„Die Menschen sollen Android lieben“: Ein Interview mit Androids Lead Designer Matias Duarte
(Bild: soyacincau.com)
Während Android mittlerweile knapp 57% des globalen Markts für sich gewonnen hat, gab es immer eine Sache, die vielen Nutzern an Googles Betriebssystem gefehlt hat und was Google selbst auch wusste: Das Design war einfach nicht gut genug, eine Sache, die Apple mit iPhone & Co. immer geschafft hat. Die Aufgabe, das Bedürfnis der Konsumenten nach Ästhetik richtig zu befriedigen, ist bei Google im letzten Jahr dem neuen Direktor für die User Experience – Matias Duarte – übergeben worden, der dafür sorgen soll, dass die Kundschaft ihr Android nicht nur mögen, sondern lieben werden. Ein Interview.
Matias Duarte ist vielleicht noch nicht allen ein Begriff, deshalb hier eine kurze Vorstellung: Der 1973 gebürtige Halbchilene/Halbamerikaner arbeitet vor seiner Festanstellung bei Google als Game Designer, wobei er seine Karriere mit dem Design von Spielen für die PlayStation startete. Danach war er verantwortlich für Palms webOS Benutzeroberfläche. 2010 kam Duarte bei Google an, seine ersten Gehversuche zeigten sich dort bereits in Form seines bedeutenden Design-Einfluss in die Android-Version 3.0/Honeycomb.
Im September dieses Jahres dann wurde Matias Duartes Arbeit bei Googles und Samsungs Präsentation des Galaxy Nexus und von Ice Cream Sandwich gezeigt, wo Duarte natürlich selbst auch anwesend war. Über Ice Cream Sandwich haben wir nun ja schon mehrfach berichtet und die Highlights hervorgehoben. Der Business Editor Antonio Regalado des Blogs technology review (TR) hatte nun die Möglichkeit, persönlich mit Duarte zu sprechen, um so herauszufinden, wie Spiele das Redesign von Android beeinflusst haben. Das Interview möchten wir Euch natürlich nicht vorenthalten, weshalb ich mich mal daran gesetzt habe, es frei zu übersetzen:
TR: Ich sehe, dass im Android Market drei von fünf Apps Spiele sind. Wie wichtig sind Spiele für die Android Plattform?
Duarte: Spiele sind eine große Sache für mobile Geräte. Die Menschen sprechen darüber, mobile Inhalte zu konsumieren und denken dabei daran, Musik zu hören oder Filme zu schauen. Das, und eben Spiele zu spielen. Wir wissen,dass der Android Market eine gute Gelegenheit dafür ist und haben viele Verbesserungen dort vorgenommen. Wir sind unterwegs und suchen nach Leuten, die sehr viel oder sehr wenig kaufen, sowohl auf Tablets als auch auf Smartphones, und wir versuchen alles über deren Motivation, deren Kontext und deren Kaufverhalten herauszufinden. Dann machen wir eine ganze Menge Nutzertest wo wir die Nutzer bitten, Tests mit möglichst wenigen Richtlinien durchzuführen um dadurch zu sehen, wie erfolgreich sie sind. Wir machen Sachen wie Augen-Tracking und vieles mehr.
Was motiviert Dich professionell?
Die größte Motivation ist zu versuchen, den Stand der Interaktion zwischen Mensch und Maschine voranzutreiben. Die grundlegenden Paradigmen für die Interaktion mit Computergeräten und Informationen sind immer noch sehr plump und unglaublich primitiv, da die Natur von Betriebssystem in deren Monopolisierung und einer schneller Erstarrung liegt. Es gibt keine große Evolution in der Art, wie Menschen mit Dingen interagieren. So etwa der Fakt, dass man Dateien speichern muss. Oder sogar schon nur das Konzept von Dateien. Es sind einfach so viele Absurditäten im Weg und von den Menschen wird erwartet, mit dieser prometheischen Technologie umzugehen. Das Mobile ist die beste Möglichkeit – unser letzte, beste Hoffnung sozusagen – um aus dem Muster des Desktops auszubrechen.
Ist die Android Benutzeroberfläche ein Spiel? Wenn es ein Spiel ist, was für ein Spiel spielen wir?
Ich halte es nicht für ein Spiel, obwohl es für mich sehr nützlich war, Zeit in der Spiele-Industrie zu verbringen, denn es gibt einige Element in Spielen, die in anderen Nutzererfahrungen völlig unterschätzt sind. Zum Beispiel, wenn man ein Spiel spielt oder es designt, stellt sich nicht die Frage, ob „die Erfahrung das Ding“ ist. Von Beginn an weiß jeder, dass das Spiel unwiderstehlich sein muss, es muss eine fesselnde, emotionale und eindringlicher Erfahrung sein. Im Gegensatz dazu sind Webseiten, Computerprogramme und Betriebssysteme eine Art Anomalie, in der die Nutzerfahrung zu einer Nuance des Erlebnisses desensibiliert wird.
Aber ich sehe die ganze Zeit Leute mit ihrem Telefon herumspielen.
Unwiderstehliche Produkte haben eine spielerische Qualität, durch die man sich mit ihnen beschäftigt. Gute Spiele besitzen das, doch auch jedes andere tolle Produkt oder Werkzeug hat das. Zum Beispiel ein Schweizer Taschenmesser, oder ein Zippo Feuerzeug: Deren Mechanismus hat eine solch befriedigende kinetische Funktion, wodurch man immer mit ihnen herumspielen muss. Wenn der Angebotscharakter (die Affordanz) eines Werkzeugs unwiderstehlich und verlockend für die Hände und den Geist ist, wird man damit herumspielen, auch wenn es selbst kein Spielzeug ist. Wir sind absolut daran interessiert, diese spielerischen Momente in Android zu verwirklichen. Man sieht Leute mit der Face Unlock-Funktion von Ice Cream Sandwich herumspielen – sie werden einfach da sitzen und dabei zuschauen, wie das Telefon ihr Gesicht erkennt.
Du sagtest, Dein Design-Ziel läge darin, dass Menschen Android lieben sollen. Gibt es psychologische Tricks aus dem Gaming-Bereich die Du dazu benutzt, dass die Menschen Android lieben?
In letzter Zeit gab es viel dieser sogenannten 'Gamification' von Angeboten in der Art, dass bewusst Ziele und dazugehörige Belohnungen für Nutzer kreiert wurden. Ich bin allerdings der Meinung, dass das sehr rutschiges Glatteis im ethischen Sinne ist. Das ist auch ein Grund, weshalb ich den Gaming-Bereich verlassen habe. Es war mir zu unbehaglich. Wann sind die Belohnungen die Dinge, nach denen Leute wirklich suchen und wann sind sie Fallen, die generiert werden und aus denen destruktives Verhalten entsteht?
Meinst Du etwa wie Spielautomaten?
Klar, so, oder aber auch dass einfach zu viel Zeit zum Spielen verbracht wird. Generell bin ich sehr misstrauisch und sehr kritisch gegenüber der Erschaffung von Verhaltensregeln für Grundsätze von Dingen, die der Nutzer nicht wirklich genau machen will. Die Sachen, die wir in Android integriert haben, damit die Nutzer es lieben, versuchen wirklich eine ästhetische Erfahrung zu erschaffen, die schön ist. Wir entfernen alle Reizmittel, die es nicht ästhetisch machen, all das, was wir „Jankyness“ nennen [Anmerkung: Das Wort „Jankyness“ beschreibt ein Objekt von schlechter Qualität, mit einem sehr geringen Ansehen]
Gab es irgendwelche Techniken aus der Gaming-Welt, auf die Du Dich für das Redesign von Android berufen hast?
Spiele nutzen oft Hardware, die ein Jahrzehnt hinter dem aktuellen Stand der Technik ist. Ähnlich zeigt sich das Wachstum im Spielbereich vor allem von mobilen Spielen und so ist es dort die gleiche Herausforderung: Wir haben es mit sehr strikten technischen Limitierungen zu tun. Die direkte Reaktion ist, dass man nichts machen kann, was reichhaltig, nuanciert, unwiderstehlich, animiert, ausgetüftelt ist, weil, komm schon, das ist ein Telefon. Was soll man da erwarten? Doch meine Arbeit in der Spiele-Industrie hat mir gezeigt, dass es immer einen Trick gibt, immer eine Abkürzung, immer einen Weg, wie man die Aufmerksamkeit auf die Erfahrung lenken und etwas abliefern kann, das die Nutzer an Dinge erinnert, wenn sie etwa in ein Kino gehen. Android ist ein interessantes System, in dem viele architektonischen Wurzeln recht alt sind. Diese wurden zweifellos in einer pre-iPhone Ära geboren, bevor irgendjemand daran gedacht hat, nuancierte, animierte Übergänge oder sogar Berührungs-Interaktionen zu entwickeln. So mussten wir also etwas schummeln, um Android dazu zu bekommen, sich hinzusetzen und die Tricks zu machen. Zum Beispiel haben wir viel Zeit investiert, um Übergänge zwischen völlig verschiedenen Aktivitäten zu erstellen, die nichts voneinander wissen und die trotz dieser Einschränkungen gut aussehen sollten um dadurch das Gefühl einer verknüpften Erfahrung zu verschaffen.
Wie siehst Du die Zukunft von Spielen auf Plattformen wie Android?
Ich bin der Meinung, dass es zu noch mehr Arten von Spielen führen wird. Telefone, Fernseher und alles andere wird immer intelligenter und dadurch, dass diese ganzen Geräte miteinander kommunizieren können, werden Spielmöglichkeiten geschaffen, die in Zukunft alles was Konsolen-Hersteller machen können, ausstechen und für ein paar wirklich coole Spiele sorgen werden. Man könnte zwei Telefone nehmen, die Berührungen und Gesten entdecken und dynamische Inhalte wiedergeben können, und das Ganze mit einem Fernseher als Ausgabe-Geräte koppeln, wodurch Umgebungen für mehrere Spieler, die gleichzeitig spielen, geschaffen werden. Die Möglichkeiten sind fast grenzenlos.
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Quelle: technology review
Top! Daumen hoch.
Matias Duarte ist einfach ein genialer Mann meiner Mienung nach!
@Marcel K.
Du sprichst mir aus der Seele :-)
DAS!!! ist ein Interview
http://www.theverge.com/2011/10/18/exclusive-matias-duarte-ice-cream-sandwich-galaxy-nexus/
Das Problem ist ja das man das UI vom OS nach dem starten eines Apps verlässt. Ab diesem Zeitpunkt nutzt man das was der Entwickler des jeweiligen Apps für richtig hält. Und wie viel Zeit nutzt man das Smartphone mit geöffnetem App? 80-90%?
Hier würde ich mir so sehnlichst etwas wie die Style Guides Einhaltungspflicht wie unter iOS wünschen. Auch wenn sie nur im offiziellen Market Pflicht wären. Das A und O von guter Usability ist Konsistenz. Macht aber jeder das was er für richtig hält erhält man ein Kraut & Rüben Szenario mit minimaler Usability, selbst wenn das jeweilige UI der Apps für sich genommen evtl. sogar das optimalste wäre.
Der große Witz ist ja, das die Android Apps die ein ähnliches Konzept nutzen sich grotesker Weise an die Style Guides von iOS halten. Und das kann es ja nicht sein. Da hilft auch das allerbeste OS-Interface nicht.
Finde auch, dass die Fragen sich viel zu sehr auf Spiele konzentriert haben. Aber Duarte hat echt interessante Gedanken, vor allem der erste Teil mit den Dateien und dem Ausbrechen aus dem Desktop. Ich hoffe er kann seine Ideen mit Android verwirklichen.
interessanter mensch, interessante arbeit, aber extrem langweiliges und einseitig geführtes interview
Es ist noch ein langer Weg bis Android so ästhetisch schön und funktionell wie webOS sein wird.
Ich habe inzwischen zwei Android Smartphones mit Gingerbread, aber die webOS GUI meines uralten Palm Pre ist einfach immer noch schöner anzusehen und vor allem besser zu bedienen als die Android Phones.
Sehe ich auch so, danke dafür!
Schöner Blog!