Li Tian von Timekettle im Interview: Echte Gespräche trotz Technik führen
Mit KI-gestützten Übersetzern sorgte der Hersteller Timekettle immer wieder für überraschte Gesichter am eigenen Stand auf der IFA. Die neuen "W4 Pro AI Translator Earbuds" verringern dabei die Latenz beim Übersetzen noch einmal deutlich und kommen in einem eher ungewöhnlichen Lade-Etui. Im Interview mit nextpit verrät Timekettle-CEO Li Tian, wie die neuen Earbuds für natürliche Gespräche sorgen sollen.
Mit dem Timekettle X1 (zum Test) und dem Fluentalk T1 Mini (zum Test) habe ich in den letzten Monaten gleich zwei Geräte von Timekettle für nextpit getestet. Der Hersteller hat sich auf Übersetzungs-Hardware spezialisiert und sorgt damit international durchaus für Aufmerksamkeit. Denn die Geschwindigkeit der Übersetzungen und deren Qualität ist höher als bei vielen Konkurrenten. Gleichzeitig fühlen sich Konversationen mit Timekettle-Devices irgendwie "anders" an, als per Übersetzungs-App.
Hinweis: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation mit dem Hersteller Timekettle entstanden. Auf die genauen Inhalte hatte dies keinen Einfluss.
Und Übersetzungs-Apps sind auch die erste Reaktion, die ich von meinen Kolleg*innen bei nextpit und von Freunden höre, wenn ich von meinen Timekettle-Tests erzählt habe. Warum nicht einfach eine App benutzen – die sind schließlich kostenfrei und bieten dank KI-Integration auch wirklich gute Übersetzungen. Und genau diese Frage habe ich als Erstes an Li Tian von Timekettle gestellt.
"Warum nicht einfach eine Übersetzungs-App nehmen?"
Tatsächlich bietet auch Timekettle eine App an, mit der sich Übersetzungen durchführen lassen. Die eigentlich für die Nutzung von Übersetzungs-Kopfhörern wie den auf der IFA 2024 vorgestellten W4 AI Translator Earbuds gedachte Anwendung "Timekettle" bietet auch eine Übersetzungs-Funktion. Was dort allerdings fehlt, sind Simultan-Übersetzungen und das habe laut Li Tian auch einen guten Grund.
"Wir [Menschen] brauchen echte Übersetzungen, die den Kontakt und die Körpersprache nicht stören. Dabei wollen wir das technische Gerät möglichst effektiv aus der Konversation herausnehmen. Übersetzungs-Apps eignen sich, um mal ein Wort oder einen Satz zu übersetzen – wir zielen mit unseren Geräten aber auf längere Konversationen."
Die W4 Pro AI Translator Earbuds etwa können geteilt verwendet werden. Dabei setzt sich die eine Person den linken und die andere Person den rechten Earbud ins Ohr und die Konversation wird gegenseitig und simultan übersetzt. Für die Natürlichkeit von Gesprächen betont CEO Tian aber noch einen weiteren Aspekt: "Damals waren Übersetzungen aufeinanderfolgend, was wir Menschen aber wollen sind Simultanübersetzungen."
Einen neuen Meilenstein erreichen die Simultanübersetzungen bei Timekettle dank einer semantischen Sprachverarbeitung in dem neuen W4 Pro AI Translator Earbuds. Hierbei teilt die KI-Übersetzungen gesprochene Sätze anhand der Bedeutung und anhand von Sinnzusammenhängen auf und übersetzt so bestimmte Segmente, bevor der Satz zu Ende ist.
"Oft muss man [bei Übersetzungs-Geräten] auf Übersetzungen warten. Mit unseren neuen Geräten hört man die Übersetzung aber schon während die andere Person redet. Es gibt natürlich immer eine Verzögerung und eine Latenz. Je kürzer diese aber sind, desto natürlicher die Konversationen." Technisch hat Timekettle hierfür die Verarbeitungszeiten für Übersetzungen noch einmal verringert.
"Stichwort Datenschutz: Wie funktioniert das Triple-Security-Layer von Timekettle?"
Geräte wie der Timekettle X1 und die W4 Translator Earbuds sind vor allem für Unternehmen designt worden. Dort gibt es mitunter sensible Informationen, die bei der digitalen Übersetzung natürlich geschützt werden müssen. In meinen Testberichten habe ich immer erwähnen müssen, dass Timekettle ein dreifaches Datenschutz-System bietet, konnte aber nie so richtig genau erklären, wie das funktioniert. Also, Herr Tian?
"Als erste Regel gilt: Wir verarbeiten die Daten dort, wo sie aufgenommen werden. Bedeutet: Wenn ein deutscher Timekettle-Nutzer eine Konversation übersetzt, werden die Daten nicht auf unseren chinesischen Servern verarbeitet. Natürlich befolgen wir die Vorgaben der DSGVO und der CCPA-Zertifikate in den USA. Und um die Qualität unseres Datenschutzes noch einmal zu verbessern, haben wir eine unabhängige Organisation dazu beauftragt, unsere Datenschutzrichtlinien zu prüfen."
Darüber hinaus verschlüsselt Timekettle die Daten über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, sodass sie auf dem Weg zum Server nicht kompromittiert werden können. Der dritte wichtige Aspekt sei laut Li Tian, dass Nutzungsdaten nicht gespeichert werden, wenn man sich bei Timekettle einloggt. Die eigene Sprache von Nutzer*innen ist so sensibel, dass sie das Timekettle-Gerät bei der Nutzung niemals verlässt.
Möchte ein Nutzer oder eine Nutzerin Funktionen wie das neue KI-gestützte Voice-Cloning verwenden, bei der Übersetzungen in einer Replika der eigenen Sprache ausgegeben werden, muss dieser oder diese das erst ausdrücklich erlauben. Erst dann verarbeitet Timekettle die Aufnahmen der Stimme.
Spannend: Offline-Nutzung und die Übersetzung von Medien
Gegen Ende unseres Gesprächs sind wir noch mehr auf die Möglichkeiten der neuen W4 Pro Translator Earbuds eingegangen. Und diese bieten mit der Medien-Übersetzung eine spannende Funktion an, die ich nach dem Interview unbedingt ausprobieren wollte. Denn die Kopfhörer können alle Audio-Inhalte, die iPhones und Android-Geräte über die Bluetooth-Verbindung ausgeben, übersetzen.
Schaue ich etwa ein Video auf YouTube und bin zu faul, die automatisch übersetzen Untertitel lesen, können die Earbuds mir die Informationen bequem übersetzen. Alles, was man dafür benötigt, ist die Timekettle-App und eine Internetverbindung – was mich zum letzten Punkt unseres Interviews bringt.
Denn Timekettle bietet bei seinen Geräten stets eine eingeschränkte Auswahl an Offline-Übersetzungen an. Dabei lassen sich zwischen 13 und 16 Sprachpaare auch dann nutzen, wenn keine Internetverbindung besteht. Aber warum kann man nicht frei entscheiden, welche Sprachen man direkt auf dem Gerät verarbeiten mag?
"Wenn man das Übersetzungsmodell für die Offline-Nutzung verkleinert, leidet die Qualität der Übersetzungen darunter. Die Übersetzungen werden daher schlechter, wenn sie Offline berechnet werden. Unser nächstes Ziel ist aber, dass wir bald mehr als 20 Sprachen und in ferner Zukunft alle Sprachpaare für die Nutzung direkt auf dem Gerät anbieten können." Als Alternative zu den Offline-Übersetzungen integriert Timekettle in seinem kostspieligsten X1-Gerät eine internationale SIM-Karte. Mit dieser können Nutzende standardmäßig ein Jahr lang überall auf der Welt Übersetzungen durchführen.
Fazit: Technik soll endlich nicht mehr zwischen uns stehen
Dass Timekettle versucht, die eigenen Übersetzungsgeräte in Konversationen möglichst unsichtbar werden zu lassen, finde ich einen sehr spannenden Ansatz. Die Idee von "Ambient Computing", wie sie etwa auch das Unternehmen "Nothing" von Anfang an verfolgte, ließ sich auf der IFA durchaus noch erkennen, auch wenn der anfängliche Hype verflogen ist. Ideen wie KI-gestützte Videobrillen, die uns Informationen sehr dezent ins Sichtfeld einblenden können, sind aber durchaus noch interessant.
In Gesprächen sind technische Geräte wie Smartphones oder Fernseher besonders störend. Das kennen wir sicherlich alle aus Situationen, in denen Freunde oder Verwandte ihre Handys einfach nicht weglegen können. Und hier sehe ich den größten Vorteil von Timekettles Geräten. Am Stand auf der IFA hat es nicht lange gedauert, bis Johanna und Eileen sich an die Verwendung der W4 Pro gewöhnt haben und dann eine halbwegs natürliche Konversation mit einem Timekettle-Mitarbeiter geführt haben.
Mit immer kürzeren Übersetzungszeiten und der semantischen Aufteilung von Sätzen verbessert Timekettle dieses "Unsichtbarwerden" seiner Geräte noch weiter. Gleichzeitig machen KI-Systeme deutliche Fortschritte in der Replikation von Stimmen, Timekettle integriert ein "Voice-Cloning"-Feature schon jetzt als Testversion in seine Geräte. Ich bin also gespannt, ob Li Tian und ich auf der nächsten IFA in unseren jeweiligen Muttersprachen und in der eigenen Stimme kommunizieren.
Und spätestens dann erfahre ich sicherlich, ob er tatsächlich einen Döner probiert hat, wie ich es ihm nach seiner Frage nach lokalen Gerichten empfohlen habe – Danke für das Gespräch!