Prepaid-Ausweispflicht ab 1. Juli: Sinn & Unsinn, Wege & Umwege
Ab dem 1. Juli 2017 gilt die Ausweispflicht für neue Aktivierungen von Prepaid-Karten. Wie kam es zu dem Gesetz? Was müsst Ihr beim Kauf neuer Karten beachten, was mit Eurer alten Karte? Und könnt Ihr trotzdem anonym telefonieren? All dies zeigen wir Euch hier.
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- Warum gibt es die Ausweispflicht?
- Was muss ich als Neukunde machen?
- Was muss ich als Bestandskunde machen?
- Wie kann ich weiterhin anonym telefonieren?
Warum gibt es die Ausweispflicht?
Bis dato konnten Neukunden bei der Aktivierung ihrer SIM-Karte frei erfundene Daten angeben. Dies soll nun durch die Überprüfung mithilfe von Ausweisdokumenten gemäß Telekommunikationsgesetz (TKG) § 111 Daten für Auskunftsersuchen der Sicherheitsbehörden unterbunden werden.
Die Mobilfunkanbieter halten die Daten bereit, damit Behörden zu Fahndungszwecken auf sie zugreifen können. Dies geschieht zwar im Namen der Terrorbekämpfung. Da jedoch nur Deutschland diese Regelung umsetzt und im Ausland anonym erworbene Karten hier weiterhin verwendet werden können, gilt der Sinn hinter dieser Regelung als fraglich.
Alle erhobenen Daten müssen laut dem Gesetz "mit Ablauf des auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses folgenden Kalenderjahres" wieder gelöscht werden.
Was muss ich als Neukunde machen?
Ihr werdet künftig auf unterschiedliche Weise dazu aufgefordert werden, Eure Identität nachzuweisen, wenn Ihr eine Prepaid-Karte kauft oder aktivieren wollt. Kauft Ihr die SIM-Karte online, gibt es für den Provider vier Varianten:
IdenTT nutzt Ihr direkt am Smartphone mit der neuen SIM-Karte. Den elektronischen Personalausweis nutzt Ihr am PC mit dem entsprechenden Lesegerät. Video-Ident nutzt Ihr mit der PC-Webcam oder der Smartphone-Selfie-Cam. Postident bietet die einzige Offline-Funktion, erfordert jedoch einen Gang zur Postfiliale. Gültig sind folgende Dokumente:
- Personalausweisgesetzes
- Pass
- gültiger amtlicher Ausweis mit Lichtbild des Inhabers, mit dem die Pass- und Ausweispflicht im Inland erfüllt wird
- Aufenthaltstitel
- Ankunftsnachweises nach § 63a Absatz 1 des Asylgesetzes oder einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung nach § 63 Absatz 1 des Asylgesetzes
- Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes
- Auszug aus dem Handels- oder Genossenschaftsregister
ALDI Talk ist deutschlandweit der größte Anbieter für Prepaid-Tarife und auch er ändert sein Vorgehen bei der Anmeldung von Neukunden. Nachdem Ihr bei ALDI Euer Starter-Set wie gewohnt einfach kaufen könnt und via App oder Telefon die Registrierung abschließt, kommt nun die Identitätsüberprüfung hinzu, bevor die SIM-Karte aktiviert wird.
In der offiziellen Mitteilung heißt es "Kunden von ALDI SÜD können den Registrierungs- und Identifizierungsprozess auch direkt in einer ALDI SÜD Filiale ihrer Wahl vornehmen. Entsprechend geschulte Mitarbeiter führen den Kunden dabei durch den Prozess. Es sind keine weiteren Registrierungsschritte durch den Kunden nötig."
Für ALDI-Nord-Kunden hingegen gilt dies nicht allgemein. Sie müssen eine entsprechende Filiale online finden (der Link führt erst am 1. Juli auf die richtige Seite) oder das Video-Ident-Verfahren durch die ALDI-Talk-App oder durch einen Browser am PC machen. Die angebotenen Sprachen sind Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Türkisch, Polnisch und Russisch.
Auch O2 schaut in seinen Filialen auf Euren Ausweis und "der Vertriebsmitarbeiter prüft das Dokument anhand der wesentlichen Merkmale auf offensichtliche Fälschungen," heißt es in der offiziellen Erklärung. "Die Verkaufsmitarbeiter erheben dann die gesetzlich vorgeschriebenen Daten, vergewissern sich, dass der Kunde im Shop mit der Person im Ausweisdokument übereinstimmt, erstellen eine Ausweiskopie und übermitteln die Daten an die Zentrale von Telefónica Deutschland. Dabei beachten sie alle Vorgaben zum Datenschutz und zum Personalausweisrecht. In der Zentrale werden die Angaben unmittelbar danach noch einmal geprüft. Wenn alles korrekt ist, wird die Karte umgehend freigeschaltet."
Online setzt O2 auf das oben erwähnte Video-Ident-Verfahren. Dies wird auch für die weiteren Telefónica-Marken verwendet, sprich für Blau, BASE, FONIC, netzclub, Ortel Mobile, AY YILDIZ und Türk Telekom Mobile.
Was muss ich als Bestandskunde machen?
Nichts. Eine zeitlang war unklar, ob Bestandskunden rückwirkend identifiziert werden müssen. Jedoch hat sich diese Unklarheit beseitigt und inzwischen ist klar, dass nur Neuregistrierungen von dem Prozedere betroffen sind. Diese Tatsache ist zum einen für Bestandskunden erfreulich, zum anderen trägt sie zur Fragwürdigkeit des Gesetzes bei.
Da sich alte, noch aktive Prepaid-Karten dauerhaft anonym weiterverwenden lassen, wird der unweigerlich entstehende Schwarzmarkt für Altkarten das neue Gesetz unterwandern. Es ist also eine Frage der Zeit, bis der Gesetzgeber tätig wird und eine nachträgliche Prüfung verlangt. Oder gar das Gesetz wieder komplett kippt.
Wie kann ich weiterhin anonym telefonieren?
Da das Gesetz recht spezifisch wird und nur für "im Voraus bezahlte Mobilfunkdienste" eine Prüfung der erhobenen Daten einfordert, könnt Ihr Euch weiterhin gratis bei Internet-Telefonie-Anbietern wie Sipgate anmelden und dort für eine Telefonnummer registrieren.
Die dafür nötige Internetverbindung gibt es dann über einen Freifunk- oder anderweitigen WLAN-Zugang. Wenn Ihr Internet und Telefon anonym nutzen wollt, geht dies aber nur über eine alte Prepaid-SIM oder eine SIM-Karte aus einem Land ohne Ausweispflicht. Diese wird sich jedoch gemäß der Fair-Use-Regelung zum EU-Roaming nicht dauerhaft in Deutschland nutzen lassen.
Fazit
Die neue Regelung stellt uns vor eine zumutbare Mehrbelastung beim Aktivieren einer Prepaid-SIM-Karte dar. Leider ist die Begründung der Regelung fadenscheinig, da sie sich zu einfach umgehen lässt und somit zu einen nutzlosen Eingriff in unseren Recht auf Privatsphäre verkommt. Oder was sagt Ihr?
Schwiegervater ist im Krankenhaus - ich wollte gestern mal eben schnell seine telefonische Erreichbarkeit organisieren:
Meine Wahl fiel auf ein Prepaid-Angebot (vodafone callya). Dummerweise habe ich in einem Supermarkt die Karte gekauft. Auf der Verpackung steht: "Karte einlegen, registrieren und loslegen" ... das klingt gut ... und dann stand da noch was von Registrierung und Ausweis und online - - kein Problem, dachte ich, denn ich habe einen Personalausweis + Lesegerät, um mich im Internet ausweisen zu können.
Ich musste jedoch bei vodafone ein Nutzerkonto anlegen und diverse Personendaten hinterlegen (habe ich getan) - dann erst wurde mir erklärt, ich müsse mich nun ausweisen.
Als einzige(!!!) Option zur "Freischaltung" bietet vodafone dabei die Variante 'Internet-Video-Telefonat' an.
Die Firma WebID Solutions GmbH ist einziger Adressat.
Nach der Einwahl erscheint ein optimistischer Hinweis, die durchschnittliche Wartezeit betrüge ca. 443 Sekunden. Um diesen Wert pendelte die Vorhersage der "durchschnittlichen Wartezeit" mindestens 40 Minuten lang (dann war ich ein erstes Mal raus). Ich kontaktierte die vodafone-Hotline (20 Min. Wartezeit), die empfahl. mit einem anderen Browser die Video-Telefonie zu versuchen.
... ... die aktuelle durchschnittliche Wartezeit beträgt 437 Sekunden ... ... nach 35 Minuten war ich raus.
Nach einem erneuten Anruf bei der vodafone-Hotline (Wartezeit 12 Minuten) erklärte man mir, ich könne alternativ die erworbene Karte auch in einem vodafone-Shop freischalten lassen. Also stehe ich kurze Zeit später im nächstbesten vodafone-Shop, wo der Kollege allerdings behauptet, er könne ausschließlich die in seinem Geschäft in 'Einkauf-Verkauf' registrierten Karten freischalten.
In dem erneuten Telefonat mit der vodafone-Hotline (Wartezeit 9 Minuten) überreiche ich die nach langer Diskussion nun mit mir verbundene "leitende Instanz" an den Verkäufer im vodafone-Shop ... ... die beiden bemerken dann nach aggressiver telefonische Diskussion (auf meine Telefonrechnung), dass er tatsächlich keine "fremd-gekaufte" Karte freischalten kann.
Nachmittags versuche ich erneut ein Video-Telefonat mit der WebID Solutions GmbH ... aktuelle durchschnittliche Wartezeit 527 Sekunden ... ... ich wähle mich parallel mit zwei Tablets und mit dem PC ein ... ... nach 16 Minuten hat plötzlich der PC Verbindung mit einer Mitarbeiterin (also Tablets aus!).
Nachdem der Ablauf sich etwas hakelig gestaltet, weil ich nicht freundlich bin (ich hatte gefragt, ob die Firma nicht den elektronisch einlesbaren Ausweis annehmen kann) und die Mitarbeiterin nicht geduldig ist (sie schien unter Zeitdruck), bemerkt sie, dass die Auflösung meiner PC-Kamera nicht reicht, den Ausweis zu "scannen".
Ich bin raus ... zwei Tablets warten wieder auf Verbindung ... vorauss. 440 Sekunden ... ... nach 21 Minuten erneuter Kontakt ... der Kollege fotografiert ("scannt") meinen Ausweis (BEIDSEITIG!!!!!) und bittet mich dann, in die Kamera zu schauen - auch ein Passfoto fertigt er an!!
INAKZEPTABEL:
Ein privates Unternehmen liest meine Persnoldaten vollständig ein und bringt sie mit einem aktuelle erstellten Passfoto zusammen - - - ich habe also NICHT meinen "Ausweis vorgelegt" oder meine "Identität nachgewiesen", sondern eine Firma hat meine Daten ermittelt und gespeichert!!!
DAS IST RECHTSBRUCH!
... ... ...
Und wenn mein Schwiegervater aus dem Krankenhaus entlassen ist, werde ich die Karte mit dem Restguthaben nach irgendwohin verschenken, denn das ist mir nicht untersagt --- mit besten Grüßen an Herrn Maas und den Vefassungsschutz.
Hallo Lutz,
deine Geschichte ist insofern ärgerlich, dass wieder einmal eine Hand nicht wusste, was die andere kann. Das habe ich bei Kundenhotlines leider schon des Öfteren erlebt, da sie gern an die Shops verweisen, ohne genaues zu wissen.
Die WebID Solutions GmbH ist übrigens nicht unüblich und für Legitimationen im Netz wird diese sehr häufig genutzt. Für mein Konto einer Online Bank musste ich ebenfalls über diese meine Daten bestätigen. Allerdings ging dies bei zwei Konten innerhalb von unter 5 Minuten. Da wirklich viele Firmen mit WebID Arbeiten, kann ich mir vorstellen, dass es aufgrund der Erhöhungen von Banken in letzter Zeit zu einem erhöhtem Kundenaufkommen gekommen ist. :(
Sehr erbermlich sowas, dahin hat es uns nun gebracht, so schnell kaufe ich mir keine Karte mehr, habe ja zum Glück 4.
@Takeda: Wenn du direkt im Vodafone Shop eine kaufst wird diese direkt aktiviert. Das hat sich seit Jahren nicht verändert und man brauchte schon immer einen Ausweis. :)
Ich braucht noch nie ein Ausweis wenn ich mir eine geholt habe, im Shop direkt habe ich noch nie eine geholt, warum auch. Jetzt wird man ja gezwungen im Shop eine zu holen.aber nicht jede will Vodafone. und wenn ein Shop gerade nicht in der nähe ist, ist es noch ärgerlicher.
Wer meint, eine "anonyme Karte" würde zum "anonymen Telefonieren" ausreichen, irrt leider. Da fehlt dann zumindest auch noch das "anonyme Telefon". Steckt man die Karte nämlich in ein Gerät, das man zuvor bereits mit einer anderen SIM benutzt hat, genügt bereits die IMEI des Gerätes um diese beiden "Datensätze" zusammenzuführen. Dann am besten noch das gleiche Google-Konto nutzen, und anschließend bei Facebook anmelden *grins*
Abgesehen davon, erwischt es natürlich wieder einmal die falschen. Ein Terrorist wird wohl kaum mit dem eigenen Gerät seine Straftaten planen. Dumm ist er schließlich (im Regelfall) nicht. Ergo: Politischer Aktionismus. Für technische Entscheidungen sollte die entsprechende Befähigung nachgewiesen werden müssen. Das Problem dabei wäre nur, dass der Bundestag dann "technisch entscheidungsunfähig" wäre, weil von den zur Abstimmung zufällig gerade anwesenden kaum mehr als 2 MdBs entsprechende Befähigung nachweisen können …
in Österreich ist das auch schon seit Jahren. aber da ist es irgendwie von dem Mitarbeiter anhängig. habe nämlich vor 3 Monaten gar nix vorlegen müssen
Da weiß ich aber nichts davon. In Österreich kann man nach wie vor Prepaidkarten ganz normal ohne irgendwelche Ausweise kaufen. Wäre es Gesetz, dann würde das jeder Mitarbeiter verlangen müssen.
Mir wäre so eine Ausweispflicht insofern egal, solange es keine Auswirkungen auf Preis und Service hat.
Ich lebe aktuell in Ungarn und hier läuft diese Nummer schon viel länger. Also Deutschland ist nicht das einzige Land und es werden sicher noch wesentlich mehr.
Hallo zusammen. Ich habe Anfang des Jahres als Kunde von Kabel Deutschland/Vodafone zwei Prepaidkarten (unaufgefordert) zugeschickt bekommen. Nun überlege ich doch noch eine davon für meine Tochter einzusetzen.
Frage: Sollte ich diese Karte heute noch aktivieren, damit ich mir die umständliche Ausweisprozedur ersparen kann? Oder sind solche Karten gewissermaßen schon damals beim Verschicken aktiviert worden?
Probiers doch einfach aus, und wenn sie noch nicht aktiviert sind, einfach noch heute aktivieren. Anonym telefonieren wird sich allerdings nicht damit lassen, denn sie wurden ja an Deine Adresse geschickt. Aber die Aktivierung geht dann weniger umständlich. Die Frage, die am wichtigsten ist, ist allerdings, ob der Tarif überhaupt interessant ist.
Tarif ist eigentlich egal, brauche die Sim nur einmalig für WhatsApp, danach wird das Gerät fürs erste ohne SIM nur daheim im WLAN genutzt. Wie teuer eine SMS ist, damit die Karte aktiviert bleibt, ist da egal...
für ältere Menschen wie mich, ohne PC und entsprechende Kenntnisse, kommt dann nur Post ident infrage. Die anderen Möglichkeiten kann ich nicht nutzen, viel zu kompliziert. NFC kann ich auch nicht, und dies komische ident App soll was kosten? wie soll das funktionierende, wenn die Sim Karte noch nicht aktiv ist, und man darüber hinaus aus prinzip keinen Online Zahldienst, oder Banking verwendet. Es ist nichtalles Gold was sich dafür ausgibt.
Das Gesetz ist leider nicht richtig Durchdacht.
Ein bischen mehr Mühe hätte man sich schon geben dürfen.
Inwiefern ist es nicht durchdacht? Welche Mühe hätte man aufwenden müssen?
mitlerweile wird doch alles unter dem deckmantel "Terrorbekämpfung" getan,um die menschen zu durchleuchten,zu bespitzeln und bewegungsprofile zu erstellen
Kein Grund zur Übertreibung. Man nenne mir mal Beispiele, wo man SIM-Karten anonym oder unter Vorspielung falscher Kontaktdaten kaufen konnte. Vor Ort musste man immer einen Ausweis vorlegen (teils hat's auch der Führerschein getan) und bei Käufen mit Freischalt-Code per Post für die Karte musste man die richtige Adresse angegeben, hätte man den Code nie erhalten.
Wer heute noch unter falschem Namen (oder unter gar keinem Namen) eine SIM-Karte kaufen möchte, z. B. für kriminelle Zwecke, der findet auch so Mittel und Wege.
Edit 17:31 Uhr: danke Viddi, habe meinen Kommentar bezgl. Online-Registrierungszwang geändert bzw. präzisiert.
Dem ist eigentlich nicht's mehr hinzufügen.
Bei Aldi und Tchibo war das problemlos möglich. Beim Kauf in der Filiale wurde kein Ausweis oder sonstiger Identitätsnachweis verlangt. Online-Bestellungen von Sim-Karten anonym abzuwickeln ist sowieso nicht ganz einfach. Nicht nur irgendein Code will an eine Adresse, die Sim-Karte natürlich auch.
Nach meinen Informationen musste man eine Aldi-SIM-Karte stets online registrieren und bekam dann einen Code zugeschickt. Ist das nicht mehr so?