eigentlich hat man lieber zu viel Platz als zu wenig. In diesem Fall wird es allerdings viele Menschen geben, die dadurch nicht perfekt in die virtuelle Welt eintauchen können und sich möglicherweise mit angepassten Gesichtsmasken befassen müssen.
Meiner Meinung nach hatte Oculus schon immer die besten Controller aller wichtigen VR-Plattformen, und die mitgelieferten Oculus Touch Controller enttäuschen auch hier nicht. Die Controller sind klein und leicht, mit zwei Tasten, Heimtaste, Auslöser, Griff und Daumenstick in Reichweite. Ein Problem, mit dem Neueinsteiger in der VR normalerweise zu kämpfen haben, sind die Bedienelemente. Aber bei Oculus Touch liegt jedes Bedienelement in Fingernähe, damit man sich nicht verirrt. Die Regler sind batteriebetrieben (AA).
Ein Problem, das einige unserer Tester hatten, betrifft den Batterieschieber für die Controller unter Ihrem Daumengelenk. Während intensiver Spielesitzungen, in denen hier beispielsweise mit den Controllern wild herumfuchteln müssen (Beat Sabre war hier der Hauptschuldige), öffnet man manchmal den Batterieschieber versehentlich. Mit den Stoffschlaufen um das Handgelenk ist es zwar nicht erforderlich, die Bedienelemente so übermäßig stark festzuhalten, aber Ihr wisst ja , wie einfach es ist, sich in der VR mitreißen zu lassen.
Ebenfalls im Lieferumfang enthalten ist ein Ladekabel. Es ist das einzige Kabel, das man gelegentlich an die Oculus Quest anschließen muss. Die Akkulaufzeit des Gerätes hängt natürlich von der Verwendung ab. In unseren ersten Tests konnten wir knapp drei Stunden spielend verbringen, bevor wir sie an den Strom anschließen mussten.
Anstelle von Kopfhörern verfügt die Oculus Quest über im Headset integrierte Lautsprecher sowie ein Mikrofon. Der Raumklang ist anständig - in immersiven Spielen muss man manchmal sein Gehör nutzen, um Teamkollegen zu hören oder zu merken, dass sich etwas von hinten anschleicht. Dies kann gut sein, möchte man auch andere Menschen um sich herum hören oder sonstige Klänge aus der realen Welt wahrzunehmen. Wer Kopfhörer anschließen möchte, kann das über zwei 3,5-Millimeter-Kopfhörerbuchsen tun. Das würde ich für ein immersives Spielerlebnis auch empfehlen.
Traumhaft leichte Einrichtung
Das Schöne am Verzicht auf den PC ist, dass man mit der Quest direkt nach dem Auspacken loslegen kann. Es fehlen nur noch die Oculus-App und ein Konto. Die Einrichtung dauert nur eine Minute und seitdem muss ich nicht mehr auf mein Smartphone schauen. Im Vergleich zu einer VR-Software auf einem Windows-PC ist das ein absoluter Traum! Einfach aufsetzen und spielen, direkt hinein in die Action.
Dank der vier integrierten Tracking-Kameras bleibt die reale Umgebung über das Headset sichtbar. Oculus nennt diese Funktion Oculus Insight und sie ist immens nützlich, um den Spielbereich einzurichten. Die Welt um Dich herum erscheint in Schwarz-Weiß und die Entfernungen sind nicht ganz perfekt - es gab mir das Gefühl, wie ein Geist aus einer anderen Dimension zu sehen. Es hilft aber trotzdem, die Spielfläche im Blick zu behalten, um nicht ständig gegen die Möbel zu stoßen. Sobald dieser Bereich festgelegt ist, kann es losgehen. Die Quest aktiviert Insight automatisch, überschreitet man die definierten Grenzen - eine praktische Sicherheitsfunktion.
Das mitgelieferte Tutorial ist ausgezeichnet. Schritt für Schritt führt es in eine Spielumgebung und einfache Spiele ein. Das erleichtert Einsteigern den Einstieg in VR und macht sie mit dem gesamten Potenzial der Oculus-Touch-Bedienelemente vertraut. Dabei handhabt man virtuelle Objekte, lernt greifen und zielen, schießt und tanzt. Ich habe ein paar VR-Neulinge eingeladen, die Oculus Quest auszuprobieren: Ich habe zuvor noch nie jemanden gesehen, der so schnell damit klar kam, denn die Oculus Quest beseitigt einfach viele Hürden, die es bei früheren VR-Lösungen gab.
Scharfe Bilder in einem kleinen Paket
Das Oculus Quest hat vielleicht nicht die hochwertigsten Visuals auf dem Markt, doch die Ergebnisse sind absolut fantastisch . Die Auflösung von 1.600 x 1.440 Pixel pro Auge auf dem OLED-Panel ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der OG Oculus Rift und HTC Vive (1.080 x 1.200 pro Auge). Wenn Ihr also schon eines dieser mit dem PC verbundenen Headsets verwendet habt, vergesst nicht, dass die Quest mithalten kann.
Allerdings gibt es Einschränkungen bei dem, was das mobile SoC leisten kann. Deshalb kann die Bildqualität nicht mit neueren PC-gebundenen Headsets wie dem HTC Vive Pro, Samsung Odyssey+, HP Reverb oder sogar dem eigenen Geschwister-Headset Oculus Rift S mithalten.
Es gibt bei der Oculus Quest zudem einen auffälligen Fliegengitter-Effekt, der aufgrund des sichtbaren Pixelabstandes ähnlich aussieht wie der Blick durch ein feines Netz. Abgesehen davon, ist die Gesamtdarstellungen klar und die Farben leuchtend. Beim Spielen ist der Fliegengitter-Effekt schwer zu bemerken und die Grafiken sahen während meines gesamten Tests scharf und klar aus.
Standalone-VR macht unglaublich viel Spaß
Wie gelingt es der Oculus Quest also, qualitativ hochwertige VR-Spiele in einem kompakten Paket anzubieten? Ocolus ist es gelungen, einen Snapdragon 835 und 4 GByte RAM dank geschickter Optimierung zu einem wahren Wunderpaket zu bündeln.
Auf der Oculus Quest sind mehrere Spieledemos vorinstalliert, die neuen Nutzern einen Eindruck von den vielfältigen Möglichkeiten des VR-Spielens direkt nach dem Auspacken vermitteln. Dazu gehören das Lichtschwert-Rhythmusspiel Beat Saber und der Sci-Fi-Shooter Space Pirate Trainer. Mit Creed bekommt man Gelegenheit, in den virtuellen Boxring zu steigen, in Journey of the Gods kann man ein mystisches Abenteuer erleben und in Sports Scramble ein virtuelles Tennismatch spielen.
Wie Ihr seht, könnte man die Oculus Quest auch als eine tragbare VR-Spielekonsole betrachten. Für die gibt es einen eigenen Shop und eine beeindruckende Auswahl an Launch-Titeln wie Robo Recall, Apex Construct, Moss Tilt Brush, Rec Room und andere bewährte Titel. Selbst wenn ihr nur eine Quest zum Spielen habt, mangelt es nicht Spielen.
Das heißt aber natürlich nicht, dass hier nicht auch andere Dinge möglich sind. Für Kreative ist zum Beispiel auch Tilt Brush von Google verfügbar, es gibt einen Webbrowser und Virtual Desktop, und Ihr könnt Videos über eine YouTube-App und andere Streaming-Apps ansehen, wenn Ihr es eher etwas passiver mögt. Social-VR-Apps wie VRchat und Rec Room sind verfügbar, aber merkwürdigerweise sind es Facebooks eigene VR-Social-Apps momentan noch nicht.
Dann gibt es faszinierende Apps wie Vader Immortal, die eine lineare und interaktive Geschichten mit einigen "Spielaspekten“ erzählen, bei denen der Nutzer einige Aktionen ausführen oder sich auf Kämpfe einlassen muss, um Fortschritte zu erzielen.
Bei actiongeladenen Titeln wie Superhot VR, Beat Saber und Space Pirate Trainer, muss der Spieler in verschiedene Richtungen schlagen, Hindernisse überwinden und Angriffen ausweichen. Doch zu keinem Zeitpunkt war die Quest zu schwer oder hinderlich, noch wurde uns schwindelig. Mit Freude kann ich sagen, dass die Spiele auf der Oculus Quest genauso viel Spaß machen, wie auf der HTC Vive und Oculus Rift. Tatsächlich hält die Quest ihr Versprechen des eigenständigen VR-Headsets ein, das Versuche wie die Lenovo Mirage Solo nicht konnten.
Das 6DoF-Tracking über Oculus Insight verlief reibungslos, obwohl es natürlich Einschränkungen gibt. Wie Ihr vielleicht schon vermutet habt, ist die Quest verwirrt, wenn Ihr Eure Hände hinter dem Kopf versteckt. Und obwohl die Oculus Quest auch im Freien verwendet werden kann, wird das Tracking durch helles Sonnenlicht gestört, wodurch das je nach Lichtintensität entweder unregelmäßig oder komplett unbrauchbar wird.
Es ist wahr, dass die Oculus Quest nicht in der Lage sein wird, die anspruchsvollsten VR-Spiele der Zukunft zu bewältigen. Aber es ist auch wichtig zu erwähnen, dass Titel wie Beat Saber und Superhot VR gezeigt haben, dass die besten VR-Spiele nicht unbedingt die mit der komplexen Grafik sind. Stattdessen kann die Bewegungsfreiheit, die mit einem Standalone Headset einhergeht, viel dazu beitragen, dass ein Spiel unterhaltsamer und spannender wird.
Werdet Ihr ein grafisches Downgrade bemerken, wenn Ihr an PC-VR gewöhnt seid? Wenn Ihr bislang in Verbindung mit einem leistungsstarken Rechner in die Virtual Reality gestiegen seid, dann ja. Wie sich das auswirkt, hängt aber vom Spiel ab. In einem Interview mit den Entwicklern von Apex Construct zeigte das Studio beispielsweise, wie wenig Texturen für die Portierung auf die Quest verwendet wurden. Es ist ein Kompromiss zwischen Benutzerfreundlichkeit und Preis, der mit der Notwendigkeit grafischer Details abgewogen wird, die auch hohe Investitionen in PC-Hardware erfordern.
Auch wenn die Inhalte für die Oculus Quest solide sind, sollten Käufer wissen, dass der Oculus Store der einzige Weg ist, um dort ran zu kommen. Während dessen kann man bei einer PC-Verbindung die Hardware des Rechners aufrüsten und beispielsweise auch Spiele bei Steam nutzen. Bei der Quest bleiben die Einkäufe im Oculus-Ökosystem von Facebook, obwohl viele Titel Cross-Buy-Funktionen aufweisen, was bedeutet, dass Ihr die Spiele auch auf der mit dem PC-verbundenen Oculus Rift S nutzen könnt.
Ein perfekter Einstieg in die Virtual Reality
Auf den ersten Blick ist die Oculus Quest ein wirklich aufregendes neues Produkt. Es ist gut möglich, dass die Quest es schafft, VR massentauglich zu machen. Es ist nicht die grafisch reichhaltigste oder leistungsfähigste Option auf dem Markt, aber die VR-Spitzenprodukte bleiben Enthusiasten vorbehalten, die das nötige Kleingeld haben.
Stattdessen macht die Quest es einfach, in den VR-Markt einzusteigen. Damit gibt es keinen Grund, in einen teuren Gaming-PC zu investieren. Es braucht keine Software von Drittanbietern, kein umständliches Umschalten zwischen den Schnittstellen, keine hässlichen Sensoren im Wohnzimmer. Ihr könnt die VR-Brille auf die Party eines Freundes mitnehmen oder in den Urlaub. Einfache und schnelle Einrichtung, die einfach funktioniert. Die Quest ist eine VR-Lösung für Euch, Euer Kind und Eure Mutter.
Und letzteres ist ein Faktor, der nicht unterschätzt werden sollte. Wenn man Neulinge bisher in die VR eingeführt hat, war vielen schon der Einstieg zu kompliziert und ständig war da die Angst am Kabel hängen zu bleiben. Die Oculus Quest hingegen "funktioniert einfach" und bringt die VR aus der Nische unters Volk.
Mit Geräten wie der HTC Vive Pro und der Valve Index wird der VR-Markt auch weiterhin interessante Optionen bieten, aber im Moment genießt die Oculus Quest in Hinsicht auf Kosten, Komfort und Inhalte eine einzigartige Position. Für Einsteiger-VR ist es einfach perfekt. VR-Enthusiasten müssen andererseits die Bequemlichkeit (und die Einschränkungen) gegen den teureren, aber leistungsfähigeren Weg über den PC abwägen.
"Dank der vier integrierten Tracking-Kameras bleibt die reale Umgebung über das Headset sichtbar. Oculus nennt diese Funktion Oculus Insight und sie ist immens nützlich, um den Spielbereich einzurichten."
Das ist falsch. Insight ist das Trackingsystem, also das Inside-Out-Tracking incl-. Raumerkennung von Oculus. Dass man die "Realität" eingeblendet bekommt nennt sich Passthrough.
Vom Ansatz her finde ich die Oculus Quest super, kein anderes Zubehör (PC, Smartphone) wird benötigt. Würde ich gerne mal antesten!
VR und Tomb Raider ist ein klasse Erlebnis. 😎👍
Solange man sich in vielen Spielen per Teleportation fortbewegen muss ist VR uninteressant für mich. Dadurch fühlen sich größere Spiele einfach nur komisch an.
Dann stell dir erstmal vor, wie komisch es sich anfuehlt, wenn du drei Stunden Doom auf nem omnidirektionalen Laufband gezockt hast :D
Stimmt schon aber immerhin wäre es gutes Training :)