Es ist nicht alles neu, was glänzt: Augen auf bei Amazon
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Amazon ist in Deutschland der beliebteste Onlineshop. Fast die Hälfte aller Menschen hierzulande bestellt bei dem Versandhändler. Die Zahlen sprechen Bände: Im Jahr 2023 wurden fast 850 Millionen Amazon-Pakete versendet. Im Schnitt bekommt also jeder von und zehn Pakete pro Jahr. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Amazon unterbietet häufig die Preise anderer Shops. Dass so viele dort einkaufen, ist aber auch kein Zufall. Amazon arbeitet mit einer Reihe manipulativer Tricks, wie eine Studie der Europäischen Kommission zeigt. Und mit Design und Farben lenkt man seine Kunden dahin, wo man sie haben möchte. Zudem ist uns jetzt ein weiteres, teils intransparentes Vorgehen aufgefallen.
Amazon: Deshalb solltet ihr bei niedrigen Preisen jetzt aufpassen
Meist sind die Preise bei Amazon ähnlich hoch oder niedrig wie die in anderen Onlineshops. Manchmal findet man aber das eine oder andere Produkt zu einem günstigeren Preis. Die Unterschiede sind meistens aber nicht besonders groß. Doch uns fiel in den vergangenen Wochen auf, dass so mancher beliebter Artikel plötzlich deutlich günstiger ist. So gibt es etwa einen der beliebtesten Kopfhörer von Sony aktuell für gut 160 statt 220 Euro*. Und das ist nur ein Beispiel von mehreren. Schaut man sich hier aber etwas genauer um, wird klar: Hier handelt es sich nicht um Neuware.
Amazon verkauft hier gebrauchte Kopfhörer – was auch den deutlich niedrigeren Preis erklärt. Aber dem Käufer könnte durchaus entgehen, dass er es hier mit einem gebrauchten In-Ear-Kopfhörer zu tun hat. Stattdessen freut er sich über das Schnäppchen und greift zu. Das Problem: Amazon weist auf der Produktseite zwar darauf hin, dass es sich hier um gebrauchte Ware handelt. Doch man muss schon sehr genau hinsehen, um das zu erkennen. Ihr findet den Hinweis relativ verborgen in dem Fenster, in dem sich auch der gelbe Button "In den Einkaufswagen" befindet. "Ob Verbraucher:innen tatsächlich immer den Hinweis „gebraucht“ vor dem Betätigen des Kaufen-Buttons wahrnehmen, wage ich zu bezweifeln", erklärt uns Carola Elbrecht vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Wo fehlt die Transparenz?
Warum Amazon den Hinweis darauf, dass es sich um gebrauchte Artikel handelt, auf seiner Internetseite nicht prominenter anzeigt, wollten wir auch von dem Onlineshop wissen. Alles, was wir erhielten, waren aber nur zwei Hinweise zu den eigenen Seiten Retourenkauf und "Amazon Renewed". Während Amazon in der App etwa direkt über den Preis anzeigt, dass es sich um einen gebrauchten Artikel handelt, ist das auf der Internetseite im Browser nicht so deutlich vermerkt.
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"In der App gelingt es Amazon schon ziemlich gut, transparent auf den Umstand hinzuweisen, dass es sich um eine gebrauchte Ware handelt", bestätigt uns auch Elbrecht vom vzbv. "Beim Kauf auf der Webseite von Amazon ist – um es mal vorsichtig auszudrücken – noch eine Menge Luft nach oben."
Die Folgen für Kunden
Ob versehentlich oder ganz bewusst: Wer einen Artikel bei Amazon gebraucht kauft, kann diesen - wie bei Neuware – zurückschicken, wenn er einem nicht gefällt. "Genau wie bei jedem anderen Kauf bei Amazon kannst du den Artikel gemäß den Rückgabebedingungen von Amazon zurücksenden, wenn du aus irgendeinem Grund nicht mit dem Produkt zufrieden bist", erklärt Amazon auf seiner Retouren-Seite. Zudem versichert der Händler, dass jedes gebrauchte Produkt vor einem Weiterverkauf gründlich getestet und gegebenenfalls repariert wird. Aber: Da es sich bei den gebrauchten Artikeln auf Amazon um zurückgegebene Produkte handelt, gilt die Herstellergarantie, welche auf den ursprünglichen Besitzer beschränkt sein kann, möglicherweise nicht. Es gilt dann nur die gesetzliche Gewährleistung. Und diese beträgt bei Gebrauchtwaren 12 statt 24 Monate.
"Der Händler kann sich zum Beispiel vorbehalten, die Gewährleistungsrechte auf ein Jahr (anstatt zwei Jahre bei Neuware) zu beschränken", sagt uns auch Elbrecht vom vzbv. "Das kann zur Folge haben, dass sich ein etwaiger Anspruch auf Reparatur oder Ersatzlieferung ab dem 13. Monat nach Erhalt der Gebrauchtware nicht mehr durchsetzen lässt." Vor diesem Hintergrund sei es absolut wichtig für Verbraucher zu wissen, ob sie gebrauchte oder neue Ware erwerben.
Darauf sollte man bei Amazon jetzt achten
Wer einen Artikel bei Amazon kauft, sollte also darauf achten, ob er Anzeichen dafür sieht, dass es sich um gebrauchte Ware handelt. Und auch die Mails beachten, die er oder sie im Anschluss an den Kauf von Amazon erhält. Wünschenswert wäre es, dass Amazon auf der Internetseite – wie in der App – deutlicher sichtbar macht, dass es sich um gebrauchte Ware handelt. Wie bei gebrauchten Artikeln, etwa bei eBay oder Kleinanzeigen, wäre es zudem wünschenswert, wenn sich Seiten mit Gebrauchtware bei Amazon von Seiten mit Neuware unterscheiden. Etwa bei der Beschreibung der Artikel und den Bildern. Echte Fotos der gebrauchten Artikel gegenüber Bildern der Hersteller würden hier mehr Aufschluss über den Zustand gebrauchter Produkte bieten.
Ich fand den Hinweis (mittlerweil scheint das Angebot vergriffen), dass die Hörer gebraucht sind, schon eindeutig und auch an der richtigen Stelle, aber mehr geht natürlich meistens.
Dass man für einen fast neuen Artikel, Retourenware kann ja nicht lange in Gebrauch gewesen sein, bei einem Rabatt von fast 30% (beim Beispiel der Hörer) auch ein Risiko bei Garantie und Gewährleistung eingeht, ist eben Teil des Deals und ich halte das für nicht unfair. Wer das nicht will, kann ja gleich zu Neuware greifen und mehr bezahlen, oder auf entsprechende Sonderangebote für Neuware warten.
Grundsätzlich halte ich den vergünstigten Verkauf von Retourenware aber für sinnvoll und nachhaltig.
Den Reiz von Amazon macht für mich auch nicht aus, dass die Ware jetzt grundsätzlich deutlich billiger wäre als beim Wettbewerb oder einzelne Schnäppchen, die man auch beim Wettbewerb immer wieder findet, sondern eine Kombination interessanter Eigenschaften:
- sehr schneller Versand, insbesondere für Prime-Kunden, oft ist die Ware schon am nächsten Tag da
- kostenloser Versand für Primekunden oder bei einem Bestellwert von über 39 € oder Zustellung an eine Paketstation
- sehr große Produktauswahl bei einem Anbieter
- gut erreichbarer und freundlicher, kulanter Service, wenn es mal Probleme gibt
- häufige (!!!) Zeiträume mit Sonderangeboten wie Primeday oder Black Friday, in denen man bei aufschiebaren Anschaffungen viel sparen kann
Leider gab es für Primekunden auch ein paar ärgerliche Einschränkungen in den letzten Jahren:
- Werbeunterbrechungen beim Filmangebot, wenn man nicht mehr bezahlen möchte
- Wegfall (?) der Möglichkeit, Filme für 99 ct zu leihen, hab ich jedenfalls eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr angeboten bekommen
- das inklusive "kleine Musikabo" wurde nach meinem Empfinden so verschlimmbessert, dass ich es nicht mehr nutze, was auch für die einst vorhandene Möglichkeit zutrifft, ein Kindlebuch freier Wahl pro Monat kostenlos auszuleihen
Ich kann euren Screenshot nicht nachvollziehen. Wenn ich auf den Link zu den In-Ears klicke kann ich unterscheiden zwischen neu und gebraucht. Und das auch sehr auffällig. Kann es sein, dass "neu" gerade nicht so richtig zur Verfügung stand, als ihr das aufgenommen habt? Was waren denn die anderen optionen weiter unten (2)?
Generell finde ich, sollte man *immer* seine Bestellung kontrollieren. Erstens, *bevor* man etwas in den Einkaufswagen legt und dann beim Bezahlen nochmal. Ich glaube, bei Amazon lässt man sich durch den regelmäßigen Gebrauch schneller dazu verleiten, alles durchzuwinken. Da sehe ich eine Teilschuld beim Verbraucher. Vllt. sollte man den gelben Button bei Gebrauchtware umbenennen.
An der Kasse könnte das "Gebraucht" allerdings nochmal etwas markanter erscheinen, da stimme ich zu.
Auf der Website steht eindeutig: "Gebraucht kaufen für". Ich finde nichts falsches daran, dass Amazon beim Kunden eine Grundintelligenz voraussetzt.