Wachstumsschub bei Wearables: Billiger aber viel mehr Absatz
Apples Watch, Samsungs Gear S und Xiaomis Mi Band 4 sind wohl einige der bekanntesten Wearables der Welt. Doch besteht der Markt nicht nur aus schicken Uhren und billigen Fitnesstrackern. Einen genauen Blick auf den Markt gewährt jetzt die Absatz- und Preisprognose der IDC.
Die International Data Corporation (IDC) hat eine Analyse des Wearable-Marktes durchgeführt und Absatz und Preis ermittelt. Dazu geben die Analysten einen Ausblick auf die kommenden Jahre. Dabei zeigt sich, dass vor allem ein Bereich ab diesem Jahr richtig Gas geben wird. Und der beinhaltet nicht etwa Armbänder, Uhren oder Brillen, sondern Kopfhörer.
Der Gesamtmarkt wächst stark
Zuerst ein Blick auf den Markt als Ganzes. Darin sind die Smartwatches, Fitnesstracker, die Audioprodukte und die „anderen“ verortet. Und dieser Gesamtmarkt explodierte im Jahr 2019 quasi: Nachdem im Vorjahr 178 Millionen Wearables verkauft wurden, sind es in diesem Jahr sehr wahrscheinlich mehr als 300 Millionen. IDC schätzt den Absatz im Detail auf 305,2 Millionen Geräte.
Diese Zahlen bedeuten ein Wachstum von satten 71,4 Prozent. Zum Vergleich: Der Smartphone-Markt stagniert derzeit und kommt nicht mehr vom Fleck. Hier gibt es zwar die Hoffnung auf die Entwicklungsländer, die gerade in den Markt einsteigen, doch so recht an ein dauerhaftes und vor allem vergleichbar starkes Wachstum glaubt gerade keiner mehr. Doch das sieht bei den Wearables noch ganz anders aus. Bisher fristeten die smarten Uhren, Fitnesstracker oder Assistenz-Kopfhörer ein Dasein in der Nische. Doch das ändert sich zurzeit.
Raus aus der Nische – Wearables werden Alltäglich
"Wearables begannen als Geräte für Early Adopters und entwickelte sich zu Geräten für den Massenmarkt", sagt Ramon T. Llamas, Research Director des Wearables-Teams von IDC. Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Geräte wie die Apple Watch haben auch den Normalo an ein Wearable gewöhnt und so sind die smarten Gerätschaften nicht mehr Ausdruck nerdiger Technikbegeisterung, sondern Statussymbol – wie bei sündhaft teuren Hermes-Versionen der Apple Watch -, Stilelement wie bei den Smartwatches der Fossil-Gruppe oder einfach praktischer Helfer beim Abnehmen wie beim günstigen Xiaomi Band.
Der Fitness-Trend kam und kommt dem Wachstum sicher zupass, doch auch das gesteigerte Verlangen nach hochwertigen Kopfhörern, am besten mit aktiver Schallisolierung mittels Active Noice Cancelling (ANC), ist ein Treiber der Wearables-Welle.
Doch zurück zu den nackten Zahlen. Der Gesamtmarkt wird auch in den kommenden Jahren weiterwachsen. Das Prognostizieren die Experten bei IDC bis ins Jahr 2024. In diesem Jahr sollen den Berechnungen zufolge knapp 490 Millionen smarter und tragbarer Geräte verkauft werden. Dazu errechnet IDC eine jährliche Wachstumsrate von 22,4 Prozent. Damit wird sich das Wachstum zwar gegenüber diesem Jahr abschwächen, jedoch ein sehr solides Niveau halten.
Preisdruck und die Verbilligung des Marktes
Ein weiterer Grund für das Wachstum auf dem Wearables-Markt sind die tendenziell sinkenden Preise. Normalerweise würde ich nun schreiben „davon ist natürlich Apple ausgeschlossen, da die Amerikaner im Edelsegment ihren eigenen Markt eröffnet haben“. Doch das stimmt so nicht. Apple hat mit vergleichsweise niedrigen Einstiegspreisen bei der Watch Series 3 eine Brücke in den mittelpreisigen Markt geschlagen. Dadurch ist der Einstieg ins Apple-Universum oder auch die Erweiterung des eigenen Ökosystems einfacher geworden. Mit dem Preis hat Apple aber auch Hersteller wie Samsung oder Huawei unter Druck gesetzt. Warum sollte ich mir eine teure aber mit wenig Wiedererkennungswert ausgestattete Android-Uhr kaufen, wenn ich mit 250 Euro eine Apple Watch mit entsprechendem Prestige bekomme? Man sieht ja von außen nicht direkt, ob Apples Watch nun im aus günstigem Aluminium oder teurem Keramik gefertigt ist.
Die Preistreiber am Markt sind freilich auch andere. Hier marschiert wie so oft Xiaomi an vorderster Front voran. Das Mi Band in seinen verschiedenen Ausführungen kostet zum Teil keine 30 Euro und bietet alles, was ein Hobbysportler braucht. Herzfrequenzmessung, Schritt- und damit Kalorientracking sowie die Aufzeichnung des Schlafs. Das reicht den meisten Anwendern locker und für den vergleichsweise geringen Preis kann man auch einen weniger komfortablen Sitz des Bandes und auf das letzte Quäntchen Präzision bei den Messungen verzichten. Das Mi Band ist jedoch nicht der einzige Vertreter dieser günstigen Gattung. Ein weiteres Beispiel ist Honors Band 4. Dazu kommen eine Flut von neuen Anbietern nicht nur aus dem Technik-, sondern aus vielen anderen Bereichen. Modefirmen, Sportausrüster und nicht zuletzt die Audio-Hersteller wollen ihren Teil vom Kuchen abhaben. Wenn dann noch ein hochwertiger Kopfhörer von der „analogen“ Version zur smarten Version lediglich wenig mehr kostet, greift der Nutzer eben nicht zum alten Eisen, sondern zum vernetzten Gerät.
Der Wachstumstreiber: Audio
Laut IDC muss ein Audioprodukt neben der Audio-Funktionalität noch weitere Funktionalitäten wie eine Assistenzunterstützung bieten. Diese Geräteklasse ist einer der Wachstumsgaranten im Wearables-Bereich. Immerhin machten sie 2019 fast die Hälfte der verkauften Wearables aus. Diesen Anteil wird der Audiobereich bis 2023 noch weiter ausbauen. Immerhin prognostiziert IDC für 2023 einen Marktanteil bei den Wearables von 56 Prozent. Mit dann über 270 Millionen verkaufter Geräte sollen sie bis dahin ein Wachstum von 41,3 Prozent erreichen. Das ist fast doppelt so hoch wie das durchschnittliche Wachstum im Markt. Vertreter sind hier die Apple AirPods oder auch Samsungs Galaxy Buds. Doch auch klassische Audiohersteller wie beispielsweise Bose mit dem Headphone 700 mischen mittlerweile mit.
Im Gegensatz zu Audio wird es bei anderen Teilen des Marktes laut IDC wenig Wachstum geben. Smarte Armbänder sollen kaum Plus bei den verkauften Einheiten haben. So sollen im Jahr 2023 69,7 Millionen Stück abgesetzt werden. Der Vergleichswert im Jahr 2019 liegt bei 68,2 Millionen Geräten. Smartwatches sind laut Prognose ebenfalls weniger Wachstumsstark, jedoch sollen sie bis zu 16,4 Prozent durchschnittliches Wachstum bis zum Jahr 2023 erhalten. Das ist ordentlich. Sie werden die 100-Millionen-Grenze an verkauften Geraten pro Jahr bis 2023 knacken. So sollen im angesprochenen Jahr 109,2 Millionen Stück verkauft werden. Noch langsamer als die Armbänder soll der Rest des Marktes wachsen. IDC geht nicht darauf ein, welche Geräte in diese Kategorie fallen, jedoch behaupten die Analysten, dass diese „Anderen“ in diesem Jahr 28,2 Millionen mal verkauft wurden und 2023 36,5 Millionen Stück abgesetzt werden.
Preisprognose: Smartwatches im Preisverfall
Bei der Preisprognose stehen vor allem die Smartwatches im Mittelpunkt. Schon von diesem auf das nächste Jahr 2020 wird der durchschnittliche Preis der schlauen Uhren unter die 300-Euro-Marke fallen und damit die deutlichste Entwicklung nehmen. Danach verlangsamt sich der Preisverfall deutlich. Ähnlich sieht es bei den Audiogeräten aus. Noch bis ins Jahr 2020 wird der Preis deutlich, danach nur noch langsam fallen. Bei Fitnessbändern wird der Preis laut IDC stagnieren und bei den „Anderen“ sogar leicht steigen.
Zweifel an der Vorhersage
Ich bekomme bei der Aufstellung der IDC ein paar Zweifel, ob die Analysten so richtig liegen. Der Aufschwung der Audio-Produkte liegt für mich nicht ganz auf der Hand. Klar rechnen viele damit, dass besonders die Apple Earpods eine ähnliche Geschichte hinlegen wie ihre Smartphone-Verwandten. Doch ob das für eine knappe Verdopplung der Verkäufe pro Jahr reicht, wage ich zu bezweifeln. Gründe dafür sind unter anderem, dass Kopfhörer zwar noch einiges an Entwicklungspotenzial bereithalten, jedoch der Gebrauchszeitraum sehr lang sein kann. Wiederkehrende Käufer werden also nicht den Boom auslösen, den die IDC beschreibt.
Etwas stutzig werde ich auch bei der Behandlung der „Anderen“. Wenn damit smarte Schuhe und intelligente Brustgurtmesser gemeint sind, kann ich mir die Zukunftsaussichten dafür so vorstellen, wie es die IDC beschreibt. Wenn man aber bedenkt, was da noch im Bereich intelligenter Kleidung, winziger Tracker beispielsweise in der Geldbörse oder smarter Brillen kommen könnte, habe ich das Gefühl man rechnet nicht mit einem Durchbruch in den kommenden drei Jahren. Doch da bin ich weniger Konservativ und glaube, das die nächste Generation Wearables nicht in Form eigenständiger Geräte daherkommen wird, sondern einzelner Sensoren und Aktoren, die erst miteinander verbunden einen Mikrokosmos um den Nutzer herum entstehen lassen. Das kann eine Brille mit Mini-Kamera gepaart mit einem Display auf der Motorradjacke und der Müdigkeitserkennung im Helm sein. Oder aber eine Badehose, die die Geschwindigkeit misst und den Befehl für das richtige Lied an die Schwimmbrille gibt während die auf die Haut aufgeklebte Sensorfolie davor warnt, wenn zu viel Chlor im Wasser ist.
Ich stelle also die Behauptung auf, dass wir bald mehr einzelne Komponnenten am Laib tragen, die erst zusammen eine smarte Umgebung realisieren. Was denkt ihr? Wie seht ihr die Zukunft?
Quelle: IDC
"Warum sollte ich mir eine teure aber mit wenig Wiedererkennungswert ausgestattete Android-Uhr kaufen, wenn ich mit 250 Euro eine Apple Watch mit entsprechendem Prestige bekomme?"
Für den unbedarften Nutzer wäre es gut gewesen, wenn auch noch gleich eine mögliche Antwort dafür genannt worden wäre: Das Smartphone gibt im Normalfall die Uhren-Variante vor.
Android Uhren funktionieren gut mit Android, aber sind unter iOS deutlich eingeschränkt. Im umgekehrten Fall funktioniert die Apple Watch gar nicht erst mit Android.
Analysen sind okay, wenn man weiß, wer sie in Auftrag gegeben hat. Prognosen taugen inso einem sich schnell verändernden Markt nicht viel, meine Ansicht. Aber interessant zu lesen allemal :)
Habe mir neulich mal beim Chinesen Apple Airpots ähnliche Kopfhörer für 20 Euro gekauft. Bin zufrieden 👍.
@Karsten: meinst du die Apple Airpots? als Earpods bezeichnet Apple die Kabelgebundenen in-Ears. für deren Klone 20 Euro aus zu geben wäre für mich viel zu viel Geld.
und zu den Airpod-Klonen aus China: habe hier auch 2 ausprobiert bevor ich mir die erste Airpods-Generation gekauft habe und muss sagen, gegenüber den Airpods war die Qualität mehr als nur Miserabel. Immer wieder Blutooth-Aussetzer, nicht mal 2 Stunden Akku-Laufzeit und der Klang: ich weis die Airpods gelten hier nicht als Glanzleistung, aber der Klang ist um Längen besser als bei diesen 20-Euro-Klonen aus China.
Und zum Schluß noch etwas was auf mich zutrifft aber nicht zwingend auf jeden anderen Menschen: die Airpods sitzen in meinen Ohren schlicht besser als diese China-Klone, die alle etwas größer als das Original sind.
Airpods... Hab's korrigiert.