Weniger Mikroplastik: Mit Waschmaschinen ein bisschen die Welt retten
Hattet Ihr schon mal das Gefühl, dass Ihr ein Verhalten an den Tag legt, das weitgehend von Trägheit bestimmt ist? Als jemand, der über ein Dutzend Tech-Gipfel berichtete, hielt ich immer Ausschau nach den Produkten, die sich primär an Konsumenten richten – wie eben Smartphones. Doch dieses Jahr auf der IFA 2023 hat sich etwas geändert. Der Grund dafür ist ganz einfach: Wir verschlingen jede Woche das Äquivalent einer Kreditkarte an Plastik! Aber es gibt einen echten Ausweg daraus!
Zunächst mal: Ich möchte Euch nicht von irgendetwas überzeugen, aber ich hoffe, Ihr lest diesen Artikel von Anfang bis Ende. Ich halte es für ein Privileg, in einer Stadt mit einem starken Recyclingprogramm zu leben. Und obwohl der Fortschritt bei der Reduzierung der Zahl der Autos (noch) langsam ist, bietet die Stadt ausgedehnte Fahrradwege und ein gutes öffentliches Verkehrssystem. Ich lebe in Berlin, wo gerade eine der bekanntesten Technikmessen stattgefunden hat.
In den Hallen der IFA 2023 munkelte man, dass die diesjährige Elektronikmesse etwas langweilig war. Ich bin da teilweise anderer Meinung. Wir sahen zwar einige haarsträubende Trends und immer teurere Produkte, aber auch die Nachhaltigkeit spielte spürbar eine Rolle. Es gab sogar ein "Nachhaltigkeitsdorf" – was auch immer das heißen mag.
Fest steht jedenfalls, dass wir starke Investitionen im Bereich Energie gesehen haben. Hier bei nextpit arbeiten wir seit letztem Jahr eng mit Herstellern von Powerstations und Solar-Panels zusammen, um Inhalte rund um das Thema Energie zu entwickeln. Obwohl sich der Markt rasant entwickelt, ist die Produktterminologie nach wie vor verwirrend und es bedarf erheblicher Anstrengungen, um uns und Euch einen klaren Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen.
Mit anderen Worten: Der zunehmende Fokus auf Themen wie erneuerbare Energien und umweltfreundliche Produkte ist nicht überraschend, aber er stellt eine bemerkenswerte Veränderung für Veranstaltungen wie die IFA, für Medien wie nextpit und für Journalisten wie mich dar.
Zeit für eine ernsthafte Diskussion über Plastikmüll und die Rolle der Technik
Testberichte über Smartphones schreibe ich schon seit geraumer Zeit. Ich erinnere mich noch daran, als Unternehmen wie Samsung anfingen, über die Verwendung von recycelten Materialien in ihren Verpackungen zu diskutieren. Und ich erinnere mich auch daran, als die Verwendung von recycelten Materialien in Smartphones zum Trend wurde. Da war zum Beispiel auch die Einführung des iPhone 12, das ohne Kopfhörer und Netzteil auf den Markt kam. Zunächst spotteten andere Hersteller über Apple, nur um später den gleichen Ansatz zu verfolgen.
Auch wenn die Umweltauswirkungen des Weglassens von Ladegeräten noch immer umstritten sind und uns umfassende Daten zu diesem Thema fehlen, kann ich mir vorstellen, dass sich große Tech-Unternehmen wie Apple und Samsung auf einen weniger Greenwashing-lastigen Diskurs zubewegen. Ich habe das Gefühl, dass wir gerade eine neue Ära der Technik einläuten, in der Einfachheit auf großen Nutzen trifft.
Wie bereits erwähnt, bin ich nicht hier, um Euch von irgendetwas zu überzeugen, sondern um Euch ein paar Fakten zu präsentieren. Laut Statista wurden im Jahr 2021 weltweit etwa 390,7 Millionen Tonnen Plastik produziert. Und laut einer 2017 in Science Advances veröffentlichten Studie wurden nur etwa 9 Prozent des gesamten weltweit produzierten Plastiks recycelt.
Plastik ist überall – auch in Euren Köpfen. Neueste Forschungen zeigen, dass Plastik in Form von Mikroplastik bereits seinen Weg durch unseren Körper gefunden hat. Und laut einem Bericht der International Union for Conservation of Nature stellen synthetische Textilien mit einem Anteil von 35 Prozent den größten Anteil an dem Mikroplastik, das in unseren Weltmeeren schwimmt. Das macht Mikrofasern zu einer der größten Bedrohungen für die Gesundheit von Mensch und Meer.
Technologie rettet uns vielleicht nicht, aber sie kann uns helfen, Erfahrungen neu zu denken
Letzten Donnerstag stellte Samsung seine neue Waschmaschinen-Generation vor, die 2024 in den Handel kommt. Diese Maschinen sollen 40 Prozent energieeffizienter sein als die bisherigen Spitzenmodelle. Das Unternehmen sagt, dies sei Teil seiner umweltfreundlichen Initiative. Die Maschinen nutzen künstliche Intelligenz, um den Stromverbrauch zu steuern und den CO2-Fußabdruck der Benutzenden in einer Smartphone-App anzuzeigen.
Das Ziel ist es, Energiespitzen beim Wäschewaschen zu vermeiden. Diese Informationen werden direkt an Euer Smartphone gesendet und schärfen das Bewusstsein für Verhaltensweisen, die normalerweise unbemerkt bleiben.
Ich persönlich finde, dass sich Samsung mit der Hard- und Software seiner neuen Waschmaschine in die richtige Richtung bewegt. Was mich jedoch wirklich beeindruckt hat, war das Bewusstsein der Maschine für das Mikroplastikproblem, das beim Waschen entsteht.
Wie bereits erwähnt, tragen synthetische Textilien am meisten zur weltweiten Präsenz von schwimmendem Mikroplastik in unseren Ozeanen bei. Der größte Teil unserer täglichen Kleidung besteht aus synthetischen oder kunststoffbasierten Fasern wie Polyester. Beim Waschen lösen sich diese Fasern durch die Trommelbewegung der Maschine von der Kleidung ab. Sie werden dann mit dem Abwasser weggeschwemmt und gelangen schließlich ins Meer.
OceanWise, eine weltweite Organisation, die sich für den Schutz der Meere einsetzt und Partner von Samsung, schätzt, dass jährlich etwa 900 Tonnen Fasern in den nordamerikanischen Ozeanen landen. Das entspricht dem Gewicht von zehn Blauwalen! Alarmierenderweise haben Wissenschaftler diese Mikrofasern nicht nur in Wasserlebewesen gefunden, sondern auch in unserer Nahrung, im Trinkwasser und sogar in unserem Körper.
Der Öko-Energiemodus von Samsung bietet einen Kalt- und Schonwaschgang, der die Ausscheidungsrate um bis zu 54 Prozent reduziert und so die Umweltbelastung durch Mikrofasern mit einer einfachen Änderung der Einstellung halbiert.
Es gibt jedoch eine noch effektivere Lösung: Mikrofaserfilter für Waschmaschinen. Laut Samsungs Studien können diese bis zu 98 Prozent der ausgefallenen Mikrofasern auffangen. Das Unternehmen stellte diese eigene Lösung auf der IFA vor und bringt das Gerät voraussichtlich 2024 auf den Markt.
Die (R)Evolution der Waschmaschinen-Mikroplastik-Filter
Samsung ist zwar ein großer Name im Bereich Haushaltsgeräte, aber das Unternehmen ist auch dafür bekannt, dass es die Dinge unnötig kompliziert und damit teuer macht. Daher glaube ich, dass die Zukunft der Mikroplastikfilter für Waschmaschinen von kleinen und innovativen Startups geprägt sein wird. Auf der IFA hatte ich die Gelegenheit, zwei von ihnen kennenzulernen: Cleanr und Matter.
Die treibende Kraft hinter beiden Unternehmen ist mehr oder weniger dieselbe:
- Waschmaschinen sind die größte Quelle für Mikroplastik in der Umwelt.
- Ab dem 1. Januar 2025 müssen in Frankreich und Großbritannien neue Waschmaschinen mit Mikroplastikfiltern ausgestattet sein. Auch in Nordamerika, darunter in Bundesstaaten wie Kalifornien, Illinois, New Jersey und Oregon sowie in Ontario in Kanada, werden ähnliche Gesetze erwogen, die im selben Jahr in Kraft treten könnten.
- Obwohl Privatpersonen den Filter bestellen können, richtet sich diese Technologie in erster Linie an Waschmaschinenhersteller.
Die Cleanr-Lösung ist "von der Natur inspiriert", so Max Pennington, CEO und einer der Mitbegründer von Cleanr. "Die Art und Weise, wie Fische Wasser filtern, ist die Grundlage für unsere Kerntechnologie. Dies ist die erste vollständig statische Lösung, die die französischen Vorschriften erfüllt."
Wie funktioniert der Filter? Er wird mit zwei Schläuchen auf der Rückseite geliefert, die an die vorhandenen Wasserleitungen Eurer Waschmaschine angeschlossen werden. Schließt Eure Waschmaschine einfach an diese Schläuche an; ein neuer Schlauch für diesen Zweck ist in der Packung enthalten. Die Idee ist, den Filter über der eigentlichen Waschmaschine zu positionieren.
Einmal installiert, ist die Waschmaschine so ausgestattet, dass sie Mikroplastik, das größer als 50 Mikrometer ist, herausfiltert. Deine einzige Aufgabe ist es, den Kanister einmal pro Woche zu entfernen. Ihr habt dann die Möglichkeit, den Inhalt entweder zu recyceln oder über den Müll zu entsorgen.
Die Matter-Lösung für die Filtration von Mikroplastik heißt Gulp und ist derzeit über eine Kickstarter-Crowdfunding-Kampagne erhältlich. Obwohl sie dem oben beschriebenen Filter ähnelt, unterscheidet sich die Idee von Gulp dadurch, dass sie keine Einwegfilter benötigt.
In einem Gespräch mit Scott Voisey, Produktmanager bei Matter, erklärte er, das Ziel des Unternehmens sei das Minimieren von Abfall. Aus diesem Grund wird eine kleine Schaufel mitgeliefert, um Mikroplastik und andere Abfallstoffe aus dem Waschgang zu entfernen. Auch wenn es für manche unsympathisch klingen mag, ich persönlich bevorzuge diesen Ansatz.
Synthetische Mikrofasern im Abwasser stellen also eine erkennbare Gefahr für die Umwelt und die menschliche Gesundheit dar. Wir kommen täglich durch Essen, Trinken und Atmen mit diesen Mikrofasern in Kontakt. Die Aufsichtsbehörden treiben die Gesetzgebung voran und machen es wahrscheinlich, dass Eure nächste Waschmaschine einen Filter benötigt.
Die Mikroplastikfilter Matter und Cleanr kommen voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2024 auf den Markt. Die Preise stehen bislang nicht fest, da noch eine Reihe von Variablen wie Design, Vertrieb und kommerzielle Partnerschaften geklärt werden müssen. Momentan gehen beide Unternehmen jedoch von einem Preis von 100 bis 150 US-Dollar pro Stück aus.
Fazit
Ganz am Anfang dieses Leitartikels habe ich ein grundlegendes Prinzip der klassischen Mechanik erwähnt, das in Isaac Newtons erstem Bewegungsgesetz beschrieben wird. Das Trägheitsprinzip besagt, dass ein ruhendes Objekt in Ruhe bleibt und ein bewegtes Objekt in Bewegung bleibt, solange keine äußere Kraft darauf einwirkt.
Auf der diesjährigen IFA habe ich beschlossen, aus der Smartphone- und Wearable-Blase herauszutreten und Euch Informationen an die Hand zu geben, über die ich in der Vergangenheit nicht berichtete.
Ich wusste zwar schon immer, dass das Thema Plastik ein "Ding" ist. Aber erst jetzt steige ich in die Diskussion zur Rolle der Technologie bei der Schaffung einfacher Lösungen für sehr komplexe Probleme ein. Nochmals: Wir nehmen jede Woche Plastik im Gesamtgewicht einer Kreditkarte zu uns – die IFA hat meine selbstgefällige Meinung über die Rolle der Technik in diesem Zusammenhang auf den Kopf gestellt.
Hier bin ich also, um mit meiner Trägheit zu brechen und mich nicht über den Mangel an neuen und aufregenden Smartphones auf einem weiteren Tech-Gipfel zu beschweren. Ich bin hier, um Euch mehr darüber zu erzählen, wie einige innovative Unternehmen das Mikroplastikproblem angehen.
Mag sein, dass die meisten von uns in den nächsten zwei, fünf oder zehn Jahren keine neue Waschmaschine mit Mikroplastikfilter kaufen. Ich glaube aber, dass dies eine der einfachsten Möglichkeiten ist, wie die Technik einen echten Einfluss auf das Leben zukünftiger Generationen haben kann. Ich hoffe sehr, dass ich recht behalte.
Wie steht Ihr zu diesem Thema? Diskutiert das gerne mit der nextpit-Redaktion – unten in den Kommentaren!
Wie immer für jeden Mist will man nur unser B E S T E S !
Interessanter Beitrag. Dennoch muss die technische Lösung absehbar einfacher werden. Zum einen ist mir die "Nahrungskette", wie die Mikroplastik aus der Waschine in den menschlichen Körper gelangt, durchaus noch nachvollziebar aber wie das Zeug aus einer Kläranlage womöglich mitten in Deutschland ins Meer gelangen sollte, dann eher nicht mehr....
Ein sehr interessanter Artikel, und eine erfreuliche Entwicklung zur Bekämpfung von Mikroplastik im Wasser. Mich wundert allerdings, dass man sich dazu nicht zu einem zentralen Ansatz entschlossen hat, also der Filtrierung in den Klärwerken, wo ohnehin ein immenser Aufwand zur Reinigung der Dreckbrühe Abwasser betrieben wird, mit schon jetzt mehrstufiger Filtertechnik. Ein solcher Ansatz wäre schneller und vermutlich auch viel billiger trotz aufwändigerer Filtriertechnik, statt Einzelfiltern in jedem Haushalt.
Noch was: Es gibt keine "nordamerikanischen" Ozeane.
Der Atlantische Ozean grenzt nicht nur an Nordamerika, sondern auch an Südamerika, Europa und Afrika. Der Pazifische Ozean grenzt an Nord- und Südamerika sowie Asien und Australien, und der Indische Ozean an Afrika, Asien und Australien, alle grenzen zudem an die Antarktis. Und das war's mit den Ozeanen, mehr gibt es nicht. (Allerdings bezeichnen Manche das Südpolarmeer auch als "Südlichen Ozean" und das Nordpolarmeer als "Arktischen Ozean". Rein nordamerikanisch ist allerdings auch von denen keiner.)
Sollten die fünf grossen Seen gemeint sein, Oberer See, Huronsee, Michigansee, Eriesee und Ontariosee, so liegen die zwar ausschließlich in Nordamerika und gehören zum größten Teil zu den USA, zu einem kleineren zu Kanada, aber obwohl das riesige Süßwasserseen sind, sind sie doch winzig im Vergleich zum selbst kleinsten Ozean, dem Indischen Ozean und halt keine Ozeane. Naja, manche bezeichnen den Bodensee auch als "Schwäbisches Meer", und wenn der ein Meer ist, dann sind die fünf großen Seen auch Ozeane.
Mikroplastikfilter in der (eigenen) Waschmaschine verhindert nicht, dass wir jede Woche ca. 5 Gramm an Mikroplastik "zu uns nehmen". Das würde nur dann weniger werden, wenn wir nichts mehr essen, nicht mehr atmen und das Abwasser einer solchen Waschmaschine trinken; das aber hätte wohl andere Gefahren.
Was das Trinken angeht, so gibt es jedoch eine sehr einfache und sehr kostengünstige Lösung. Einer WWF-Studie zufolge nehmen Menschen das meiste Mikroplastik über Trinkwasser auf - Wasser aus Flaschen ist dabei im Allgemeinen mehr betroffen als Leitungswasser. Dafür ist vermutlich die Flasche selbst oder der Produktions- beziehungsweise Transportprozess verantwortlich. Leitungswasser aus Grundwasservorkommen ist in Deutschland unbedenklich. Einfacher, billiger und effizienter als Leitungswasser kann man nicht sich selbst und der Umwelt etwas Gutes tun.
Es bedarf erheblich mehr solcher Technik, um einen echten Einfluss auf das Leben zukünftiger Generationen zu nehmen. Weltweit - obendrein.
"Auf der diesjährigen IFA habe ich beschlossen, aus der Smartphone- und Wearable-Blase herauszutreten und Euch Informationen an die Hand zu geben, über die ich in der Vergangenheit nicht berichtete."
Das kann ich wirklich nur begrüßen. Wer stehen bleibt, bleibt zurück. Vielen Dank für den informativen Artikel.
Da schließe ich mich an. Das Thema ist für mich interessant, aber irgendwie nicht greifbar. So wirklich vorstellen kann ich mir das mit der Kreditkarte auch noch nicht. Wie viel davon bleibt in unserem Körper, wo bleibt es, was tut es dort und wie viel kommt wieder raus? Wir kaufen nach Möglichkeit immer Kleidung mit hohem, besser aus 100% Baumwolle. Geht halt nicht immer, wenn man z.B. gerne Elasthan in dem Kleidungsstück haben möchte oder es wasserresistent sein muss.
Bin beim Nutzen dieser Filter aber irgendwie skeptisch. Abwasser wird doch i.d.R. gefiltert? Oder nicht?
Davon ab: Finde generell Lösungen ohne Einwegfilter auch immer besser. Und sofern es machbar ist, wirkt alles andere wieder wie indirekte Abzocke ;)