HTC Vive im Test: Virtual Reality in Hochform
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Virtual Reality kommt im Wohnzimmer an. So wollen es zumindest Vive und Oculus. Wir hatten über mehrere Wochen hinweg eine Vive in der Redaktion und haben sie ausgiebig verwendet. Imposant und beeindruckend ist die Vive, aber ist es wirklich die Zukunft des Gaming? Und wie sieht es mit Bildungsinhalten aus?
Pro
- Präzises Room-Scale-Tracking
- Beeindruckende VR-Qualität
Contra
- Kabel gebunden
- Fliegengittereffekt
HTC Vive: Preis und Verfügbarkeit
Das Basisset der Vive besteht aus dem Headset, zwei Controllern und zwei Tracking-Basisstationen. Dieses Paket kostet 899 Euro.
Uns stand zeitweise der Audio-Deluxe-Strap zur Verfügung, für das zusätzliche 119,99 Euro fällig werden.
Alleine die Vive macht aber nicht glücklich: Es braucht schon einen stattlichen PC, um die Vive zu befeuern. Prozessor, Grafikkarte und RAM müssen ausreichend dimensioniert sein. Unter 800 Euro ist ein VR-fähiges PC-System wohl kaum zu realisieren - rechnet eher mit 1.000 Euro oder mehr.
HTC Vive: Design und Verarbeitung
Das Design der Vive ist natürlich Geschmackssache. Von außen betrachtet wirkt es, als hätte man ein Brett vorm Kopf. Aber davon sieht man als User ja glücklicherweise nichts.
Viel wichtiger ist also der Tragekomfort. Und der ist richtig gut. Die Gesichtspolster decken nicht nur Licht ab, sondern fühlen sich weich an. Somit wird die Vive auch nach längeren Sessions nicht unangenehm. Das gilt auch für das Gewicht: Ja, schwer wirkt sie schon, die Vive. Ist sie aber einmal aufgesetzt, ist davon nicht viel zu spüren. Das liegt an den guten Halteriemen, die das VR-Headset festhalten und auf dem Kopf ausbalancieren.
Die Controller sind speziell für VR-Inhalte ausgelegt. Sie sind größer als von klassischen Spielen gewohnt, dafür aber auch innerhalb der virtuellen Realität gut zu halten. Knöpfe sind leicht zu finden. Hat man das Headset auf, werden die Controller oftmals direkt eingeblendet.
Nervig ist dagegen, dass die Vive eine kabelgebundene Lösung ist. Über drei miteinander verbundene Kabel laufen die Bild-, Ton- und Tracking-Signale. Intel und TPCast arbeiten an drahtlosen Übertragungswegen, diese werden aber zusätzlich kosten. Als Alternative gibt es spezialisierte Computer, die auf dem Rücken wie ein Rucksack getragen werden. Unser XMG Walker PC machte aber während der Testphase schlapp.
HTC Vive: Display
Vor den Augen liegen zwei AMOLED-Displays mit einer Auflösung von je 1.080 x 1.200 Pixel. Zwei Linsen sorgen dafür, dass die Vive ein Sichtfeld von 110 Grad darstellen kann.
Wie ist es nun um die Darstellungsqualität bestellt? Hier sind mehrere Faktoren am Werk: Einerseits natürlich das Display. Die Pixeldichte ist nicht hoch genug, sodass die Pixelmatrix erkennbar ist - besser bekannt als Fliegengittereffekt: Zwischen den einzelnen leuchtenden Pixeln ist eine feine schwarze Linie sichtbar. Gerade in ruhigen VR-Momenten bei hellen Farben ist dies deutlich wahrzunehmen. Sobald aber Bewegung ins Spiel kommt oder die Szenerie dunklere Farben aufweist, gibt es keinen Grund zur Klage mehr.
Richtig ist aber auch: Aktuell ist die Vive nicht in der Lage, einfarbige Flächen optimal darzustellen.Trotz der mitunter grobkörnigen Grafik ist der 3D-Eindruck imposant. Das Gehirn nimmt die VR an und so ist der User tatsächlich in eine ganz andere Welt versetzt. Apps wie Richies Plank Experience nehmen das auf und zeigen, dass die Vive den Höheneindruck perfekt rüber bringt.
Es gibt noch eine weitere Dimension, die für die Grafikqualität eine entscheidende Rolle spielt: Der PC. Hier ist es vor allem die Grafikkarte, die beide Vive-Displays mit 90 Bildern pro Sekunde befeuern muss. Je leistungsstärker die GPU ist, um so hübscher die Vive-Grafik. Unser Testrechner ist mit einer Geforce GTX 1060 ausgestattet - ein Chip, der leistungsmäßig an der unteren Grenze der Vive-Anforderungen steht.
In unserem Screen-Recording von Batman Arkham VR ist zu sehen, was mangelnde Grafikleistung bedeutet: Im Zentrum des Sichtfelds rendert das System die Grafik in hoher Auflösung, zu den Rändern hingegen nimmt die Auflösung drastisch ab. So sehr, dass beispielsweise Schriften nicht mehr zu entziffern sind. Diese Ressourcensparmaßnahme kommt je nach Spiel unterschiedlich stark zum Einsatz. Batman zählt dabei zu den forderndsten VR-Spielen, die wir gestartet haben. Weil aber die Augen ohnehin nur im Zentrum optimal scharf sehen, ist der Effekt bei Weitem nicht so störend wie im Film zu sehen. Batman ist auch trotz dieses Effekts ein einzigartiges Erlebnis.
Entscheidend für die VR-Qualität ist, dass die Framerate bei 90 Bildern pro Sekunde bleibt. Ruckler würden das VR-Erlebnis komplett zunichte machen. Tatsächlich haben wir im Test Aussetzer oder Ruckler praktisch nie erlebt. Weil die Grafik und das Tracking so latenzarm ist, hatten wir praktisch keine Probleme mit Motion Sickness.
HTC Vive: Besonderheiten
Vive: Tracking
Gegenüber allen anderen VR-Systemen auf dem Markt setzt sich die Vive durch Ihr präzises Tracking ab. Dafür braucht es zwei Basisstationen, die die Lighthouse genannte Tracking-Methode umsetzen. Die funktioniert so: Ein IR-Blitz wird von den Basistationen ausgesendet und die Sensoren in den Controllern und im Headset erkennen diesen. Daraufhin starten die Sensoren einen Timer und sie melden an das Vive-Tracking-System, wenn sie von einem IR-Laser getroffen werden, der nach dem IR-Blitz die Spielfläche flutet (ganz ähnlich, wie ein LAser in Lasershows). Aus diesen vielen Zeitinformationen kann die Vive-Software die beiden Controller und die VR-Brille positionieren. Das Tracking ist nicht nur auf diese drei Geräte beschränkt: Der Vive Tracker erlaubt es Bastlern, Dinge in die VR-Welt zu integrieren. Denkbar wäre auch, Füße mit dem Tracker in VR einzuarbeiten. In unserem Setup hatten wir aber keinen Vive Tracker im Einsatz.
Die Qualität des Trackings ist enorm präzise. Setzt man die Brille auf und die Controller liegen am Boden, ist es dank des Trackings und der latenzarmen Grafik möglich, die Controller quasi blind zu greifen. Genau das ist immer wieder ein spektakuläres Gefühl, weil es zeigt, wie gut der Körper und das Gehirn in der virtuellen Realität zurecht kommen.
Theoretisch lässt sich die Vive als stationäre Lösung für einen Schreibtischplatz einrichten. Aber ohne Zweifel ist die Paradedisziplin der Vive das Room-Scale-Tracking. Dann kann man sich in einem abgesteckten Feld bewegen. Dafür braucht es aber natürlich den entsprechenden realen Platz ohne Hindernisse.
Weil unsere Tracking-Basisstationen nur auf Stativen angebracht waren, hat es sich eingebürgert, vor jeder Session den Raum neu einzumessen. Das sollte bei einer festen Installation nicht notwendig sein.
Vive: Impressionen
Spiele und Bildungs-Apps können dank der Vive die komplette Wahrnehmung des Users übernehmen. So ist man mittendrin und meist geht schon nach wenigen Minuten, wenn nicht sogar Sekunden, die Orientierung im realen Raum verloren. Die Vive blendet aber ein Gitter ein, wenn man den realen Grenzen des Spielraums zu nahe kommt.
Wer auch immer aus dem AndroidPIT-Team die Vive aufgesetzt hat, war begeistert. Erst-Viver waren vollkommen beeindruckt, wie realistisch die Wahrnehmung der Umgebung ist. Richie’s Plank Experience ist ein krasser Start: Hier gilt es, auf ein Sprungbrett zu treten, das in schwindelerregender Höhe auf dem Dach eines Hochhauses angebracht ist. Natürlich nimmt die Wirkung nach mehrmaligen Betreten der Planke ab, das erste Mal ist aber schwer zu vergessen.
Actionreiche Spiele wie SuperHot VR wiederum sind nicht nur nervenaufreibend, sondern auch schweißtreibend: Obwohl sich die Gegner nur dann bewegen, wenn sich der Spieler bewegt, ist das Spiel nicht langsam: Manchmal muss man auf den Knien in anstrengenden Positionen ausharren und spätestens nach einer halben Stunde wird das Spiel richtig sportlich.
HTC Vive: Software
Das Setup der Vive haben wir bereits in einem eigenen Artikel beschrieben. Bei unserem Rucksack-PC kam es dabei zu einigen Problemen, die wir aber mit einem anderen neu aufgesetzten Windows-10-PC in der Form nicht hatten.
Vive ohne Inhalte? Undenkbar. Also gilt es, die möglichen Content-Quellen auszupressen. Gerade für Spiele ist Steam der schnellste Weg. Neben speziellen VR-Spielen gibt es bei manchen Spielen auch einen VR-Modus. Everspace ist dafür ein Beispiel: Das Weltraumspiel bringt von Haus aus einen VR-Modus mit, der aber ein Gamepad benötigt. Außerdem gibt es nur die Möglichkeit, Everspace sitzend zu spielen, was natürlich bei einem Weltraum-Shooter Sinn ergibt.
SuperHot wiederum ist ein ganz anderer Fall: Die VR-Version ist ein eigenständiges Spiel und verfügt über eigens gestaltete Level - somit ist es ein zusätzlicher Kauf. Überhaupt ist das Spielprinzip bei VR-Spielen häufig stärker an Bewegung ausgerichtet und weniger an einer tiefgehenden Story.
Eine zweite tolle Quelle für VR-Inhalte ist der Viveport. Nennenswert ist insbesondere die Viveport Subscription. Die kostet 7,99 Euro im Monat und gewährt monatlich Zugang zu fünf auswählbaren Spielen. Für Vive-User eine unbedingte Empfehlung, zumal der erste Monat kostenlos ist.
HTC Vive: Audio
In der Standardausführung fehlt der Vive eine Soundausgabe. Daher sind Kopfhörer meist unabkömmlich. Jüngst präsentierte HTC Vive das Deluxe Audio Strap. Dieses ergänzt kleine Kopfhörer und steigert den Tragekomfort erheblich. Denn die Größeneinstellung des Headsets ist mit einem kleinen Rädchen justierbar.
Zurück zum Sound: Mit dem Deluxe Audiostrap ist die Soundkulisse ebenso grandios wie die Optik. Man taucht völlig in die Szenerie ein und hört von der wahren Welt beinahe nichts mehr. Die kleinen Boxen legen sich dabei sanft aufs Ohr, umschließen es aber nicht. Der Tragekomfort ist auch bei längeren Sessions super. Die Qualität der kleinen Lautsprecher ist recht gut: Auch der Soundtrack von Spielen klang voll und wuchtig.
Ohne das Audiostrap ist der Klang natürlich von den Kopfhörern abhängig. Gerade im Testbetrieb hat sich das LG-Headset Tone Studio bewährt, denn dieses hat nicht nur In-Ear-Kopfhörer, sondern verfügt über kleine eingebaute Boxen. Damit hört der Spieler noch, was außen gesagt wird.
Abschließendes Urteil
Keine Frage: Die Vive macht richtig Spaß. Ist das Setup einmal gemeistert, begeistern Inhalte wie SuperHot VR oder Batman Arkham VR mit intensivem Spielerlebnis. Ganz überwiegend ist die Spieldauer von VR-Spielen kürzer, was gerade die guten durch Intensität wettmachen.
Im Vergleich mit Smartphone-VR ist die Vive klar überlegen. Das Tracking ist präziser, die Grafik besser und es gibt viele spannende und aufregende Inhalte. Die Kosten hingegen sind hoch. Und so dürfte für viele VR-Interessierte nicht die Investition in eine Vive der erste Schritt sein, sondern vielmehr der Besuch eines Arcade-Cafés mit Vive-Spielraum.
VR mit einer Vive oder anderen VR-Brillen wird in den kommenden Jahren in einigen Lebensbereichen Fuß fassen. Die Technik ist weit genug und sowohl Spiele als auch der Wissensvermittlung stehen ganz neue Möglichkeiten offen. Diese erste VR-Generation ist aber eher ein Vorgeschmack: Noch stören Kabel und die Displays sind noch nicht hochauflösend genug. All das wird sich bestimmt mit der nächsten Generation ändern, die ist aber frühestens für Ende 2018 zu erwarten.
Virtuelle Realität ist z.Zt. noch nicht wirklich bezahlbar. Knapp 600-1000 Euro ist es mir (noch) nicht wert. Zudem sind alle Lösungen mit zuvielen Kompromissen behaftet (Kabelsalat, Auflösung o.ä.) m.M.n.
Das fand ich damals interessant. Also die Reaktionen in dem eingebundenen Video.
https://www.androidpit.de/pornos-in-3d-so-sieht-der-sex-spass-mit-vr-brillen-aus
Aber die Entwicklung ist seitdem nicht stehen geblieben. Neue IoT-Geräte wie Teledildos geben dem Begriff "Interaktivität" eine ganz neue Bedeutung...
Der Artikel ist in voller Länge leider kostenpflichtig:
https://www.heise.de/ct/ausgabe/2017-13-Die-Zukunft-der-Pornografie-VR-AR-und-Teledildonik-3731474.html