Verliert Android seine größte Stärke?
Das Schwächeln der Custom-ROMs war Anlass, dass wir Modder zum Thema befragt haben. Dabei hat sich herausgestellt, dass das nur ein Symptom einer Schwäche im System Android als Ganzes ist. Ein SlimROM-Entwickler legt den Finger auf die Wunde.
Lange Zeit waren Custom-ROMs eine spannende Angelegenheit und Androids offen zugänglicher Kern wurde als wichtigster Vorteil gegenüber iPhones oder Windows-Phone-Geräten wahrgenommen. Die vielfältige Software zeigte, dass Android-Smartphones so frei sein können wie PCs, denen fast egal ist, welches Betriebssystem man auf ihnen installiert.
Hast Du keine Lust mehr auf Samsungs Bloatware? Kein Problem: Gehe einfach in ein Forum, lies Dich eine Stunde lang schlau und installiere ein Custom-ROM. Doch diese Zeiten scheinen sich zu ändern. Der Markt der Custom-ROMs scheint zu schrumpfen und der Grund, warum dies offenbar geschieht, ist bedauerlich.
Cyanogen Inc. gilt als der bedeutendste Vertreter von Drittanbieter-Firmware für Android-Smartphones. Doch konnte selbst er nicht in weniger als sechs Monaten einen stabilen Build auf Basis von Android 5.0 Lollipop hervorbringen, also mit mehr Verzögerung als je zuvor. Was ist da los? Liegt es an der Man-Power, oder haben sich die Prioritäten verschoben? SlimROM-Entwickler Josue Rivera hat sich für uns die Zeit genommen, unsere Fragen zum Thema Android-Modding zu beantworten. Dabei wurde schnell klar, dass die Probleme, die mit der ROM-Entwicklung einhergehen, auch all jene betreffen, die überhaupt nichts mit Modding zu tun haben. Denn die Beiträge der Modder betreffen Android im Kern und haben das Smartphone-Betriebssystem zu dem gemacht, was es heute ist.
AndroidPIT: Hallo Josue. Danke, dass Du Dir Zeit für uns nimmst. Leute wie Du haben die Entwicklung von Custom-ROMs in den letzten Jahren gut vorangetrieben. Wie empfindest Du die Dynamik in der nahen Vergangenheit rund um Drittanbieter-Firmwares?
Josue Rivera: Die Fortschritte, die die Custom-ROM-Gemeinde in den vergangenen Jahren gemacht hat, waren großartig. Eine große Menge Leute hat viele Ideen zu neuen Features hervorgebracht, oder bestehende Features besser umgesetzt als [Stock-]Android, TouchWiz, Sense oder jeglicher andere Herstelleraufsatz. Das hatte zur Folge, dass die Unternehmen viele Ideen von der Community übernommen haben. Doch viele Hersteller machen es immer schwerer, mit ihrer Hardware herumzutüfteln. Außerdem schlagen sich die Leute nicht mehr mit Custom-ROMs herum, da die Werks-Firmware für sie gut genug ist.
AP: Cyanogen und OnePlus haben sich der kommerziellen ROM-Entwicklung verschrieben. Wird Android deswegen jetzt weniger frei?
JR: Was das Finanzielle angeht, bin ich mir nicht sicher. Seitdem ich mich daran erinnern kann, gab es schon immer Leute, die Open-Source-Ideen nehmen, wenig oder gar nicht verändern, sie als ihre eigene anbieten und damit um Spenden bitten. Schon immer wollten die Leute einen schnellen Euro aus der Nummer ziehen. Was Cyanogen Inc. gerade versucht, ist sehr kompliziert. Ich kann die Argumentation hinter einem For-Profit-Betriebssystem verstehen, zumal MIUI das schon vor Jahren so in China durchgezogen hat (auf Basis von CyanogenMod). Ob das an sich schlecht oder böse ist? Ich glaube nicht. Ein Projekt kann Open-Source und profitgetrieben sein. Es ist ein schmaler Grat, auf dem man da wandert, aber andere Unternehmen haben das schon in dem einen oder anderen Ausmaß vorgemacht. Ich denke da an Google, RedHat oder Canonical, nur um ein paar von ihnen zu nennen.
AP: Was wird das für Android als Plattform bedeuten?
Die Android-Plattform war schon vom ersten Tag an in der Situation, dass viele an ihr herumwerkeln. Mein erstes Android-Erlebnis hatte ich mit TouchWiz auf Android 2.1 und auf einem Samsung Captivate (das Galaxy S von AT&T). Die meisten meiner Freunde kennen Android nur mit Herstelleraufsatz. Das beste an Android ist, dass man sich sein Gerät nach dem Hersteller oder nach dem Herstelleraufsatz aussuchen kann, den man am liebsten hat.
"Das Android Open Source Project macht es viel einfacher, neue Features zu entwickeln oder bestehende zu verbessern."
AP: Doch wie steht es um die Bemühungen aus der Community, Android anzupassen?
Ich glaube daran, dass es immer Leute geben wird, die mit ihrem Android-Gerät herumspielen, um es irgendwie zu verbessern. Dass es ein Android Open Source Project gibt, ist ein gewaltiger Vorteil für Android als Betriebssystem. Es macht es so unglaublich viel einfacher, neue Features zu entwickeln oder bestehende zu verbessern. Und wenn man etwas mit geschlossenem Quellcode vorfindet, kopieren es die Leute einfach und verbessern es dann gemeinsam.
AP: Du sagtest, es wird schwerer, mit der Hardware zu tüfteln. Was meinst du da genau?
JR: Das größte Problem derzeit sind gesperrte Bootloader. Ich spreche da von Samsung, LG und insbesondere von Sony. Und von Closed-Source-Hardware, also den Prozessoren Exynos oder MediaTek. Es ist einfach ein verfluchter Albtraum, mit ihnen zu arbeiten. Entwicklermodelle sind unverhältnismäßig teuer. Und in einer Welt, in der die meisten Leute sich ein Smartphone nur zum Vertrag kaufen, sind sie keine echte Option [da man auf ihnen keine allgemein anwendbare Firmware entwickeln kann]. Aber die Projekte von HTC, Motorola, Sony und LG [bei denen man die Bootloader entsperren kann], deuten wenigstens in die richtige Richtung. Sony hat sogar ein Open-Source-Programm, doch das kastriert einem die Kamera-Firmware.
AP: Danke dir vielmals
JR: Kein Problem
Custom-ROM - quo vadis?
Wir sehen also, dass Custom-ROMs und Android-Modding nicht sterben, aber auch nicht auf dem aufsteigenden Ast sind. Die Nachfrage wird geringer und der Aufwand größer, sie zu Entwickeln. Die, die es sich noch leisten wollen, machen es nur noch gegen gute Bezahlung. Die Zeiten, in denen Android-Modding ein Hobby ist, sind also vielleicht bald Geschichte. Dann wäre es vorbei mit innovativen Android-Features, die frei von wirtschaftlichem Druck entstanden sind und nur auf den Wünschen der Community beruhen. Ich denke da an den Berechtigungs-Manager, der in CyanogenMod schon seit dem KitKat-basierten Release vorhanden war und der fast 1:1 in Android M als System-Feature übernommen wurde. App-Entwickler sträuben sich vor den ganzen neuen Fehlermeldungen, die sie seinetwegen programmieren müssen und ärgern sich über die Daten, die sie nicht mehr sammeln können. Doch der Nutzer erlangt die Kontrolle, die er verdient, weil irgend ein Bastler irgendwo eine gute Idee hatte und Android einfach verändern konnte.
Hab die letzten 3 Jahre auch geflasht, was das Zeug hielt. Immer neue builds, xda-devs als Startseite, immer neue Bugs, ewig lang auf das neueste Android warten, war immer spannend. Aber seit Lollipop nochmal länger gedauert hat und Google für ein Chaos nach dem nächsten gesorgt hat, ist mir die Lust echt vergangen. Bis das wieder besser wird, bin ich auf Windows Mobile umgestiegen und alles läuft.
Windows Mobile? Das ist mal hart. Zufrieden?
Ich bin zwar nicht Albert, aber ich hatte ein ähnliches "Problem".
Daher hab ich mir einfach mal das Lumia 535 zugelegt. Für knapp 100 Eur, das kann man für nen Test ausgeben. Und ich bin echt überrascht. WP 8.1 läuft einfach. Ohne ruckler, abstürze oder sonnst was.
Vorinstallierte Apps, die sich einfach normal deinstallieren lassen usw.
Was aber zu bedenken ist ist das es beim 535 einen Serienfehler mit den Touchscreen gibt. Welcher aber bekannt und recht leicht zu beheben ist (im Zweifel mit Hilfe des Supports durch Austausch des Displays).
Aber es ist kein Android. Die App-Versorgung ist wesentlich geringer, aber ausreichend.
Würden die Custom Roms die Hardware voll unterstützen (beim S5 z.B. den Fingerabdruckscanner) hätte ich schon lange eine drauf. Auf dem S3 hatte ich nur Custom Romz.
Toller Artikel!!!
Eine Sache möchte ich noch anmerken. Google hat mittlerweile sehr viele Open Source Entwickler als seine Angestellten. Es ist eine andere Zeit heute, Open Source hat sich etabliert. Früher war es mit Linux ganz anders. Es ging gegen den Mainstream, hauptsächlich gegen Microsoft. Mit Android ist von dieser Brisanz verloren gegangen. Android hat seine eigene Hardware Plattform und Google produziert um Lichtjahre bessere Software als Microsoft. Vergleicht man nur einmal den Anfang von Windows und den Anfang von Android. Android hat eigentlich alles was man sich als User wünscht und es ist sehr stabil und zuverlässig.
Trotzdem sehe ich es mit bedauern, dass die Hersteller das Potential das Open Source bietet noch nicht begriffen haben. Es ist schade, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht. Da wird viel an Möglichkeiten verschenkt. Anderseits würde ich mich mal von Mod Entwickler gerne wissen, ob Sie sich vorstellen können, enger mit großen Firmen zusammen arbeiten zu können.
Sachlich und informativ, sehr schöner Artikel!
Dieser Artikel war echt schön ^^ Endlich mal wieder etwas richtig Android Pit mäßiges!!!!
Mehr davon bitte ^^ Und gerne ausführlicher und länger :)
Danke, endlich mal wieder ein interessanter Artikel.
@ Eric Hermann
Danke, für diesen tollen
interessanten Artikel.
Aus eigener Erfahrung kann
ich nur bestätigen wie manch
ein China Device
mit Mediatek Soc, so stur sein
kann wenn man es rooted.... :D
Danke für diesen echt sehr guten Beitrag 👍👍👍
Guter Beitrag. Schön, dass es auch mal ein Art Interview gab. Bitte mehr davon. Wirkt etwas professioneller als diese "wie könnte das Gerät x aussehen" Artikel.
Finde es allerdings gut, dass es keine stable releases mehr seitens cm gibt. Jeder sollte für sich selber entscheiden, ob es stabil genug für seinen Alltag läuft.
Schade auch, dass solch ein Fall, wie das paranoid Android Team nicht erwähnt wurde, welche ja bekanntlich zu one+ gewechselt sind (obwohl es momentan gut um paranoid Android ausschaut. Kommen gerade ein paar altbekannte Features zurück).
Man kann insgesamt wirklich nur hoffen, dass die custom Rom community weitergeht.
Ich muss aber mal sagen, das war ein sehr interessanter und guter Artikel.
bester Beitrag seit langem auf dieser Seite!
Schade, ich kann nur hoffen, dass es trotzdem weitergeht.
sehr interessanter Artikel, das jemand so offen redet ...
Hut ab, zumal mit der Implementierung des Berechtigungsmanager in Android M für viele User wohl der Abschied von Root etc eingeläutet wird. Mit Bloatware, die bei Vertragshandys nunmal dabei ist, müssen diejenigen ebend leben oder sie "pokern" weiter, und das ist es nunmal. Bevor ich mir hier den Zorn vieler Modder einfange ....
natürlich gibt es Modelle, die dazu förmlich einladen ( ich war vllt überrascht, als ich in dem Entwicklermenü bei meinen Nexustablet die Option "Bootloader entsperren" fand ^^) , aber es sollte nicht zum Hobby werden , das überlassen ich gerne den Profis. Wenn denn mal eine gute Rom zur Verfügung steht bin ich gerne bereit diese zu testen.
mfg Klaus
@Klaus
Wenn Du ein Handy gerootet hast, kannst Du die Bloatware auf jeden Fall entfernen.
Dazu ist das öffnen des Bootladers nicht zwangsläufig nötig.
.... so geschehen bei meinem G3 , das Tablet ist noch original, Lollipop 5.1.1 gefällt mir ganz gut, kaum Blootware, nur Google ist ganz schön dreist :)
Das CM oder COS nicht so schnell hinterherkommen liegt an den Entwicklern, wenn man dies mit einer der ersten stabilen Lollipop Rom (Resurrection Remix) vergleicht.Dies liegt aber auch daran das die Meisten immer das aktuellste Modell haben möchten obwohl das Vorgängermodell leichter oder schon weiter mit stabilen Roms versorgt wird.Abgesehen von den größeren Custom Roms gibt es auch sehr gute Roms von kleineren und oftmals potenteren Programmierern.Das beste Moddergerät meiner Meinung war das S3,was heute noch gut versorgt wird.Es gibt immer einen Weg, wenn man will.Mal abwarten was die Zukunft bringt.
Es ist vor allem die Vielzahl an Geräten die es für Custom ROM Entwickler so schwierig macht ein passendes Rom für jedes Gerät zu entwickeln. In Zukunft wird das noch schlimmer mit den vielen aufstrebenden chinesischen Firmen die sich hier in diesem Umfeld tummeln.
Google hat es einfach versäumt eine Kernkomponente zu entwickeln die für alle einheitlich ist und die getrennt vom Rest aktualisiert werden kann. Die meisten installieren sich doch so eine Custom Rom nur gezwungenermaßen weil der Anbieter des Smartfones keine Updates mehr anbietet.
oder weil die Performance des Herstelleraufsatzes hakt.